StartseiteMagazinLebensartSchwerarbeit in luftiger Höhe

Schwerarbeit in luftiger Höhe

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Coronakrise hin oder her: Es wird gebaut. Kräne schwenken ihre Arme über den Baustellen. Und wer ist die kleine Figur da oben in der Kabine von Kran Nummer vier? Arben Demko erzählt:

«Morgens um sieben Uhr geht’s los. Dann steige ich die 32 Meter in meinem Kran hoch und setze mich in die Kabine. Zur Znüni-Pause um neun steige ich hinunter, dann wieder rauf. Während der Mittagspause geht’s noch einmal runter und rauf bis zum Arbeitsschluss Viertel vor fünf. Klar, dass ich das schaffe, ich bin 43 Jahre alt!

Kran Nummer vier «gehört» Arben Demko, der täglich mehrmals hochklettert.

Meine Arbeit? Es braucht vor allem volle Konzentration und sehr gute Augen. Man darf an nichts anderes denken und schon gar nicht mit dem Handy telefonieren, denn unten stehen meine Kollegen, die haben Frau und Kinder und dürfen nicht verletzt werden. Dazu kommt ein grosser Zeitdruck. Um zum Beispiel einen Lastwagen mit neun Kubik Beton zu entladen und an sieben verschiedenen Stellen auf der Baustelle zu verteilen habe ich genau 20 Minuten Zeit. Wenn ich das nicht schaffe, muss mein Arbeitgeber Wartezeit bezahlen. In diesen 20 Minuten fülle und kippe ich den Betonkübel sieben Mal. Der Kanal, aus dem der Beton fliesst, hat einen Durchmesser von nur etwa 55 Zentimeter. Wenn du mit dem Betonkübel dort heranfährst, musst du sehr präzise sein. Das kann nicht jeder.

Viele bekämen aber schon vorher Panik, beim Aufstieg auf den Kran, wenn die Menschen dort unten immer kleiner werden, oder wenn der Kran mir dir in der Kabine nach vorn und hinten schwankt. Doch er muss sich bewegen können. Bei starken Windstössen muss man den Kran sogar freigeben und mit dem Wind gehen lassen, sonst geht der Drehkranz kaputt.

Stundenlang hochkonzentriert aufpassen, was am Boden geschieht und wer wie bedient werden muss – das ist die Büez eines Kranführers

Sie fragen, wie ich zu diesem Beruf gekommen bin? Ich bin 1995 als Bauarbeiter aus Nord-Mazedonien in die Schweiz gekommen. Auf einer Baustelle zu jener Zeit habe ich den Kranführer sehr bewundert. ‘Kommst du mal mit rauf?’, fragte mich der Kranführer eines Tages. Nichts lieber als das! Der Polier war einverstanden, also bin ich mit aufgestiegen. Da oben hat es mir so richtig gefallen. Daraufhin habe ich den Chef gefragt, ob ich Chancen hätte, Kranführer zu werden. Und bingo. Der Chef hat mir sogar den Kurs bezahlt. Zwei Jahre hat die Ausbildung gedauert. Insgesamt 460 Stunden muss man unter Aufsicht eines ausgebildeten Kranführers dort oben arbeiten. Nach anderthalb Jahren konnte ich die Prüfung machen. Seit 1999 bin ich nun Kranführer, und ich habe es nie bereut.

Gut bezahlt? Ja, schon. Etwas weniger als früher allerdings. Es stossen immer mehr Kollegen aus Deutschland dazu. Auf meiner jetzigen Baustelle arbeiten an den vier Kränen zwei Deutsche, ein Schweizer und ich, ein Mann aus Nord-Mazedonien.

Nein, ins Fitness-Studio muss ich nicht. Das tägliche Auf- und Abwärts mit meinen 120 Kilo ist ein rechtes Krafttraining. Zum Ausgleich brauche ich vor allem Bewegung. Neun Stunden Hocken, das belastet den Rücken. Denn man sitzt immer vornüber geneigt und blickt wie ein Sperber nach unten, damit man nichts übersieht. Dabei arbeite ich vollkommen selbständig. Nur wenn ich mal etwas nicht sehen kann, weil es verdeckt ist, dirigiert mich der Vorarbeiter über Funk. Frieren muss ich nicht. Die Kabine ist heizbar. Im Sommer allerdings kann es brutal heiss werden, denn es gibt keine Klimaanlage. Dann muss man sehr viel trinken.

Grossbaustelle mit vier Kränen in Winterthur

Inwieweit Corona für uns auf der Baustelle eine Rolle spielt? Ich weiss von niemandem, der erkrankt ist. An Sitzungen trägt man eine Maske, und auf dem WC stehen Desinfektionsmittel. Ich esse auf dem Kran und versuche mich in den Pausen möglichst im Freien zu bewegen. Nach der Arbeit brauche ich mindestens eine Stunde Zeit, um zu laufen und den Kopf zu lüften. Denn die Konzentration den ganzen Tag über ist sehr anstrengend.

Trotzdem: Mein Leben gefällt mir. Es ist schön in der Schweiz, ein gutes Land, auch für unsere drei Kinder. Mit Frau und Kindern hab ich diesen Sommer in der Schweiz Ferien gemacht. Wir waren im Bündnerland und haben einen Ausflug aufs Parpaner Rothorn machen können. 27 Jahre lebe ich nun schon hier. Vor mir war schon mein Grossvater in der Schweiz, meine Eltern und mein Bruder leben seit 1995 hier. Wir fühlen uns hier daheim, auch wenn bisher nur meine Kinder einen Schweizer Pass haben. Das Einzige, das mich wirklich belastet, sind die hohen Krankenkassenprämien. Ich zahle 1400 Franken für mich und meine Familie. Hier sollte der Staat mehr eingreifen.

Wie ich die Zukunft sehe? Leider nicht so rosig. Ich fürchte, dass es mit der Pandemie noch schlimmer kommen könnte. Man muss die Situation ernst nehmen!»

Aufgezeichnet von Christine Kaiser
Fotos: © Christine Kaiser
Titelbild:
Arben Demko, Kranführer

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2 Kommentare

  1. Danke für diesen interessanten Bericht – wann haben wir schon Gelegenheit, uns mit einem Kranführer zu unterhalten!
    Kräne sieht man heute allenthalben. In meinem Wohnquartier sehe ich, wenn ich auf der Strasse stehe, fünf Kranarme. Dabei wohne ich in einer ruhigen Gegend mit Ein- und Mehrfamilienhäusern. Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als ich Kind war, dass in meinem damaligen Wohnort nur äusserst selten ein Gerüst stand, und dann nur, um dringende Reparaturen zu machen.
    Einen Kran sah ich nie, man zog damals die Lasten mit einem Flaschenzug nach oben. Der faszinierte mich sehr. Nach welchen Gesetzen er funktioniert, lernte ich erst ein paar Jahre später im Physikunterricht.

  2. Danke Maja für deinen Kommentar. Es war aussergewöhnlich, einem solchen Menschen gegenüberzusitzen. Ich habe sein Selbstbewusstsein bewundert und die Zufriedenheit mit einem eigentlich sehr anstrengenden Leben.

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