«Bettgeschichten» im Landesmuseum Zürich führt die Besucherinnen und Besucher auf einen Rundgang durch die Schlafzimmer der gehobenen Schweizer Gesellschaft. Vom 17. bis ins 20. Jahrhundert hat sich viel verändert.
Von allen Möbeln ist das Bett dem Menschen am nächsten. Heute empfinden wir das Bett als etwas Privates und schliessen meistens die Türe zum Schlafzimmer, wenn wir Gäste empfangen. Doch das war nicht immer so. Am Hof des französischen Königs Ludwig XIV. war das Schlafzimmer ein öffentlicher Ort. Das Zeremoniell vom Aufstehen bis zum Zubettgehen folgte im Beisein der Höflinge nach einem festgeschriebenen Drehbuch. Der König verstand sich als Personifikation der Sonne, als «Sonnenkönig», bei dessen Auf- und Niedergang ihm die Untertanen zu huldigen hatten.
Das reich geschnitzte Paradebett aus Nussbaum war die Schlafstätte des St. Galler Obervogtes Lorenz Werder im 17. Jahrhundert, aus Schloss Bürglen/TG, 1691.
Das Bett von Ludwig XIV. wurde neben dem Thron zum Inbegriff royaler Macht und viele europäische Fürsten hielten nach seinem Vorbild ebenso Hof in ihren punkvollen Schlafzimmern, auch in der Schweiz. Vermögende Bürger platzierten im 17. und 18. Jahrhundert das Himmelbett als wertvollstes Möbelstück repräsentativ im Wohnraum. Der Betthimmel und die Bettvorhänge schützten vor Schmutz und Kälte, aber auch vor neugierigen Blicken. Man schlief in einem schlichten Hemd mit einer wärmenden Haube auf dem Kopf in erhöhter Schräglage. Die Wände wurden mit Holztäfer, Wandbehängen oder besonders kostbaren vergoldeten Ledertapeten ausgekleidet. Die schwere Geldtruhe stand in der Nähe des Bettes und war mit einem massiven Schloss gesichert.
Der Banyan aus Seide mit Streifenmuster gehörte vermutlich Samuel von Tscharner (1716-1800), General in piemontesischen Diensten. Die Leinwandbespannung mit idyllischen Landschaften hatte 1755 der Zürcher Künstler Johann Balthasar Bullinger (1713-1793) gemalt.
Auch im 18. Jahrhundert blieb das Himmelbett Statussymbol, üppig ausgestattet im Geschmack der Zeit und mit kostbarer Bettwäsche. Zum Schlafen trug man meist knöchellange mit Stickereien oder mit Spitzen besetzte weite Hemden, die vom Bürgertum auch tagsüber getragen wurden sowie Nachthauben mit Ohrenklappen, die nicht nur wärmten, sondern auch vor Ungeziefer schützten. Der auf Repräsentation bedachte Hausherr empfing seine Besucher gerne im Banyan, einem Hausmantel aus Seide sowie einer bestickten Hausmütze aus Samt. Der vom orientalischen Kaftan inspirierte Banyan (indisch «Händler») zeigt die Vorliebe für das Exotische, zumal der Handel mit Textilien aus Indien seit dem 17. Jahrhundert blühte. Auch die Dame des Hauses trug mit einer reich bestickten Seidenhaube auf dem Kopf den Banyan als Hausmantel am Morgen, bevor sie die formelle Tageskleidung anzog oder am Abend vor der Nachtruhe.
Bäuerliches Schlafzimmer aus dem 18. Jahrhundert mit Wiege, Ehebett und einem Schrank mit der Inschrift Catharina Müller und Mathias Hörler 1782, bemalt mit Rocaillen und Szenen nach Wilhelm Tell.
Die Ausstellung zeigt auch bunt bemalte Bauernmöbel. Die Braut brachte das Doppelbett, den Wäscheschrank mit der Bettwäsche sowie die Wiege als Aussteuer mit in die Ehe. In der Art der lokalen Volkskunst wurden die Möbel reich dekoriert, oft mit frommen Sprüchen und Inschriften versehen. In die Wiege wurde der straff bandagierte Säugling gelegt und zusätzlich mit Bändern über dem Deckbett fixiert. Für die Bauern war es üblich, nachts das einfache Taghemd anzubehalten, der Mann trug eine Nachtmütze, die Frau eine Nachthaube.
