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Musikgenuss ohne Verdruss

Die kommenden Märzwochenenden bescheren uns vier Wiederbegegnungen mit Nikolaus Harnoncourt, welche die ganze Bandbreite des Musikpioniers offenbaren und in die stolzen Annalen des Zürcher Opernhauses eingegangen sind.

Wenn Ihnen in Zusammenhang mit Harnoncourt bei den Stichworten „Freischütz“, „Belle Hélène“, „Don Giovanni“ und „Genoveva“ das Augenwasser kommt, dann dürfen Sie dank kostbarer Archiv-Aufnahmen demnächst in Erinnerungen schwelgen oder ganz einfach ein paar massstäbliche Fixpunkte der Zürcher Operngeschichte miterleben. 

Viele Kulturträger haben in diesen unwägbaren Zeiten resigniert, zogen sich ins Schneckenhaus zurück oder erfreuen sich wenigstens der weiterhin fliessenden Subventionen. Nicht so das Opernhaus Zürich, das mit Verdis „Simon Boccanegra“ und dem Brahms-Requiem auf  ARTE mit über 400’000 resp. 600’000 Zuschauenden – das wäre gleichbedeutend mit 400 resp. 600 ausverkauften Vorstellungen –  hohen Zuspruch fand. 

Im Gegensatz zu ARTE und ORF3, welche Opernproduktionen häufig in ihre Programme aufnehmen, ist es befremdlich, wie selten SRF dazu Hand bietet. Man lässt lieber die Formel 1-Dreckschleudern sich stundenlang sinnlos im Kreis drehen statt hin und wieder dem Kulturgut Platz zu machen. Die Hörigkeit gegenüber dem Sport müsste angesichts der Spardiktate endlich wieder einmal thematisiert werden. Auch die der Lächerlichkeit ausgesetzten einheimischen“Tatort“- Beiträge verursachen nur noch Kopfschütteln. So können die Aufführungen leider nur gestreamt werden, aber das immerhin jeweils während 65 Stunden. 

Harnoncourt-Souvenirs aus dem Opernarchiv

Freitag, 5. März, 18 Uhr – Montag, 8. März, 11 Uhr:
«DER FREISCHÜTZ» von Carl Maria von Weber
Regie: Ruth Berghaus
Dirigent: Nikolaus Harnoncourt
Mit Inga Nielsen, Malin Hartelius, Peter Seiffert, Matti Salminen, Werner Göschel, Philharmonia Zürich, Chor der Oper Zürich. Aufgezeichnet im Opernhaus Zürich 1999.

«Der Freischütz»: epochale Berghaus-Inszenierung / Fotos © Opernhaus Zürich

Nikolaus Harnoncourt hinterliess in Zürich unauslöschliche Spuren bez. akribischem Quellenstudium, singulärer Interpretation und dem Aufspüren von Raritäten. Mit der Inszenierung von Carl Maria von Webers «Freischütz» steht die Begegnung zweier Persönlichkeiten auf dem Programm, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Die streitbare, aber künstlerisch unangefochtene Grande Dame des «Regietheaters» Ruth Berghaus und der Pionier der Originalklang-Bewegung Nikolaus Harnoncourt schufen gemeinsam eine Interpretation dieser ersten deutschen Nationaloper, die ohne jegliches Kolorit auskommt und trotzdem die schwarze Romantik umarmt. Intendant Andreas Homoki dazu: „Als sich Nikolaus Harnoncourt an die schwarze Romantik des «Freischütz» wagte und Ruth Berghaus ihn ganz unnaturalistisch und zeichenhaft kühl inszenierte, war das ein Musiktheaterereignis, das weit über Zürich hinaus für Gesprächsstoff sorgte.»

Der Würdigung ist weiter zu entnehmern: «In ihrer «Freischütz»-Inszenierung erteilt Ruth Berghaus jeglichem Naturalismus eine radikale Absage. Bildsprache, Signale, Gestik und visuelle Brüche waren ihr wichtiger als ein blosses Nacherzählen der Handlung. Den «Freischütz» siedelt sie fernab von jenem dörflich-ländlichen Kolorit an, das man Webers Oper üblicherweise angedeihen lässt. Monumentale Flächen prägen das Bühnenbild von Hartmut Meyer und erscheinen in einer verflachten und verzerrten Perspektive. Blöcke farbigen Lichts fügen sich zu geometrischen Mustern und lassen Bilder entstehen, die an die Malerei des russischen Konstruktivismus erinnern.»

Freitag, 12. März, 18 Uhr – Montag, 15. März, 11 Uhr:
«LA BELLE HÉLÈNE» von Jacques Offenbach
Regie: Helmut Lohner
Dirigent: Nikolaus Harnoncourt
Mit Vesselina Kasarova, Carlos Chausson, Deon van der Walt, Philharmonia Zürich, Chor der Oper Zürich. Aufgezeichnet im Opernhaus Zürich 1997

Vesselina Kasarova und Deon van der Walt in Offenbachs «La Belle Hélène»

„Jacques Offenbachs Opéra bouffe ist mehr als leichtgewichtige Unterhaltung. Denn dieses charmante Intrigenfeuerwerk parodiert mit frivoler Leichtigkeit nicht nur antike Göttinnen und Götter, sondern überzeichnet auch brillant die dekadente französische Gesellschaft unter Napoleon III. Und auch die grosse Oper zur Zeit Offenbachs wird kräftig auf die Schippe genommen.“

In dieser Aufführung aus dem Jahr 1997 perlt die Belle Hélène ganz besonders moussierend: Nikolaus Harnoncourt, damals bereits gefeiert für seine historisch informierten Interpretationen der Musik des Barock und der Klassik, dirigierte das Zürcher Opernorchester in luzider Streicherbesetzung, farbenreich ausgeleuchtetem Blech und reichhaltigem Schlagwerk. Vesselina Kasarova in der Titelrolle wartet mit strahlender Erscheinung, erotischem Timbre und sinnlicher Ausstrahlung auf, und Chor und Orchester sind in Höchstform. Helmut Lohners Spass an der komödiantischen Parodie trifft den Nagel auf den Kopf.  

