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Wenn Jugendliche über Sex reden

Ein lustvoller Theaterabend, der Tabus bricht: Regisseurin Suna Gürler und Autor Lucien Haug präsentieren im Pfauen des Schauspielhauses Zürich eine zeitgemässe Umsetzung von Frank Wedekinds Skandalstück „Frühlings Erwachen“.

In dem berühmten Stück von Frank Wedekind geht es vordergründig um die Notlage pubertierender Jugendlicher im ausgehenden 19. Jahrhundert, die sich wehrlos der Dressur der Schule ausgesetzt fühlen, während ihre dringendsten Lebensfragen, ausgelöst von ihrer aufkeimenden Sexualität, unbeantwortet bleiben. Da auch im Elternhaus keine Aufklärung stattfindet, weil damals das Thema Sexualität ein Tabu ist, sehen sich die Kinder beim schwierigen Übergang zum Erwachsenenalter alleingelassen. Ihre hilflosen Versuche, sich gegenseitig bei ihren Problemen zu helfen und ihre Sexualität in vernünftige Bahnen zu lenken, führen zu tragischen Entwicklungen. Natürlich hat sich die Gesellschaft seit Wedekinds Zeit stark verändert, ist aufgeklärter, liberaler und toleranter geworden. Trotzdem erfreut sich das Stück nach wie vor grosser Beliebtheit, da es in vielen Aspekten immer noch erstaunlich aktuell ist.

Spielerisch und sprachlich enttabuisiert

Von dieser Notlage und der folgenden Tragödie ist in der Inszenierung von Suna Gürler nach Texten von Lucien Haug auf der Pfauenbühne nichts zu spüren. Im Gegenteil: Auf erfrischende Art wird Sex und Sexualität spielerisch und sprachlich enttabuisiert. Sechs jugendliche Laienspieler und ein Vollprofi aus dem Ensemble (Matthias Neukirch) haben Wedekinds Stück geprobt und sind dabei aneinandergeraten. Folge: Wedekinds „Frühlings Erwachen“ ist abgesagt, der Titel durchgestrichen. Darüber wollen sie reden, sich austauschen. Und das tun sie auf höchst unterhaltsame Weise.

Sie reden über Sex (v.l): Elmira Oberholzer, Matthias Kull, Dominik Schüepp, Orell Bergkraut.

Spielort ist eine die ganze Bühne einnehmende steile Riesentreppe, auf der die Spielenden mit Rückblenden auf den schwierigen Probenprozess sich austauschen und ihre eigene Sicht und Anliegen in Bezug auf Sexualität präsentieren. Das geht nicht immer konfliktfrei vonstatten, wenn über Scham, Lust und Fantasien gesprochen wird. Doch entscheidend ist der offene und respektvolle Austausch, und dieser ist der Hausregisseurin Suna Gürler, zuständig für das Jugendtheater, mit ihrer unbeschwerten und humorvollen Inszenierung vorbildlich gelungen.

Zürich als Ort der Aufführung ist gut gewählt, sorgte Wendekinds Skandalstück doch noch 2009 für Aufregung, als ein Lehrer der Kantonsschule Rämibühl verklagt wurde, weil er pornographisches Material weitergegeben und Wedekinds Werk als Schullektüre gewählt hatte. Tempi passati, sollte man meinen. Jedenfalls, wenn man die erfrischend heiter gestaltete Aufführung auf der Pfauenbühne besucht, die schonungslose Aufklärung betreibt und das ganze Spektrum von Sex und Sexualität in klug choreografierten Dialogen und Szenen ausbreitet. Thematisiert wird vieles: das erste Mal, Petting, homosexuelle Liebe, lustvolle Sexfantasien, Pornokonsum, Dating-Apps, aber auch die Unlust auf Sex.

Energische Auftritte treppauf und treppab

Auch Komik ist mit im Spiel, wenn Matthias Neukirch mit umgehängter Riesenvulva und Klitoris-Kapuze auftritt und die Gruppe dem Publikum die inneren und äusseren weiblichen Geschlechtsorgane erklärt. Wie Neukirch seine Rolle als aufgeklärter und sexuell befreiter Erwachsener mit viel Selbstironie verkörpert und von den Jugendlichen mehr geduldet als ernst genommen wird, ist grandios entlarvend gestaltet. Löbliche Anerkennung verdienen die sechs Jugendlichen (Orell Bergkraut, Sascha Bitterli, Jasmin Gloor, Matthias Kull, Elmira Oberholzer, Dominik Schüepp), die als Laien wahrlich eine herausragende Leistung zeigen und mit ihren energischen Auftritten treppauf und treppab und ihren befreienden Dialogen für viel Heiterkeit sorgen. Dafür gabs am Premierenabend lautstarken Applaus.

Treppauf und treppab: Thematisiert wird vieles. Fotos: Zoé Aubry

Geboten wird rundum ein unterhaltsamer Aufklärungsabend, der uns eine Jugend zeigt, die zum Thema Sexualität (scheinbar?) ein offenes und unverkrampftes Verhältnis pflegt. Für die NZZ sollte die Aufführung „zum Pflichtprogramm für Schulen werden, und zwar als Weiterbildung für Lehrpersonen“. Jedenfalls liefert die Vorstellung auch für uns ältere Semester wertvolle Denkanstösse darüber, wie schnell sich einstige Moralvorstellungen wandeln können.

Weitere Spieldaten: 7., 9., 29. Oktober, 2., 4., 17., 23. November, 1., 2. Dezember

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