FrontGesellschaftMächtige Frauen – heute vergessen

Mächtige Frauen – heute vergessen

Aussergewöhnliche Frauen prägen seit Jahrhunderten unsere Wirtschaft und Gesellschaft, doch sind sie heute weitgehend vergessen. Kunsthistorikerin Jana Lucas stellt zwanzig von ihnen in ihrem Buch «Die geheimen Pionierinnen der Wirtschaft» in biografischen Porträts vor.

Heute noch bekannte Firmennamen wie Veuve Clicquot für Champagner oder Krupp für Schwerindustrie bringt man nicht unbedingt mit Firmengründerinnen in Verbindung. Doch waren es mitunter Witwen und Töchter, die mit Mut, Initiative und Selbstbewusstsein das Unternehmen ihres verstorbenen Ehemannes bzw. Vaters erfolgreich weiterentwickelten oder eine eigene Firma gründeten. Wie sie mit Rückschlägen umgingen und oft unter schwierigsten Bedingungen dank viel Durchhaltevermögen und Einfallsreichtum aus den Krisen herausfanden, davon erzählen diese so unterschiedlichen Lebensgeschichten.

Porträt von Madame Clicquot Ponsardin, gemalt von Léon Cogniet (1794-1880). Sammlung Hôtel particulier du Marc à Reims.

Nach dem Tod ihres Mannes 1806 entschied sich Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin (1777-1866), dessen Weinbau und Weinhandel weiterzuführen. Das war ihr zumindest als Witwe möglich, Napoleon hatte die Rechte der Frauen massiv eingeschränkt. Selbstbewusst plante sie von Anfang an ein weltweites Exportgeschäft im grossen Stil. Der Absatz erhöhte sich massiv, als sie regionalen Vertretern ein zeitlich befristetes Monopol für den Import ihres Champagners vergab mit der Bedingung, Marktforschung zu betreiben. So wurde je nach Kundenwunsch, der Champagner mehr oder weniger süss geliefert. Sie strebte die Marktführung mit bester Qualität an, baute gezielt eine Managementstruktur auf und war der Konkurrenz immer einen Schritt voraus.

Den Namen Krupp verbinden wir vor allem mit männlich geprägter Schwerindustrie und Krieg. Doch es war eine Frau, Helene Amalie Krupp (1732-1810), die die Krupp Dynastie in Essen gründete; ihren Namen sucht man in der Wikipedia Unternehmensgeschichte allerdings vergeblich.

Gute-Hoffnung-Hütte St. Antonius in Oberhausen, 1835. Da es von Helene Amalie Krupp kein Porträt gibt, hier die Eisenhütte, deren Inhaberin sie zeitweise war.

Wie schon ihr Vater führte Helene Amalies Ehemann einen Kolonialwarenladen und versorgte die Bürger mit Zucker, Kaffee, Tee oder Reis. Jung verwitwet vergrösserte sie das Warenangebot und erweiterte ihre Geschäftsbeziehungen bis nach London. Den Gewinn investierte sie in Immobilien, erwarb Anteile an Kohlenbergwerken und wurde Inhaberin einer Eisenhütte, die sie 1808 verkaufte. Der Enkel Friedrich Krupp gründete mit dem von seiner Grossmutter geerbten Vermögen die Friedrich Krupp Gussstahlfabrik. Doch erst später, durch die unternehmerische Beharrlichkeit weiterer Krupp Frauen, gelang die Schaffung der erfolgreichen Stahlschmelze, die noch heute als Konzern Thyssenkrupp AG Deutschlands grösster Stahlhersteller ist.

Eliza Lucas Pinckneys Hampton Plantation House in Charleston County, South Carolina, USA. Foto: Brian Stansberry. Hier lud Eliza den amerikanischen Präsidenten George Washington ein und pflanzte ihm zu Ehren eine Eiche, die Washington-Eiche.

Unternehmerinnen unterstanden auch den zeitlichen Gegebenheiten. So musste Eliza Lucas Pinckney (1722-1793) nach dem Wegzug des Vaters als 16-Jährige drei Plantagen auf der Antilleninsel Antigua übernehmen, zwanzig Sklaven arbeiteten für sie. Sie war initiativ, experimentierte mit Pflanzensamen und war zuversichtlich, dass jeweils mindestens eines ihrer Versuchsprojekte erfolgreich sein würde. So gelang ihr der grossflächige Indigo-Anbau in South Carolina, wo sie zusätzliche Ländereien erworben hatte. Dort prägte sie die Landwirtschaft. Selbstbewusst lud sie den amerikanischen Präsidenten George Washington auf ihr Anwesen ein, als dieser 1791 die Südstaaten bereiste. Als sie zwei Jahre später starb, bestand George Washington darauf, der ‘Grande Dame von South Carolina’ als Sargträger die letzte Ehre zu erweisen.

Christine de Pizan unterweist ihren Sohn Jean de Castel, um 1413, Buchmalerei aus ihren gesammelten Werken, Paris.

In der Literatur wurde die in Paris lebende Schriftstellerin und Philosophin Christine de Pizan (1365-um 1430) aus Venedig so beliebt, dass sie von ihren Werken leben konnte. Sie war die erste Frau, die im Mittelalter ausserhalb des klösterlichen Kontextes die wirtschaftliche Stellung und das gesellschaftliche Handeln von Frauen thematisierte. In ihren bekanntesten Büchern wie Das Buch von der Stadt der Frauen oder Der Schatz der Stadt der Frauen entwarf sie Lebensregeln für Frauen aller Stände, um entgegen gesellschaftlicher Konventionen selbst bestimmt leben zu können. Sie wurde so berühmt, dass Fürstinnen, darunter auch die französische Königin sie um Rat baten.

Angelika Kauffmann, Selbstporträt zögernd zwischen Musik und Malerei, 1791, Sammlung St. Oswald, Priorat Nostell West Yorkshire, UK (The National Trust)

Jana Lucas widmet Künstlerinnen – es gab mehrere seit der Renaissance – das Kapitel Solo-Selbständige. Besonders Porträtmalerinnen waren äusserst erfolgreich, doch nach ihrem Tod wurden sie schnell vergessen. Ihre Werke schrieb man männlichen Kollegen zu, und erst heute werden sie teilweise wieder entdeckt.

Die bis heute bekannteste Künstlerin ist Angelika Kauffmann (1741-1807), die sich mit einem breiten Netzwerk in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum internationalen Star entwickelte. Ihre Popularität basierte aber nicht allein auf ihren Gemälden, sondern vor allem auf den «Kauffmann-Sujets», mit denen sie Porzellanteller, Fächer, Taschenuhren oder Toiletten-Garnituren verzieren liess und damit eine Luxus-Merchandise-Industrie entfaltete. Angelika Kauffmann verstand es, ihr Können und ihre Bekanntheit in wirtschaftliches Kapital zu verwandeln, so die Autorin.

Jana Lucas, Die geheimen Pionierinnen der Wirtschaft – Aussergewöhnliche Frauen, die unsere Wirtschaft nachhaltig geprägt haben, Redline Verlag, München 2021. ISBN 978-3-86881-849-9

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