Freitag, 19. März, 18 Uhr – Montag, 22. März, 11 Uhr:
«DON GIOVANNI» von Wolfgang Amadeus Mozart
Regie: Jürgen Flimm
Dirigent: Nikolaus Harnoncourt
Mit Cecilia Bartoli, Liliana Nikiteanu, Rodney Gilfrey, Philharmonia Zürich, Chor der Oper Zürich. Aufgezeichnet im Opernhaus Zürich 2001

«Don Giovanni»: Rodney Gilfrey in der Titelrolle 

Nach seinem ersten Don Giovanni, 1987 zusammen mit dem Regisseur Jean-Pierre Ponnelle erarbeitet, ging der akribische Mozart-Forscher zwölf Jahre später zum zweiten Mal in Zürich ans Werk, was insbesondere für das Orchester eine seltene Intensität der Auseinandersetzung ermöglichte.

Zitat Opernhaus: „Im Rahmen dieses zweiten Mozart/Da Ponte-Zyklus stand dem Dirigenten ein erstklassiges und perfekt aufeinander abgestimmtes Mozart-Ensemble zur Verfügung. In der Rolle der zwar stark auftretenden, aber innerlich höchst fragilen Donna Elvira gab Cecilia Bartoli damals ein fulminantes, emotionsgeladenes Rollendebüt. Besonders hervorzuheben in der Besetzung dieser Produktion ist auch der Bass László Polgár, der dem Opernhaus über viele Jahre eng verbunden war: Als Leporello ist er in einer seiner Paraderollen zu hören. Die Titelpartie singt der Amerikaner Rodney Gilfry, einer der grossen Don Giovanni-Darsteller seiner Generation, der den liebeshungrigen Verführer nicht nur stimmlich, sondern auch darstellerisch ideal verkörpert.“

 Freitag, 26. März, 18 Uhr – Montag, 29. März, 11 Uhr:
«GENOVEVA» von Robert Schumann
Regie: Martin Kušej
Dirigent: Nikolaus Harnoncourt
Mit Juliane Banse, Martin Gantner, Shawn Mathey, Cornelia Kallisch, Philharmonia Zürich, Chor der Oper Zürich. Aufgezeichnet im Opernhaus Zürich 2007

Die Rarität: Schumanns «Genoveva» mit Juliane Banse und Shawn Mathey in den Hauptrollen / Fotos © Opernhaus Zürich

Robert Schumann als Opernkomponist? Die Dramaturgie von damals weiss es: „Nikolaus Harnoncourt hat sich für die Wiederentdeckung dieser kaum je auf der Bühne zu sehenden Oper eingesetzt und sie als ein modernes Seelendrama bezeichnet, als geniales Kunstwerk, «für das man auf die Barrikaden gehen muss». Seine musikalische Interpretation legt die Modernität des Stücks frei und setzt auf zugespitzte Kontraste mit schneidenden Akzenten, aber auch grossen lyrischen Bögen.

Für die szenische Umsetzung zeichnete Martin Kušej verantwortlich. Er befreite die Geschichte von Ritterromantik und Schauerlegende und zoomte ganz nah an die Figuren heran. Im Mittelpunkt der Inszenierung steht Golo, der von Genoveva abgewiesen wird und aus verletztem Stolz bittere Rache an ihr schwört; er wird zum Psychogramm des labilen Komponisten Schumann, der sich nur vier Jahre nach der Uraufführung seiner «Genoveva» in den Rhein stürzte. Shawn Mathey verkörpert diesen Golo mit hoher Intensität, und Juliane Banse ist mit ihrer szenischen und musikalischen Agilität eine Idealbesetzung der Genoveva.“

Die Archiv-Souvenirs von April und Mai werden in einem späteren Beitrag vorgestellt.

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1 Kommentar

  1. Ich möchte sehr Ihren Kommentar bezüglich der Geringschätzung von Opern- und Konzertübertragungen durch SRF unterstützen. Hier zeigt die Schweiz ein kulturarmes und provinzielles Gesicht. – Anderseits muss ich bemerken, dass die heute üblichen modernisierten und meist kalhlen Inszenierungen vielleicht die Inszenierenden, wohl aber kaum ein breites Publikum ansprechen. Opern sind ein kulturelles Zeitdokument und sollen nicht ums Verrecken «in die heutige Zeit herübergebracht» werden. Dazu haben wir moderne Theaterstücke und das Kino. Schauen Sie mal die Inszenierungen an der New Yorker Met an, dort gibt es täglich einen Gratis-Stream. Pavarotti sang dort die Bohème nicht in einer Waschküche.

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