Texte recyceln

Es kann ja sein, dass eine Autorin einmal vor dem Computer sitzt, und es will sich keine Idee für eine neue Kolumne einstellen. Wie wäre es mit dem «recyceln», habe ich mir gedacht. Zeit meines Lebens habe ich so viele Texte geschrieben. Einer wird sich doch für eine Auffrischung eignen.

Zuerst erinnerte ich mich aber an eine Begebenheit, die mich heute noch belustigt. Schon vor meiner politischen Tätigkeit im Luzerner Kantonsrat, ab 1971, galt ich in vielen Augen als «links». Das verstand ich nicht und fragte einen Bekannten von der Landschaft, einen in der Wolle gefärbten Liberalen, heute FDP, warum ich dieses Etikett hätte. «Das ist doch klar», sagte er. «Du schreibst eine Kolumne in den Luzerner Neueste Nachrichten. Und wer in den LNN schreibt, ist links». So einfach war man also zuzuordnen. Zumindest in jenen Jahren, bis ich mich dann 1971 als der CVP zugehörig deklarierte.

Und wieder überflutet mich Nostalgie. Die CVP war damals eine «neue» Partei. Kurz zuvor hatten sich im Kanton Luzern die Christlich-Sozialen und die Katholisch-Konservativen zusammengetan. Und heute stehe ich wieder vor einer ähnlich dramatischen Situation. Das «C» in unserem Parteinamen soll verschwinden. Wir streben nach vorne, wir streben nach oben, wir streben zur ultimativen Mitte! Wie sagte doch der Freiherr von Attinghausen im Drama Wilhelm Tell: «Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen». Und ein hoffnungsvoller Satz von Werner Bergengruen (1892-1964) drängt sich auf: «Immerdar erweist das Ende sich als strahlender Beginn».

Ich kann meine Partei für die Zukunft auch noch geographisch verorten: Wir ist der «parteipolitische Älggistein» der Schweiz! Mit dieser Idee hatte ich am Mittwochmorgenstamm jedoch keinen besonderen Erfolg. «Was meinst Du damit?» fragten meine Kolleginnen. Zum Glück ist auch ein ehemaliger Lehrer mit von der Partie. Er konnte uns erklären, was mit dem Älggistein auf der Älggialp seinerzeit gemeint war: Hier liegt der geographische Mittelpunkt der Schweiz. Er wurde 1988 zum 150-jährigen Bestehen der Schweizerischen Landestopographie mit modernsten Messmethoden ermittelt. Wer sich der Mitte verschreibt, darf als Symbol auch auf den Älggistein zurückgreifen, denke ich.

Aber zurück zu meinem Recyclingprojekt. Es interessierte mich, ob und wann ich je einmal etwas zur digitalen Welt geschrieben hatte. Und siehe da, ein Text, erschienen 1984, war überschrieben mit dem Titel: «Kein Roboter». Er handelte von Balthasar, der einen so regelmässigen Lebens- und Arbeitsablauf hatte, dass er Angst bekam, er verwandle sich langsam in einen Roboter, der statt zu leben nur noch funktioniere.

Er unternahm einiges, um sich der Routine zu entziehen. Und krönte seine Bemühungen mit dem Kauf eines Blumenstrausses für sich selbst. Da heisst es dann: «Mit diesem spaziert er dann recht auffällig durch die Stadt. Wer immer ihn darauf anspricht, vernimmt, wie gut seine Laune heute sei. Er habe sie mit einem Blumenstrauss für sich selbst gekrönt. Damit bringt er alle aus der Fassung, und darüber freut er sich. Denn, bitte schön, wann kauft ein Mann für sich selbst einen Blumenstrauss?» Ich glaube, diese Frage könnte auch heute noch mit «nie» oder «eher selten» beantwortet werden.

1987 schrieb ich nochmals etwas Einschlägiges unter der Überschrift «Im Speisewagen». Da hatte ich einem Gespräch zugehört, das vier Herren am Nebentisch laut und ohne Hemmungen geführt hatten. Einer präsentierte einen Chip mit einem sehr grossen Speichervermögen. Er erzählte dann auch noch von seinem kleinen Sohn, der erst einige Wochen alt sei. Also «Pascal» haben wir ihn natürlich nicht getauft», meinte er unter dem zustimmenden Schmunzeln seiner Gesprächspartner.

Als ich das nach dem Ankommen meiner Freundin erzählte, nickte sie zustimmend. «Wieso verstehst Du das sofort?», fragte ich. «Meine Tochter arbeitet in der EDV und «Pascal» ist eine Programmiersprache», war die Antwort. «Aber das weiss doch heute wirklich jedes Kind», fügte sie vorwurfsvoll an. Das war 1987.

Auf meinem Schreibtisch liegt gegenwärtig ein Buch, erschienen im Sommer 2020, mit dem Titel: «Wenn die Dinge mit uns reden» von Christoph Drösser. Da hatte ich doch vor einiger Zeit einem Kollegen erzählt, dass ich manchmal in der Küche Gespräche führe, wenn ich etwas zubereite. Wenn ich ungeduldig bin, rede ich etwa dem Wasserkessel zu, er möge sich mit dem Erhitzen des Wassers beeilen. «Das ist nicht beunruhigend», meinte der Kollege damals. «Beunruhigend wird es erst, wenn die Dinge Dir Antwort geben.»

Tja, es scheint, dass wir bereits soweit sind: die Dinge reden mit uns! Das erwähnte Buch von Christoph Drösser handelt von «Sprachassistenten, dichtenden Computern und Social Bots». Werde es selbstverständlich mit Interesse lesen. Ausser, es beginnt sich selber vorzulesen, sobald ich es öffne!

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1 Kommentar

  1. Liebe Frau Stamm
    Hoffentlich dürfen wir weiterhin von Ihre Kolumne lesen. Mir gefallen sie, herzlichen Dank!
    Erst kürzlich habe ich in Ihrem 1987 veröffentlichten Büchlein «Hörst du mir zu?» den Beitrag «Im Speisewagen» gelesen und ich habe mich daran erfreut. Die von Ihnen veröffentlichten Texte, die Sie als Morgenbetrachtung «Zum neuen Tag» bei Radio DRS gehalten haben, sind immer noch lesenswert. Ich werde es nicht receylen, denn darin sind Botschaften, die auch heute noch ankommen! Ich wünsche Ihnen weiterhin gute Gesundheit und viel Energie.

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