StartseiteMagazinKolumnenVor der Abstimmung: Wanderung im Gegnerland

Vor der Abstimmung: Wanderung im Gegnerland

Wir verlassen in Hauptwil den Zug, orientieren uns, wollen durchs Thurgauer-Land wandern, am Nachmittag Amriswil erreichen. Der Weg ist gut ausgeschildert. Der Gegenentwurf zur Wanderweg-Initiative, dem am 19.02 1979 das Schweizer Stimmvolk zugestimmt hatte, lässt grüssen. Immer wieder wird offensichtlich: Die Schweiz ist ein wunderbares Wanderland, bestens ausjaloniert. Wir erreichen eine erste Höhe, kommen an Wiesen und Auen vorbei, passieren vier idyllisch gelegene Weiher, die gestaut wurden, um vor Zeiten Textilbetriebe mit der notwendigen Energie zu versorgen. Mein Staunen wächst, welche Landschaft, welche Ruhe, welche Besonnenheit. Zuerst sind sie mir nicht aufgefallen, als sich dann die Gehöfte häuften, wir in die eigentliche «Ostschweizer Landwirtschaft» gelangten, an stattlichen Bauernhäusern vorbeikamen, wunderbar angelegte Obstgärten bestaunten und werweissten, ob es sich nun um Äpfel, Birnen oder sonst was handelte, was da wuchs, fielen sie mir immer stärker auf: die vielen Plakate. Zweimal Nein zu den beiden Landwirtschafts-Initiativen, die am 13. Juni zur Abstimmung gelangen.  An den Hecken, an Bäumen, an Häusern hängen sie, sind nicht zu übersehen. Immer nur Nein. Wir durchwanderten offensichtlich ein Gegnerland.

Die Landwirtschaftsbetriebe lagen still da, kein Mensch war zu sehen. Ganz zufällig hätte ich gerne einen Landwirt angesprochen, ihn in ein Gespräch verwickelt. Hätte gerne von ihm gewusst, wie er denn zum Klimawandel, zur Ökologie, zum Bewirtschaften mit synthetischen Pestiziden stehe, wie er es mit dem Trinkwasser denn so halte. Einfach so an einer Haustür anklopfen wollte ich nicht, ein Wanderer aus dem urbanen Zürich, an einem heiligen Sonntag, das ist doch zu aufdringlich, schien mir.

Zu offensichtlich wären die unterschiedlichen Interessen zu Tage getreten. Ich hätte die Bauersfrau, den Bauersmann auch trösten können: Das Schweizer Stimmvolk werde sie am 13. Juni nicht enttäuschen. Es werde Nein stimmen, gar deutlicher als erwartet. Es sei schon ein Erfolg für uns urbane Menschen, wenn dem CO 2-Gesetz zugestimmt würde. Es sei nun in der Schweiz Usanz, dass so grundsätzliche Volksbegehren wie die Pestizide- und die Trinkwasser-Initiative es sind, mehr Zeit beanspruchen, möglicherweise mehrere Anläufe nehmen müssen, bevor sie vor dem Stimmvolk Gnade finden würden, obwohl die Anliegen berechtigt seien.

Die Initianten haben tatsächlich nach dem 13. Juni ihre Initiativen zu überprüfen, sie realistischer zu fassen, wenn sie bei einem neuen Anlauf Erfolg haben wollen. Und die Bauern haben sich langsam, aber sicher darauf einzustellen, dass sie weit ökologischer zu wirtschaften haben. Nur so können sie Initiativen vermeiden, die ihnen weh tun, ihnen ihre Existenz in Frage stellen. Diesmal wird das Volk noch gnädig sein, sich daran erinnern, dass die Schweiz immer ein weites Herz für die Anliegen der Bauern hatte.

Viele von uns stammen aus ländlichen Gebieten, viele haben Wurzeln in der Landwirtschaft. Und wir Älteren wissen noch – zumindest von unsern Eltern -, dass auf dem Sechseläutenplatz in Zürich während des Zweiten Weltkrieges aufgrund des Wahlen-Planes (Bundesrat Traugott Wahlen) Kartoffeln angebaut wurden. Heute lädt der Platz, ausgelegt mit Granit und mit Sonnenschirmen versehen, zum Verweilen, gar zum Sonnenbaden ein. Während der Corona-Zeit mutierte der Platz gar zu einem improvisierten Restaurant, beinahe zu einem Festplatz und weniger zum Platz des Protests, was er zumindest am 1. Mai jeweils auch ist oder von Corona-Querdenkern kürzlich als Schauplatz für ihre Scharmützel mit der Polizei benützt wurde. Der eigentliche Protest gegen die beiden Initiativen dagegen fand in Veranstaltungen, bei Podien, bei unanständigen, erstaunlichen, gar gewalttätigen Attacken auf Gegner wie Befürworter statt, die so heftig ausfielen, so dass einzelne Akteure nicht mehr an den Auseinandersetzungen um die Landwirtschafts-Initiativen teilnahmen.

