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Samothraki – Insel der Schafe, Insel der Nike

Es gibt kaum eine griechische Insel, die sich nicht einer besonderen Beziehung zu einem Gott oder einer Göttin rühmt. Oder zumindest die spezielle Beziehungen zu einem Helden aus dem mythologischen Personalpool hervorhebt. Von Samothraki stammt ja auch die berühmte Nike.

In der Antike war die Insel ein bedeutendes Wallfahrtsziel. Heute kann man sie auch mit gutem Recht „Insel der Schafe und Ziegen“ nennen. Hinter jeder Kurve könnte ein kleiner oder größerer Trupp von Gehörnten die Straße überqueren. Vor allem im trockenen Süden begegnet man in den alten Olivenhainen halbwilden Tieren. Und abends begegnet man Hirten bei der Rückkehr mit den Herden.

Schäfer mit Herde im herbstlich-trockenen Süden der Insel

Die Fähre zur Insel verkehrt von Alexandroupoli aus, der östlichsten Hafenstadt Griechenlands nahe an der türkischen Grenze. Bei der Einfahrt beeindruckt die breite Pyramide des Fengarigebirges (1644 Meter) steil aufsteigend hinter dem kleinen Städtchen von Kamariótissa. Die meisten der rund dreitausend Inselbewohner leben von der Landwirtschaft. Der Anbau von Getreide, von Oliven und vor allem die Tierhaltung bilden die Lebensgrundlage. Die karge Insel zwang schon in den 60er Jahren viele zur Auswanderung. Heute sollen in und um Stuttgart mehr Ausgewanderte leben als Zurückgebliebene auf der Insel.

Magische Natur: Platanen- und Ahornhain nahe Thérma

Samothraki, mit 178 Quadratkilometer praktisch gleich groß wie Appenzell Innerrhoden, ist eine der ungewöhnlichsten Inseln der Ägäis, still und unberührt. Kein Wildwuchs von Hotels und Restaurants wie auf vielen anderen Inseln. Die Nordküste ist das ganze Jahr über grün. Mächtige Wälder überziehen die schroffen Hänge des Saos-Gebirges. Klare Bergbäche stürzen sich hinunter ins Meer in einer mystisch wirkenden Szenerie aus wuchtigen Platanen und Ahornbäumen. Das gefällt auch Aussteigern, die dort mitten in den Wäldern campieren. Ich habe kaum jemals im Mittelmeerraum solche Baumriesen gesehen, ganze Haine davon, nun in herbstlichem Blätterkleid.

Wasserfall und Becken Kria Vathra

In Thérma, etwa 14 Kilometer östlich des Fährhafens, sprudelt eine schwefelhaltige Quelle. Die umliegenden Kafeníons sind ein Treffpunkt für Kurgäste vom Festland, Individualtouristen und Wildcamper. Auf einer abwechslungsreichen Wanderung dem Bach entlang kommt man zu natürlichen Becken. Entlang der Felsen gelangt man durch mehrere im Herbst geringe Wasserfälle zu kleinen Gumpen. Manche sind mehrere Meter tief und ein Bad im Alleingang könnte gefährlich sein. Weitere Wasserfälle befinden sich in Foniàs und im Süden im Bach Kremastó. Ein besonderes Vergnügen im Sommer: Wandern und Baden in dieser wilden Landschaft.

Das Hafenstädtchen Kamariótissa ist eine Ansammlung von Gebäuden ohne historisches Zentrum. Das Leben ist ruhig. Die Männerrunde im Kafeníon ist schweigsam und die Komboloi, die unerlässliche Perlenkette gleitet unablässig durch die Finger.

Chora, oben in den Bergen, verliert seine Zentrumsfunktionen immer mehr an die Hafenstadt unten

Hier gibt es wenig interessante Sujets für den Fotografen. Anders in Chora im Landesinnern. Die Straße, schraubt sich in Serpentinen zum Dorf hinauf. Chora wird bewacht von einem Festungsturm aus genuesischer Zeit, und einem mächtigen Fels, der den Ort zur Meeresseite verbirgt – eine Schutzmaßnahme aus Zeiten, als die Einwohner noch in ständiger Angst vor Eroberern und Piraten lebten. Hinter diesem Sichtschutz öffnet sich Chora wie das Halbrund eines Amphitheaters. Eng pressen sich bunte Würfelhäuser mit blauen Holzbalkonen und roten Ziegeldächern an den Bergrücken des Volakas-Gebirges. In den verträumten Gassen zeigen sich nur Katzen.

Nike ohne Kopf, aber modisch mit Hut. Der Göttinnenstatue begegnet man hier und dort.

Sie schleichen über die Treppenpfade und dösen im Schatten der Hibiskus- und Oleanderbüsche. Doch ausgerechnet hier begegnet uns auf einer Terrasse unverhofft die bekannteste Samothrakerin.

