Die in der Nordägäis gelegene griechische Insel Limnos hat eine großartige vorgeschichtliche Vergangenheit vorzuweisen. Vor 5000 Jahren entwickelte sich hier eine Hochkultur mit eindrucksvollen Stadtanlagen, mächtigen Felsbauten und Ehrfurcht einflößenden Heiligtümern.
„Ist das eine gute Idee,» fragten Freunde und wir uns selber auch, „unter den Bedingungen der Corona-Pandemie eine Reise in die nördliche Ägäis zu unternehmen, besonders auch eine selbst organisierte?“
Ende September ist es hier ruhig – die Saison in Myrina ist vorbei
Unsere Annahme stellte sich als richtig heraus: Auf den eher abgelegenen Inseln Thassos, Limnos und Symothraki – unseren Reisezielen – gibt es nur wenige Infektionen und wenn, dann von Militärpersonen. Auf der Reise erlebten wir, dass der Umgang mit Covid-19 klar reglementiert, aber gleichzeitig entspannt ist. Auf der Fähre, in Museen, an öffentlichen Orten sind Maske und teilweise Fiebermessen Pflicht. Ebenso trägt das Personal in Hotels die Maske, ausser in den kleinen Fischtavernen auf dem Lande.
Die Insel in der nördlichen Ägäis ist bei uns nicht sehr bekannt. Hauptsächlich wird sie von Festlandgriechen und – weil in der Nähe – von Bulgaren und Rumänen, meist mit grossen Autos, als Feriendomizil gewählt. Und nun im September gibt es nur noch sehr wenige Feriengäste. Die Griechen blieben wegen der ökonomischen Krise nur einige Tage statt wie früher Wochen und – so erzählt uns Jannis, unser Gastgeber – die West- und Mitteleuropäer kommen wegen der Covid-19-Krise nicht, obwohl es auf den Inseln kaum Infizierte gibt.
Farbenfroh herausgeputzte Taverne in Platy – aber kaum Gäste
Limnos ist mehrmals in der Woche von der mazedonischen Stadt Kavala aus mit der Fähre in etwa dreieinhalb Stunden erreichbar. Da sich Routen und Zeiten oft ändern, muss man sich unbedingt informieren. Die Insel ist abwechslungsreich, ursprünglich und recht unberührt. Im Norden sehr gebirgig, im Süden flacher, ein Bauernland mit bukolischen Landschaftsbildern. Für die Insel empfiehlt sich ein Mietwagen. Auch auf guten Strassen kann es vorkommen, dass plötzlich eine Schafherde, die am Brunnen ihren Durst stillt, den Weg versperrt.
Ein bukolisches Bild – eine Schafherde kreuzt den Weg
Bei der Einfahrt der Fähre nimmt der mächtige Burgberg den Blick gefangen. Auf einem ausgedehnten Felskopf thront eindrucksvoll eine der grössten mittelalterlichen Festungen in der Ägäis. Der Weg hinauf führt an einer Zyklopenmauer entlang. Die zahlreichen Ruinen geben Zeugnis vom Wechsel der Kulturen und Herrscher, von der bronzezeitlichen Kultur der Kykladen, über die minoische Epoche bis zu den mykenischen Eroberern, den Römern, Byzantinern, Venezianern und Türken.
Ein atemberaubendes Fotomotiv – Myrina vom Kastro aus.
Die kleine Haupstadt Myrina ist nur im Juli und August voller Touristen. Sie konnte ihren friedlichen und einfachen Charakter bewahren, obwohl sie das Zentrum der Insel ist, mit Fährhafen, Einkaufsmöglichkeiten, Ärzten, Apotheken, Restaurants, Bars, usw. Die mehr als hundert Buchten der Insel sind meist einsam, mit einfacher Infrastruktur, doch auch im Ausnahmeseptember des Corona-Jahres für eine handvoll Badegäste offen. Die Dörfer in den Bergen gefallen durch ihre Ursprünglichkeit und die einfache Lebenart der Menschen. Ab Mitte August setzen normalerweise starke Winde ein. Limnos lebt überwiegend noch von Landwirtschaft. Die beste Zeit, die Insel zu bereisen, ist von Mai bis Ende Juli oder von Mitte August bis Ende Oktober.
