StartseiteMagazinKulturHaus für die Kunst – Haus für alle

Haus für die Kunst – Haus für alle

Schlüsselübergabe für den David Chipperfield-Erweiterungsbau des Kunsthauses: Von Walter B. Kielholz, Präsident der EGKE, der Einfachen Gesellschaft Kunsthaus-Erweiterung, an Walter B. Kielholz, Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft, mit Go Between Richard Hunziker, Präsident der Stiftung Zürcher Kunsthaus.

Die dem Anlass in keiner Weise entsprechende sehr bescheidene Feier für das prägende Bauwerk war – wie in diesen Zeiten normal – ein Videostream mit kurzen Reden der Protagonisten, dazu aber reichlich Fotomaterial aus dem vergangenen Dutzend Jahren, welche die Planungs- und Bauzeit dauerte, von den alten Turnhallen über den gigantischen Aushub, über viele Fotos von Bauarbeitern bis zur fertigen neuen Bar oder zu den Treppen und Sälen im Innern des Kubus mit der filigranen Hülle, die dem Moserbau des Kunsthauses Stein um Stein gut korrespondiert.

Nacht am Heimplatz mit einem Augen-Blick in grün von den «Tastenden Lichtern» auf den Chipperfield-Bau. Foto: Juliet Haller

Begrüsst wurden die wenigen vor Ort und jene zuhause am Bildschirm von Stadtpräsidentin Corine Mauch, ebenfalls Vertreterin der Bauherrschaft. Sie freut sich über diese «Chance für Zürich» und richtete ihren Dank als erstes an die Stadtbevölkerung, welche seinerzeit mit einem Ja an der Urne den Bau erst ermöglicht hatte. 206 Millionen Franken hat man verbaut, und erst noch den Kreditrahmen eingehalten. Besonders stolz darauf ist Walter Kielholz, der im Vergleich mit anderen Projekten, die er begleitet habe, hier jedoch eine «Engelsgeduld» gebraucht habe: «Es ist ein Bijou geworden. Und in der Schweiz wichtig, es ist voll im Budget.»

Eine Architekturskizze der ganzen Anlage mit Moserbau und Bührlesaal links, dem Verbindungsweg, dem Neubau und dem Garten der Kunst (ganz rechts)

Mit dem Chipperfield-Neubau hat die grösste Stadt der Schweiz nun also das grösste Kunstmuseum des Landes. Die Präsentationsfläche für Kunst wächst um 5 000 Quadratmeter auf mehr als das Doppelte, nämlich 11 500 Quadratmeter. Darauf will man stolz sein, aber das Volk muss vorerst draussen bleiben, denn alle Besuchstage sind abgesagt. Hoffen darf man auf den Frühling, dann sollte es möglich sein, das Gebäude von Innen zu sehen, wenn auch wohl kaum mit dem rauschenden zweitägigen Fest, von dem man noch vor einem Jahr träumte.

Die Passage unterm Heimplatz. Foto: Juliet Haller

Bis die Kunst eingeräumt und gehängt ist, auf das Haus samt Kunst gilt es bis Oktober 2021 zu warten. Der Neubau wird der Französischen Malerei, der Klassischen Moderne und der Gegenwartskunst geeignete Räume bieten. Auch für Fotografie, Video- und Performance-Kunst sowie Wechselausstellungen ist Platz, und schliesslich werden die Sammlung Merzbacher mit Klassischer Moderne, die Sammlung Looser mit amerikanischer Malerei und als Schwergewicht die Sammlung Emil Bührle mit hochkarätigen Impressionisten ausgestellt.

Messing und heller Marmor innen, Messing und Kalkstein aussen – das sind die zentralen Materialien des Chipperfield-Baus. Foto: Juliet Haller

In dem Raumprogramm, das vor bald zwanzig Jahren Kunsthausdirektor Christoph Becker skizzierte, der für den Bau kam, die Aufgabe löste und nun wieder gehen wird, gibt es ausser dem Foyer und den Ausstellungsräumen, dem Museumsshop, einer Bar, die von der Strasse her auch ausserhalb der Museumszeiten zugänglich ist, denVerbindungstunnel (bitte: Passage sagen) unter dem Heimplatz zwischen den beiden Häusern und ausserdem Ateliers für die Kunstvermittlung sowie den erwähnten Festsaal.