Ein Bildungstourist kommt kaum um den Besuch von Paläopolis herum, während Jahrtausenden eine wichtige heilige Stätte. Bei der Suche wären wir fast am kleinen Parkplatz in einem Platanenhain vorbei gefahren. Im letzten Moment erblickten wir das Hinweisschild auf den antiken Pilgerbezirk der Großen Götter. Das gesicherte Wissen über den Brauch ist eingeschränkt, da bis heute viele Einzelheiten dieses panhellenischen Kultes geheim geblieben sind.

Die Ausgrabungen seit den 1950er Jahren legten Grundrisse eines imponierenden Heiligtums frei. An den großen Festlichkeiten nahmen Delegationen der wichtigsten Städte Griechenlands und Kleinasiens teil. Paläopolis hatte eine ähnliche Bedeutung wie Delos, eine der Kykladeninseln, oder Eleusis nahe Athen.

Das Hieron – der zentrale Tempel mit Blick auf das Meer, erbaut im 3. und 4. Jh. v.Chr.

Auf der weitläufigen Anlage fanden nachts im Fackelschein Prozessionen in weißen Gewändern statt. Bei der Einweihungsfeier musste man schwören, die Rituale nicht zu verraten. Dionysische und orphische Vorstellungen scheinen die Hauptrolle gespielt zu haben. Es ging darum, mit Göttern und Toten aus der Unterwelt Kontakt aufzunehmen. In der Vorstellung der Antike lebten die Verstorbenen dort als scheue Schatten, schmerzlos aber auch freudlos. Von alldem versprachen die Eingeweihten sich Glück im Leben und ein besseres Los im Jenseits.

Teil eines Marmorreliefs mit Blütenformen im Hieron in Paläopolis (Rekonstruktion)

Die Verehrung der Großen Götter von Samothraki kannte schon die vorgriechische Bevölkerung. Kybele, eine kleinasiatische Muttergöttin, wurde von den Griechen mit Demeter, der Göttin der Fruchtbarkeit und des Erdsegens verschmolzen. Viele antike Herrscher finanzierten prächtige Bauten. Unter den Weihegeschenken ist die Statue der Nike bekannt. Sie wurde vollständig zerstückelt gefunden, zusammengesetzt und restauriert. Das Original hat es in den Louvre geschafft. Eine Nachbildung sei im kleinen Museum zu bewundern. Wir haben sie aber dort nicht vorgefunden. Dafür kann man sie in Chora auf Terrassen oder Gärten von Privathäusern finden.

Hoch oberhalb des Strandes Pachia Amos im Südosten liegt die Kapelle Panagia Krimniotissa, die man wegen ihrer Lage und der herrlichen Aussicht unbedingt besuchen sollte. Im romantischen Restaurant unterhalb der Kapelle gibt es auch etwas Kleines zu essen.

Panagia Krimniotissa – die Jungfrau über dem Abgrund

Nach der Legende wurde das Gnadenbild während eines Sturms in den Wellen gefunden. Das Schiff konnte sich und die Ikone auf die Insel retten. Der Priester stellte sie in der Kirche. Doch Nacht für Nacht wurde sie immer wieder auf den Felssporn getragen, statt in der Dorfkirche zu verbleiben. Dies war das Zeichen für den Bau der Kirche.

Ein meditativer Innenraum mit einer schlichten Ikonostase

Das einfache Leben einer bäuerlichen Gesellschaft prägt in vielen Zügen den Alltag auf der Insel. Oben auf dem Berg fanden wir dieses Apotropaion, eine kleine Installation zweier magischer Gegenstände zum Schutz gegen böse Kräfte. Rund ums Mittelmeer findet man apotropäische Zeichen, die Menschen, Tiere oder Gebäude gegen die üblen Auswirkungen der Zauberei, des bösen Blicks und anderer widriger Kräfte bewahren.

Ziegenschädel und Kinnbacke eines größeren Tieres als Abwehrzauber

Den Charme der Insel macht ihre weitgehend unberührte Wildheit aus. Die Insel ist kein ideales Ziel für Badeferien, sie wird Individualisten – Wanderer und Naturliebhaber – begeistern und lohnend für jemanden, der gern unter Einheimischen Urlaub macht. Griechen bereisen die Samothraki gern und genießen ihre Frische und ihren Wasserreichtum. Und wir Touristen finden Ende September eine kleine Welt für sich, wie sie vor zwei Generationen auf andern Inseln noch zu erleben war.

Abschied von Samothraki – zurück aufs Festland nach Alexandroupoli

Alle Bilder vom Autor © Justin Koller
Hier finden Sie den anderen griechischen Insel-Geheimtipp
Hier finden Sie weitere Informationen zu Samothraki
und hier gibt es einen englisch kommentierten Dokumentarfilm

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