Einsame Bucht bei Mudros
Die wichtigste historische Stätte mit einer über 6000 Jahre alten Geschichte ist Poliochni, wo der Kult der großen Götter oder Kabiren gefeiert wurde – ein Mysterienkult, dessen Riten und Lehren geheim waren. Es wurden ausschliesslich chthonische Gottheiten verehrt , die einerseits die Unterwelt und den Tod repräsentierten, andererseits Fruchtbarkeit spendeten, also der Erde zugehörten. Als Hauptgottheit der Großen Götter kann die Grosse Mutter oder Kybele angesehen werden, die später in der griechischen Religion mit weiblichen Erdgottheiten wie Demeter verschmolzen wurde.
Die Entdeckung der frühbronzezeitlichen Fundstätte von Poliochni gilt als sensationell.
Limnos war in der Antike mit der Nebeninsel Samothraki auch kultisch verbunden: Hier wie dort strömten Pilger zu den geheimnisvollen Mysterien zu Ehren der Kabiren, von denen sich die Teilnehmer wohl ein besseres Leben nach dem Tode erhofften.
Bouleuterion, der antike Raum für Versammlungen, als Zeuge für die älteste Demokratie in Europa.
Die Siedlung Poliochni wird aufgrund ihrer Ausmaße und ihrer Entwicklungsreife als die älteste organisierte Stadt Europas bezeichnet. Sie liegt gegenüber von Troja, ist aber viel älter. Poliochni begann als kleines neolithisches Dorf im 4. Jahrtausend vor Christus und entwickelte sich in eine blühende Stadt, die vom Kupferbergbau lebte. Oft wird sie als „die älteste Stadt in Europa“ bezeichnet. Am interessantesten ist die Ausgrabung eines Versammlungshauses, des antiken Bouleuterion, wo sich die Elite der Stadtbewohner versammelte und Streitfragen von öffentlicher Bedeutung schlichtete. Das kleine Museum ist einen Besuch wert und die Aussicht grossartig.
Auf dem Weg zur Kapelle ohne Dach
Eine abendliche Wanderung rund vier Kilometer von Myrina entfernt führte uns in die einsamen Berge. Mit dem Auto nach dem Dorf Ergati und von dort auf einer Schotterpiste weiter zu einem Parkplatz mitten in der Einsamkeit. Auf einem leicht erkennbaren Pfad entdeckt man nach etwa einer halben Stunde ein weisses Kreuz über einem Felskopf. Wie fantastisch muss die nun karge herbstliche Landschaft sein, wenn sich im Frühling die Blumenpracht entfaltet.
Eine der natürlichen Höhlen mit der Kapelle
Unser Ziel ist die Panagia Kakaviotissa (Jungfrau Maria vom Berg Kakavos)- das Heiligtum ohne Dach, endlich der letzte Anstieg über eine gesicherte Steintreppe bis hinauf zur weitgespannten Höhle. Sie war Wohnstätte frühchristlicher Eremiten und geschützter Ort vor Seeräubern. In der Stille des milden Abendlichts kann man die spirituelle Ausstrahlung dieses Ortes spüren.
Ikonen und Votivgegenstände in der Kapelle
In ihrer Schlichtheit hat die Insel etwas Geheimnisvolles, was auch viele Reiseführer-Autoren feststellen. Dazu gehört auch, den Sonnenuntergang zumindest einmal bewusst erleben. Und vielen Griechen wichtig: Von hier aus kann man den heiligen Berg Athos sehen
Eine rötliche Sonne versinkt hinter den fernen Hügeln.
Alle Fotos © Justin Koller
Weitere Informationen für Besuche auf Limnos gibt es auf Wikipedia oder auf der deutschen Website von Discover Greece.
wie gerne wäre auch ich auf dieser insel gewesen, so wie sie justin koller beschrieben hat. übrigens, lieber justin, wir waren mal gemeinsam bei einem schreibseminar in innsbruck! herzliche grüße also und weiterhin viel freude und erfolg,
g l g c. h. huber
Liebe Christine,
natürlich erinnere ich mich an dich! Habe deinen Kommentar erst jezt gesehen! Entschuldige. Schreib mir doch deine E-Mail-Adresse. Danke! Justin
Liebe Christine,
natürlich erinnere ich mich an dich! Habe deinen Kommentar erst jezt gesehen! Entschuldige. Schreib mir doch deine E-Mail-Adresse. Danke! Justin
Danke für diesen schönen Bericht. Man bekommt gleich Fernweh!