Die stille und beschauliche Wandergegend im Thurgau – trotz der vielen Plakate – kontrastiert so überdeutlich mit der politischen Auseinandersetzung um die Initiativen, so dass die Hoffnung auf ein Einvernehmen zwischen den ländlichen und den urbanen Menschen in unserm Land nicht ganz verloren geht. Im Gegenteil. Doch beide, die Initianten wie die Gegner, müssen sich auf einander zubewegen. Nur so kommen wir beim Schutz unserer Umwelt weiter voran. Wenn am 13. Juni die Schlussresultate vorliegen, kann beginnen, was uns in die Zukunft führt: eine ökologische Landwirtschaft, aus dessen Ertrag die Bauernschaft auch leben kann.

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3 Kommentare

  1. Die kolumne von anton schaller erweckt bei mir die frage: wem gehört eigentlich die schweiz?

    Die schweiz gehört den bauern. Wir nehmen in kauf, dass die meisten bauern pestizide auswerfen, die die böden beschädigen und das wasser verschmutzen.

  2. Auch ich habe mich bei der Lektüre der Kolumne von Anton Schaller gefragt: wozu eigentlich die ganzen Direktzahlungen an den Schweizer Bauernstand aus unseren Steuergeldern? Können wir wirklich nicht etwas mehr Rücksichtnahme auf Mensch und Umwelt als Gegenleistung verlangen? Besonders die Pestizidinitiative finde ich vernünftig und effizient: Anders als die diesbezüglich fehlerhafte Trinkwasserinitiative findet die Pestizidinitiative auch auf Importe gleichermassen Anwendung. Zudem ist die 10-jährige Übergangsfrist lang genug für die Umstellung, also ich stimme am 13. Juni 2021 JA zur Pestizidinitiative!

  3. Woran dieses Land vorallem leidet, ist Wohlstandsdekadenz und daraus resultierend ein Wahn aus der Schweiz eine unbefleckte Jungfrau Maria zu machen! Dabei hilft eine Pervertierung der Direkten Demokratie mit viel zu tiefen Quoren für Initiativen und Referenden, die heute nur noch 1/8 der von unseren Gründervätern vorgesehenen Quoren für eine Verfassungs-Initiative (wie sie ursprünglich hiess..) braucht. Die allermeisten Volksinitiativen, die vorallem von den politischen Rändern und von radikalen NGO’s und Lobbygruppen kommen, sind für den Fortgang der Schweiz unnötig und können problemlos abgelehnt werden. Mit dieser Flut an Initiativen wird der Fokus auf das wichtige verzettelt und dringende Reformen (Sozialversicherungen) vor uns hergeschoben. Leider geht in dieser alles forderndenden Wohlstandsdekadenz (bezahlen können ja die Reichen…) unter, dass die Schweiz in Bezug auf die Umwelt schon lange mustergültig dasteht! Als wir jung waren standen an den Seen Badeverbotstafeln wegen verschmutztem Wasser. Heute kann man Seewasser überall in der Schweiz problemlos trinken. Eine 200 Mrd. plus Energiewende (Atomausstieg etc.) wurde aufgegleist. Die Schweiz hat mit rd. 4t CO2 Ausstoss pro Kopf die tiefsten CO2 Emissionen aller Industrieländer! (mit Schweden). Der OECD Durchschnitt liegt 2,5 mal höher. Wir sollten auch mal würdigen, was die Schweiz für die Umwelt bereits alles umgesetzt und geleistet hat, anstatt immer auf höchstem Niveau zu jammern! Eine Pestizid- und Trinkwasser-Initiative nützt eben nichts, wenn die Konsumenten dann billigere Produkte aus dem Ausland, ohne diese stringenten Auflagen, kaufen und konsumieren. Das gleiche mit dem CO2 Gesetz, das nichts mehr mit Klimaschutz zu tun hat! Anstatt stringent bei Lenkungsabgaben zu bleiben, wurde ein Milliarden-Klimafonds geschaffen, der zB mit der Hälfte der Flugticketabgaben gespeist wird, um dann die hungrigen Mäuler der Klimalobby und ihrer Klientel zu füttern. (s. NZZ). Klimaschutz geht ohne grünsozialistische Subventionierungs-Umverteilungstöpfe! Die Privatindustrie ist innovativ genug und schafft den Industriewandel ohne staatliche Subventionen! Leider hat das sogar eine FDP vergessen, die seit Jahren staatsdevot alles an neuen Steuern und Abgaben durchwinkt. Die Schweiz muss aufpassen, dass sie sich nicht mit ständig neuen Regulierungen, Steuern und Abgaben von Innen her selber kaputt macht! Ein NEIN zu allen Umweltvorlagen am 13.6. ist überhaupt kein Problem. Ein abgespecktes CO2 Gesetz ohne diese unsäglichen Subventionierungs-Umverteilungstöpfe ist alles was die Schweiz braucht. Und nicht vergessen was die Schweiz für die Umwelt schon alles geleistet hat und dass sie als Industrieland mit dem tiefsten CO2 Ausstoss sicher nicht das härteste CO2 Gesetz braucht.

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