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Nahe am Paradies

Mika Kaurismäki schuf mit «Master Cheng» ein Feelgood-Movie, in dem ein Mann, eine Frau und gleichzeitig zwei Kulturen sich näherkommen: launige, appetitanregende Sommerkost. – Ab 20. August im Kino.

Der Chinese Cheng kommt zusammen mit seinem Sohn auf der Suche nach einem alten finnischen Freund nach Pohjanjoki, einem abgelegenen Dorf in Lappland. Dort kennt niemand seinen Freund Fongtron. Doch die lokale Cafébesitzerin Sirkka bietet ihm eine Unterkunft an. Im Gegenzug hilft er ihr in der Küche, und überrascht die Einheimischen mit chinesischen Köstlichkeiten. Trotz kultureller Unterschiede findet er schnell Anerkennung und neue Freunde. Als er wegen seiner abgelaufenen Papiere den Ort verlassen muss, nimmt die Geschichte eine Wende.

Mika Kaurismäki, der Bruder des berühmten Aki Kaurismäki, hat mit seinem Film «Master Cheng» eine leichtfüssige, dennoch universelle Komödie über das Glücklich-Werden geschaffen.

Um sich zu verstehen, sind Gespräche nötig.

Die Menschen glücklich machen

In seinem zweiten Dokumentarfilm, «Brasileirinho», fragt Kaurismäki während der Fussball-WM die Leute vor Ort, was sie zusammenbringt und verbindet, und antwortet gleich selbst: die Musik. In «Master Cheng» trägt der Regisseur Mosaikstein um Mosaikstein zu einer Geschichte zusammen,die miterleben lässt, wie Menschen und Nationalitäten sich annähern und glücklich werden können. Wer nicht wie in einem Krimi Spannung sucht, sondern wie in einem Märchen Verweilen und Träumen, findet hier beides in Fülle: in sinnlichen Bildern und sinnigen Szenen, die Resonanz erzeugen, etwas bewegen und glücklich machen – in Szenen wie den folgenden:

Cheng, der für seinen Sohn, der sich langweilt, wenig Geduld aufbringt, bis er allmählich lernt, seinen Egoismus zu überwindet und die Bedürfnisse des Jungen ernst zu nehmen.

Oder wie sich der Chinese mit Ausdauer überall und jederzeit nach seinem ehemaligen Freund erkundigt, bis die Menschen rundherum beginnen, ihm bei der Suche zu helfen.

Als Überlebender seiner verunglückten Frau verfolgen ihn schlimme Träume ihres tödlichen Unfalls, bis er merkt, dass auch sein Sohn Nunjo beim Verarbeiten der Trauer Hilfe braucht.

Die alleinstehende Wirtin Sirkka lässt sich herausfordern, wagt in der Küche Neues, bis sie dafür von ihren Gästen die verdiente Belohnung erhält und im Team weiterarbeitet.

Die umfassende Bedeutung, die das Essen in China für Gesundheit und Glück hat, kommt in der Geschichte rund um die Landbeiz in vielfältiger Weise zum Tragen.

Nach ersten abschätzigen Bemerkungen über das unbekannte, fremdländische Essen, beginnt die Dorfbevölkerung dieses bald einmal zu schätzen und verlangt weiter danach.

Und schliesslich führen die Männer im Geheimen etwas im Schilde, mit dem sie ihre Dankbarkeit zeigen und alle ganz nahe ans Paradies führen wollen.

Warmherzigkeit, Romantik und Humor fügen sich zu einer filmkulinarischen Köstlichkeit, bei der finnisches Lokalkolorit und chinesische Weisheit sich mischen. Die finnisch-chinesisch-britische Produktion erzählt ein klassisches Culture-Clash-Märchen, so richtig zu einer warmen Sommernacht passend.


Sirkka mit einem ihrer Stammgäste

Kommentar des Regisseurs

Auch wenn die Geschichte von Master Cheng auf den ersten Blick sehr einfach erscheinen mag, steckt in ihr doch das Potenzial, über die komplexe Gegenwart nachzudenken. In Zeiten, in denen mächtige Diktatoren die Welt zu entzweien versuchen, wollte ich einen Film machen, der die Menschen zusammenbringt. Globalisierung ist ein Thema der Stunde und hinterlässt nicht selten einen unangenehmen Beigeschmack. Auch «Master Cheng» ist in gewisser Weise ein Film über Globalisierung, jedoch im positiven Sinne: Eine zufällige Begegnung zwischen zwei gewöhnlichen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, die sich und ihre Umwelt gegenseitig anerkennen und bereichern, spiegelt den positiven Geist der Globalisierung wider.

Die Narration ist bewusst minimalistisch gehalten, verzichtet auf unnötigen Firlefanz. Stattdessen lebt der Film von seiner Atmosphäre, den liebevollen Details und einer subtilen Schwingung unter der Oberfläche. Seine Einfachheit macht ihn universell begreifbar, seine bedingungslose Herzlichkeit hat eine mitreissende Energie. Die Landschaften im Film machen einen essenziellen Teil seiner Atmosphäre aus. Ich wollte die Geschichte in Lappland, einer Gegend, die nicht nur wunderschön und ungewöhnlich, sondern auch rau und authentisch ist, spielen lassen. Einem Ort, an dem sich der Mensch der Natur und sich selbst stellen muss. Doch «Master Cheng» lebt vor allem von den Schauspielerinnen und Schauspielern, denen ich Raum gegeben habe, ihre Rollen sorgfältig zu entwickeln. Und schliesslich spielen die Dialoge eine Rolle, wenn auch vieles zwischen den Zeilen, in den Blicken und in der Präsenz der Figuren abläuft.

Die Männer, beim Aushecken ihres geheimen Planes.

Aus einem Interview mit Mika Kaurismäki

In «Master Cheng» begibt sich der Koch Cheng mit seinem Sohn in ein ihm völlig unbekanntes Land, um dort ein neues Leben zu beginnen. Auch Sie haben schon in vielen Ländern gelebt?

Dass ich in vielen Ländern gewohnt und gearbeitet habe, hat sich sicherlich auf meine Arbeit ausgewirkt. Als Filmemacher sehe ich mich auch als eine Art Anthropologe, der mit seiner Kamera um die Welt reist und die Menschen in den verschiedenen Kulturen beobachtet. Das interessiert mich. Ich habe fast die Hälfte meines Lebens im Ausland verbracht, weshalb kulturelle Unterschiede oft in meinen Filmen das Thema sind.

Die beiden Chinesen werden von den Einheimischen zunächst skeptisch beäugt. Schnell stellt sich aber heraus, dass alle voneinander lernen und profitieren können.

Ich habe lange in Kulturen gelebt, die ganz anders sind als die finnische, habe aber gelernt, dass die Menschen trotzdem im Wesentlichen ähnlich und die Grundbedürfnisse überall die gleichen sind. Ich komme mit den Leuten überall gut zurecht. Denn es sind nicht die menschlichen Unterschiede, die uns trennen, sondern die ideologischen. Ich lebte 30 Jahre in Brasilien und liebte die Menschlichkeit und Lebensfreude in diesem Land. Ich liebe sie immer noch, doch ideologisch konnte ich es dort schliesslich nicht mehr aushalten und musste mit meiner Familie wegziehen. Nicht aufgrund der Menschen, sondern der komplett korrupten Klasse. Diese Erfahrung hat meinen Film sicherlich gefärbt. Ich wollte einen Film machen, der Menschen zusammenführt – nicht trennt.

Regie: Aki Kaurismäki, Produktion: 2019, Länge: 114 min, Verleih: Frenetic

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