StartseiteMagazinKolumnenKirchlich heikle Gratwanderung

Kirchlich heikle Gratwanderung

Sollen sich die Landeskirchen ins politische Tagesgeschäft einmischen, in diesem Falle Wahlkampfhilfe für die umstrittene Konzernverantwortungsinitiative leisten? Selbst Befürworter mahnen vor dem Kanzelwort, das einseitig Partei ergreift und damit die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger indirekt bevormundet.

Im Januar 2019 gründeten CVP-Präsident Gerhard Pfister und die Freiburger FDP-Politikerin und Theologin Béatrice Acklin Zimmermann, die auch Studienleiterin der Zürcher Paulus Akademie ist, einen Thinktank «Kirche/Politik». Diesem gehören verschiedene Persönlichkeiten aus Kirche und Politik an. Die Gruppe wolle zum eigenständigen Denken anregen und über Problem- und Themenfelder im Bereich Kirchen-Politik reflektieren, hiess es in der Tagespresse.

Acklin kritisierte, dass Kirchenleute ihre Autorität in Politikfragen von einer höheren Macht ableiteten. Diese würden selbstgerecht von einem moralischen Hochsitz herab insinuieren, was richtig sei und was falsch. Zitat: „Sind diejenigen, die sich politisch anders positionieren als ihre geistigen Obrigkeiten, schlechtere Christen?“ Die Kirchenleute würden zudem die Dossiers oft schlecht kennen. Die Theologin verweist im Zeitungsbeitrag auch auf die Asylgesetzgebung. Die Kirchen plädierten für eine Willkommenskultur und versäumten dabei, auch die Folgen für das Gemeinwohl zu berücksichtigen.

CVP-Präsident Gerhard Pfister sprach davon, dass die Kirchen meist nicht gut beraten seien. Es gehe zudem nicht an, mit biblischen Normen Politik zu machen. Statt politischer Stellungnahmen sei ihr ethisches Wissen gefragt, also Ethik statt Moral.

Die Landeskirchen zwischen den Fronten, ein Diskurs mit Sprengstoff

Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist meinte zur Debatte über die politische Positionierung der Kirche: „Gewissen Herren und Frauen passen unsere Positionen nicht. Wenn ich sozialpolitisch argumentiere, höre ich vielfach, dass ich politisch sei. Wenn die Kirche aber bürgerlich argumentiert, wird das nicht als politisch wahrgenommen.“

„Weniger Parolen und mehr Abwägung“ fordert Res Peter, Pfarrer des Zürcher Neumünsters. „Es tut Politikern weh, wenn man konkret wird“, sagt er. Peter mischt sich regelmässig in politische Debatten ein, zum Beispiel bei der Selbstbestimmungsinitiative und der Unternehmenssteuerreform III. Es sei gut, wenn Ethiker differenziert abwägen und debattieren, sagt Peter. „Doch im Unterschied zu Ethikern ist es meine Aufgabe als Pfarrer, einen Schluss aus meinen Überlegungen zu ziehen und diesen mit der Gemeinde zu teilen.“

Laut Acklin kann es nicht angehen, „dass kirchliche Obrigkeiten die Gläubigen politisch zu gängeln versuchen.“ Dies zur Motivation, die schliesslich zur Gründung des Thinktank führte. „Die Zeiten – dem Himmel sei Dank! – sind definitiv vorbei, als der Klerus den Gläubigen vorschreiben konnte, wie diese politisch abzustimmen hätten.“

Wenn Edith Zingg, Gemeindeleiterin in Ostermundigen, ihren Kanzel-Appell für die Initiative aufgrund ihrer Erfahrungen in Indien damit begründet, dass dort „eine Schweizer Firma Landstriche verschmutzte und Menschen enteignet wurden“, dann darf ein sicher bedauerlicher Einzelfall nicht zum Nennwert genommen werden, die Schweizer Engagements in Entwicklungsländern unter Generalverdacht zu stellen. Die Materie ist heikel genug, und Pauschalisierungen schaden mehr, als sie nützen. Ob die radikalen Konsequenzen der Initiative dabei bedacht werden? Würde der moderatere Gegenvorschlag die schwarzen Schafe nicht effizienter in die Pflicht nehmen?

Béatrice Acklin folgert: „Der autoritäre, oft auch besserwisserische Habitus, mit dem sich so manche Kirchenvertreter in die öffentliche, politische Debatte einmischen, passt schlecht zu einem demokratischen Diskurs, der sich einer gemeinsamen offenen Suche nach besten Lösungen verschreibt. Wenn sich die Kirche zur Tagespolitik äussert, muss sie sich bewusst sein, dass sie in der demokratischen Öffentlichkeit nur eine Stimme unter vielen ist.“

Der kontroverse Diskurs läuft schon lange auf Hochtouren, eine differenzierte Beurteilung ist vonnöten, welche die gesamte Palette an Argumenten pro und contra abwägt und zwischen Emotionen und Fakten zu unterscheiden weiss.

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2 Kommentare

  1. Ich teile die Bedenken von Joseph Auchter. Die Kirchen sollten sich mit Stellungsnahmen zum politischen Tagesgeschäft zurückhalten. Das Abstimmungsverhalten für oder gegen die Konzernverantwortungsinitiative ist kein Kriterium für die Qualität einer christlichen Lebensführung. Zwar berufen sich kirchliche Befürworter der Initiative auf verschiedene Textstellen im Alten und im Neuen Testament. Die Gegner verweisen aber auf Mt 22,15-22. Wir müssen mit gewissen Widersprüchen in der Bibel leben. Wichtig ist, Verstand und Vernunft nie auszuschalten und das gesunde Augenmass zu wahren.

  2. Was ist den Christenpflicht ? Am Sonntag in die Kirche zu gehen, die Predigt zu hören, den Obolus zu entrichten und dann nach Hause ins warme Heim zu einem feinen Mittagessen ? Das Christentum
    wäre im Sinne von Jesus primär da für die Nächstenliebe, welche aber vor allem auch als Hilfe für den Schwächeren gedacht ist. Es wäre Pflicht gerade der Schweizer Kirchen seinen Gläubigen aufzuzeigen, wie privilegiert wird in unserem Land sind, und dass es nicht angeht, dass ein kleiner Teil unserer Konzerne und Firmen zulasten der Armen in den Entwicklungsländern Profit zu erzielen und in unser Land zu repatriieren. Viele Firmen tun dies von der Schweiz aus, weil sie hier fast keine Steuern bezahlen und daher die (vorwiegend ausländischen) Spitzenkräfte so ihren persönlichen Profit optimieren können.
    Es ist eine Schande und die Schweizer Kirchen müssen sich einmischen und Stellung beziehen, nicht zur bei der Konzernverantwortungsinitiative, wo ein ‹Ja› ein absolutes Muss ist.

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