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Schützen wir die Konkordanz

Information ist gut, Kommunikation ist aber weit mehr, beinhaltet die Rückfrage und setzt auf Verstehen. Bereitet man sich als Stimmbürger auf die Abstimmung am 27. September vor, wird der Mangel an umfassender Kommunikation offensichtlich, oder die Widersprüche feiern Urstände wie noch nie.

Beispiel Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer: Die ParlamentarierInnen der SP, der Grünen, der linken Seite insgesamt, lehnten im Nationalrat die Vorlage ab. Bei Umfragen zeigt sich aber, dass die Stimmberechtigten Mitte links die Vorlage in ihrer Mehrheit annehmen wollen. Die rechte Seite bis zur SVP dagegen obsiegte, stimmte im Parlament der Vorlage zu, die Stimmberechtigten, die sich der rechten Seite, insbesondere der SVP zurechnen, lehnen in den gleichen Umfragen den Kinderabzug ab.

Entfernen sich die PolitikerInnen von ihrem Stimmvolk, haben sie das Ohr nicht mehr bei ihren Wählern? Auf der anderen Seite: Achtet die Wählerschaft nur auf den Titel, der als „Kinderabzug“ positiv stimmt und begnügt sie sich mit der Kurzinformation, statt sich auf eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Vorlage einzulassen? Oder ganz andersherum: Profitiert die linke Wählerschaft am meisten von der Vorlage, weil möglicherweise viele von ihr weit über 100’000 Franken im Jahr als Einkommen versteuern? Und das im Gegensatz zu den rechten Wählern, insbesondere bei der SVP, die gar keine oder sehr tiefe direkte Bundessteuern bezahlen, somit nie vom vorgesehenen Kinderabzug profitieren werden? Genauere Statistiken, die aktuell leider fehlen, könnten bei der Beurteilung sehr hilfreich sein.

Ueli Maurer bekämpfte als Finanzminister die Vorlage überzeugt und überzeugend. Die rund 380 Millionen, die die Vorlage weniger Steuereinnahmen verursachen wird, waren ihm zuviel, auch, weil der Erlass nicht sozial ausgestaltet ist. Im Gegenteil. Dass er nun in der Arena-Diskussion nicht seinen Kopf für den Bundesrat und das Parlament hinhalten will, ist verständlich, zeigt aber auch, dass selbst in der Kollegialbehörde Bundesrat, in der Konkordanz, der Zwiespalt angekommen ist. Mehr noch: Immer mehr amtierende Magistratspersonen fühlen sich nicht mehr an die Konkordanz gebunden. Als Bundesrat Kurt Furgler sich in seiner Amtszeit weigerte, eine Schwangerschafts-Abbruch-Vorlage dem Bundesrat zu unterbreiten, sie auf keinen Fall als Justizminister öffentlich vertreten wollte, gab es einen Aufschrei in der Schweiz, und insbesondere die bürgerliche Presse rügte ihn, stellte ihn an den Pranger, den standhaften Katholiken. Wenn sich aktuell die Zürcher SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr geradezu mit einer Internet-Kampagne gegen den Entscheid ihrer Regierung in der Frage der Maskenpflicht stellt, wird sie im Leitartikel der NZZ vom letzten Samstag dafür gelobt: „Sie äusserte sich…wiederholt gegen schärfere Massnahmen und plädierte – erfrischend ungewohnt für eine Sozialdemokratin – für mehr Eigenverantwortung und weniger staatliche Verbote.“ Und die Sonntags-Presse stilisiert sie hoch zur „Rebellin“ und öffnet ihr, was sie anstrebt, die Spalten. Wo sie sich zwar hinter die Entscheidung der Kollegialbehörde stellt, sich aber schnurstracks wieder davon distanziert. Der Widerspruch ist offensichtlich. Zu Furglers Zeiten hätte ihr die Presse zumindest die gelbe Karte gezeigt.

So verändern sich die Zeiten. Und es zeichnet sich eine gefährliche Entwicklung ab: Die bis jetzt ausbalancierten Institutionen geraten aus dem so wichtigen Gleichgewicht. Die bis jetzt erfolgreiche Konkordanz, auch und gerade in der jetzigen Corona-Krise vom Bundesrat öffentlich, auch von den Fernseh-Kameras praktiziert, wird in den Kantonen nicht auf dem gleichen Niveau umgesetzt. Und plötzlich werden wir gewahr: Viele der kantonalen Regierungen wollten in der Corona-Krise unbedingt mehr Macht, sind letztlich überfordert und rufen wieder nach Führung, wenn sie nicht weiterkommen. Auf der anderen Seite werden ihre Mitglieder direkt vom Volk gewählt und sind somit nicht so ihren Parlamenten gegenüber verantwortlich wie der Bundesrat, der von der Bundesversammlung gewählt wird.

Und so kümmert sich Jacqueline Fehr nicht so sehr um die Institutionen, um die Konkordanz als vielmehr um ihre Wähler, die sie nicht nur bei der SP sucht, sondern auch bei denen, die weit sorgloser mit Corona umgehen. Oder wie die NZZ bereits  in einem Kommentar zu den Entscheiden der Zürcher Regierung zur Ausweitung der Maskenpflicht schrieb: „Von der Regierung wäre es für einmal mutiger gewesen, nicht zu handeln.“ Aber wir können der Regierung dankbar sein, dass sie handelt, dass sie uns zu schützen weiss, auch wenn es Jacqueline Fehr, der NZZ und jetzt auch der Sonntags-Zeitung und ihrem Kolumnisten Markus Somm gar nicht gefällt. Und sie alle, weil sie gegen die Maskenpflicht sind, plötzlich zueinander finden. Eine unheilige Allianz, die uns nachdenklich stimmen muss. Schützen wir die Institutionen, schützen wir die Konkordanz.

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank für diese Äusserung zur Stärkung der Konkordanz und zur Unterstützung der Maskenpflicht!
    Ich vermute, die Einstellung zur Maskenpflicht ist stark altersabhängig. Wer weiss, dass die Maske den Träger, die Trägerin nur zum Teil schützt und weiterer Schutz von den Masken der Leute rundherum kommt, ist als SeniorIn eher dafür. Die übrigen reagieren eher auf die Unbequemlichkeit des Maskentragens (die zum Glück mit abnehmender Wärme abnimmt).

  2. Ganz wunderbar klar wird in diesem Artikel die Besorgnis um die Konkordanz formuliert. Vielen herzlichen Dank dem Autor, der mir aus dem Herzen spricht. Das besonders auch in einer Krise notwendige Miteinander wird immer mehr als Gegeneinander erlebt. Das verunsichert die Gesellschaft.

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