Ein grosszügiger Saal mit schimmernden Wänden für Feste und andere Veranstaltungen. Foto: Juliet Haller

Der Neubau ist elegant – das wird nun, nachdem die Gerüste und Abschrankungen verschwunden sind, sichtbar, ein Gewinn für den seit Jahrzehnten unwirtlichen Heimplatz. Immerhin setzt Pippilotti Rists Tastende Lichter, eine Art Ufo auf hoher Stange einen witzigen Akzent zwischen die Tram- und Autospuren, oder gar ein verspieltes Gegengewicht gegen die strengen und schönen Kunsthaus-Bauten. Ausserdem ist der Neubau ein Haus für die 2000-Watt-Gesellschaft, was den Energieverbrauch betrifft, und ohnehin vorn, wenn es um die Museums- und Sicherheitstechnik geht.

Die Bar wird irgendwann in hoffentlich naher Zukunft öffnen und lange über die Zeiten des Ausstellungsbetriebs geöffnet sein. Foto: Juliet Haller

Und vor allem ist er ein Haus für alle: Ohne Eintrittskarte für die Ausstellungen dürfen Passantinnen, Touristen, Studenten, Zürcherinnen und Zürcher den Eingangsbereich besuchen, sich in der Bar einen Kaffee oder ein Gläschen bestellen, an einer Veranstaltung im Festsaal teilnehmen, der die Messing-Elemente des Innenausbaus als elegant schimmernde Wandverkleidung aufnimmt. Damit wird das Versprechen eingelöst, auf das auch David Chipperfield Wert legt, nämlich ein Museum als Treffpunkt für alle zu bauen, ähnlich vielleicht wie die grosse Turbinenhalle in der Londoner Tate Modern. Ein öffentlicher Garten der Kunst verbindet den Heimplatz mit dem Hochschulviertel.

Aus dem Neuen auf das Bisherige schauen: es ist ein Ensemble. Foto: Juliet Haller

Wenn die Sammlung E.G. Bührle einziehen wird, können Kunsthaus und Stadt mit einer der wichtigsten Impressionisten-Sammlungen weltweit renommieren – und Besucher anziehen. Waren es vor den harten Zeiten der Pandemie rund 300’000 jährlich, sollen es bei doppelt grossem Raumprogramm 400’000 sein, also nicht gleich doppelt so viele, es gilt ja auch an das nötige Personal zu denken. Viel natürliches Licht hat David Chipperfield den Innenräumen gegeben, das macht den Kubus von aussen leicht, von innen hell und grosszügig.

Treppenlandschaft im Chipperfield-Bau. Foto: Juliet Haller

Licht muss nun auch für die Öffentlichkeit, jeden Besucher, jede Besucherin des Hauses auf den Kontext fallen: Die Weltklasse-Sammlung von erstklassigen Kunstwerken der Impressionisten bis hin zur frühen Moderne gäbe es ohne den skrupellosen Waffenproduzenten Emil Bührle nicht, der sich sowohl beim Waffenverkauf wie beim Bilderkauf opportunistisch nach der besten Möglichkeit richtete, der den Nazi und den Alliierten, später den USA für den Koreakrieg Waffen verkaufte, der ohne Skrupel während des Kriegs Flucht- und Raubkunst erwarb, nach dem Krieg problemlos mit geflüchteten jüdischen Kunsthändlern in New York seine Deals abwickelte. Eigentlich gäbe es das Kunsthaus nicht, denn der reichste Mann der Schweiz damals war – immer mit dem Ziel, zur Elite der Stadt zu gehören – auch der grosszügigste Kunstmäzen.

Dieses Thema war bei der fröhlichen Schlüsselübergabe ausgeklammert worden, die Veröffentlichung des Forschungsberichts von der Universität liegt schliesslich noch nicht lange zurück, und die IG Transparenz Bührle-Kunsthaus ist noch am Unterschriftensammeln. Aber spätestens bis in einem Jahr muss der Kontext zur Sammlung Bührle sichtbar und allgemeinverständlich so aufgearbeitet und gezeigt werden, dass auch dieses Stück Zürcher- und Schweizer Geschichte ins allgemeine Bewusstsein rückt.

Beitragsbild: Die goldene Pforte aus Messing zur Eingangshalle. Foto: Juliet Haller (Alle Fotos: Juliet Haller, Amt für Städtebau)
Seniorweb berichtete über den Forschungsbericht Leimgruber zu Emil Bührle, der Sammlung und dem Kunsthaus.

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