Der Aufbau eines Bettes. Umzeichnung aus: Katharina Eder Matt, Katalog Ausstellung «Wie sie sich betten», Schweiz. Museum für Volkskunde, Basel, 1994.
Das Nachtlager bestand bis ins 20. Jahrhundert aus mehreren aufeinandergelegten Matratzen und Kissen. Auf dem Pfühl, einem querliegenden mit Stroh, Federn oder Rosshaar gefüllten Keilkissen, lagen mehrere Kopfkissen übereinander, so dass der Schlafende eine fast sitzende Position einnahm. Die horizontale Stellung beim Schlafen wurde möglichst vermieden, da man die Vorstellung hatte, dass nur Verstorbene ausgestreckt im Bett liegen würden. So staunt man über die kurzen Betten in skandinavischen Museen.
Wie in der Oberschicht waren die Schlafstätten auch in der Unterschicht öffentlich, allerdings aus anderen Gründen. Noch bis ins 18. Jahrhundert war es selbstverständlich, dass viele Menschen – Frauen und Männer, Erwachsene und Kinder, Angestellte und Gäste – gemeinsam nächtigten, weil neben dem Herd das Bett die einzige Wärmequelle im Haus war. Im 19. Jahrhundert führte die Industrialisierung in grossen Städten zu einem Mangel an Schlafplätzen. Arme Familien begannen deshalb ihre Betten zu teilen. Sie vermieteten ihren Schlafplatz tagsüber an sogenannte Schlafgänger, etwa an Schichtarbeiter und verdienten sich damit einen kleinen finanziellen Zustupf. Dies hatte zur Folge, dass sich Krankheiten und Ungeziefer rasch verbreiteten.
Schlafstube in Berlin, 1917. Die Arbeiter in den Städten wohnten dicht zusammengedrängt unter prekären sanitären Bedingungen, Krankheiten und Epidemien breiteten sich aus. Foto: rv.
Die Seuchen führten zu einem wachsenden Bewusstsein für Hygiene und man entwickelte neue Betten. Anstelle der Holzbetten mit vielen Textilien wurden nüchterne Eisenbetten propagiert, wie sie in Spitälern und Sanatorien verwendet wurden. Ein neuer Matratzentypus mit Sprungfedern, die Federkernmatratze, setzte sich durch und löste den Stroh- oder Laubsack ab. Im Zuge der Hygienebewegung veränderte sich die Schlafkultur massgeblich.
Designer Schlafzimmer, entworfen von der Hausherrin Gertrud Catinka Apotheker-Riggenbach (1900-1993) von 1929. Der Mann und die moderne Frau trugen nun als Nachtgewand einen Pyjama.
Das Schlafzimmer wurde im 20. Jahrhundert zum privatesten Raum der Wohnung, der auch gerne mit eleganten Möbeln eingerichtet wurde. Die Bettstatt veränderte sich, für ein Doppelbett konnte man zwei identische Einzelbetten zusammenschieben. Nach 1960 wurde das Bett auch multifunktional. Das Kopfteil liess sich hochstellen und anstelle der Nachttischchen konnte man auf beweglichen Teleskoptischen Bücher, das Frühstück oder auch den Fernseher platzieren. Das Bett diente nicht mehr nur zum Schlafen, sondern wurde auch zum Zentrum des privaten Tagesablaufs.
Mit einem «Bed-in» protestierte das Musikerpaar John Lennon und Yoko Ono 1969 gegen den Vietnamkrieg. Das Happening für Weltfrieden im Amsterdamer Hilton Hotel dauerte eine Woche. Im Schlafanzug beantworteten sie Fragen der Journalisten. Damit wurde das Bett wieder ein öffentlicher Ort. Foto: Eric Koch/Anefo.
Fotos: rv
Bis 4. April 2021
«Bettgeschichten» im Landesmuseum Zürich, Video-Führungen siehe hier