Die Zeit

Drei Autoren, Harald Lesch, Karlheinz A. Geissler und Jonas Geissler, beschreiben im Buch «Alles eine Frage der Zeit», wie die Menschen zwar die Uhr erfunden haben, aber immer noch nicht genau wissen, was «die Zeit» ist. Wieso fehlt uns häufig die Zeit, obwohl ständig neue nachkommt?

Es geht in diesem Buch um nachhaltige und zukunftsfähige Formen des Lebens auf dem Planeten Erde. Das Originelle daran ist, dass der Diskussion, den Weckrufen gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, ein neues Element hinzugefügt wird, das Element der Zeit. Dass auch die Zeit eine wichtige Rolle spielt, wird, wie die Autoren meinen, häufig übersehen. «Unsere Nonstop-Gesellschaft forciert die ökologische Krise. Was die Natur in Jahrtausenden erzeugt hat, wird in kürzester Zeit «verwertet», ja regelrecht verbrannt» heisst es auf dem Buch-Cover.

Die «Geschichte» der Zeit

Das Buch nähert sich dem Phänomen «Zeit» aus den verschiedensten Blickrichtungen. Besonders angesprochen haben mich die Ausführungen im vierten Kapitel über die «Uhrzeitfolgen». Hier wird geschildert, wie das Verhältnis der Menschen zur Zeit im Laufe der Jahrhunderte ganz unterschiedlich war.

Es werden «die Zeiten der inneren und der äusseren Natur zum einen, die Zeiten der mechanischen Uhr» zum anderen einander gegenübergestellt. «Gefüllte Zeiten brauchen Uhren, erfüllte Zeiten die Distanz zu ihnen», heisst es da. Und dann folgt noch ein Zitat von Picasso. Kleine Abstecher in die Literatur entspannen immer wieder inmitten der intensiven Lektüre. Picasso meinte: «Wenn man eine Frau liebt, misst man nicht Länge und Umfang ihrer Beine».

Man stelle sich einmal vor, es gab eine Zeit ohne mechanische Uhren! Es gab eine Zeit ohne Kirchturmuhren. Ein wenig erinnert mich das an meine Primarschulzeit. Wer von uns hatte schon eine Armbanduhr? Auf dem Heimweg von der Schule verloren wir uns oft in unseren Spielen. Vergassen, dass wir zuhause erwartet wurden. Aber bald öffnete sich jeweils irgendwo ein Fenster und eine Mutterstimme rief: «So, wänn chömed er äntli hei? S`ìsch öppe Ziit!». Und die Kindergruppe stob auseinander.

Das Buch setzt sich eingehend mit dem gängigen Motto «Zeit ist Geld» auseinander. Und zeigt auf, wie trügerisch und kurzsichtig dieses Motto ist. Wie sich die Menschen zugunsten der Umwelt für mehr Zeit und weniger Geld entscheiden sollten. Wie auch der Begriff «genug» wieder zu seinem Recht kommen sollte.

Durch das ganze Buch hindurch zieht sich die Erkenntnis, dass wir auch heute noch nicht genau wissen, was «die Zeit» ist. Dieses Schicksal teilen die gelehrten Physiker mit den «gewöhnlichen» Menschen. Es gibt eine Zeitkultur, einen Zeitwohlstand, eine Zeitvielfalt. Wir lernen Arbeitssysteme kennen, welche die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen und den Anforderungen der «Zeit ist Geld»-Logik einander gegenüberstellen.

Wir lernen ausserordentlich viel in diesem Buch über die Zeit. Wieviel wir am Ende verstehen, ist eine andere Frage. Aber da halten wir uns an den Ratschlag, den uns die Autoren schon am Anfang des Buches mitgeben: «sich vorerst mit dem Halbwissen, das man über Zeit angesammelt hat, zufrieden zu geben und im Zustand vorläufiger Unaufgeklärtheit fröhlich weiterzuleben».

Drei Autoren

Harald Lesch, Jahrgang 1960, ist deutscher Astrophysiker und Naturphilosoph. Ihm ist es zu verdanken, dass meine Buchhandlung das Buch schon am Tag des Erscheinens vorrätig hatte. «Lesch» sagte der Buchhändler, «ist ein Name, da haben wir sofort bestellt!» Karlheinz Geissler (1944), war Professor für Wirtschafts- und Sozialpädagogik an der Universität der Bundeswehr in München, hat viele Bücher geschrieben und ist seit Jahren ein Lieblingsautor von mir. Er lebt ohne Uhr. Jonas Geissler, geboren 1979, ist «Zeitberater», studierte Soziologie und Medienmanagement. «Er zeigt uns neue Wege auf für einen klugen Umgang mit der Zeit und ein zufriedeneres Zeitleben», heisst es im Internet über ihn.

Harald Lesch, Karlheinz A. Geissler, Jonas Geissler: «Alles eine Frage der Zeit. Warum die «Zeit ist Geld»-Logik» Mensch und Natur teuer zu stehen kommt». 2021 oekom verlag, München

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