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Die neuen Könige

Es sind nicht die Dreikönige, die wir aufgestellt in den grossen Krippen, in den grossen Kirchen zur Weihnachtszeit auch noch heute bestaunen, derer Geschichte wir dann auch noch am 6. Januar im neuen Jahr mit dem traditionellen Dreikönigskuchen gedenken können. Es sind auch nicht die gekrönten Königinnen und Könige, welche die Boulevard-Medien, die Hochglanz-Magazine mit ihren Geschichten, mit ihren Hochs und Tiefs, ihren Babys, mit ihren Liebes- und Trennungsdramen bevölkern, gar bildstark beherrschen, sonst aber kaum noch über Macht und Einfluss verfügen. Nein. Es sind die neuen Könige.

Sie sind nicht gekrönt, sie erheben sich selbst über das Volk, gar über die Institutionen ihrer Staaten. Die Medien degradieren sie zu Hofschranzen, die getreulich antreten, wenn der Herrscher ruft. So geschehen am letzten Donnerstag zu Moskau, als Wladimir Wladimirowitsch Putin die internationale Presse zur jährlichen Fragestunde rief, die dann, wie erwartet lange, letztlich dann aber doch nur vier Stunden dauerte. Er kam 13 Minuten zu spät, um gleich zu Beginn klarzustellen, wer auf wen zu warten hat. Welch bizarres Bild gab da die internationale Presse ab. Die Medienleute, fein säuberlich ausgewählt, am Zugang mit Desinfektionsmittel «geduscht», setzten sich vor das grosse, erhöhte Präsentationspult des unangefochtenen Kreml-Chefs. Und als es dann Zeit für Fragen gab, erhoben sie ihre mitgebrachten Transparente, beschriftet mit ihrer Herkunft oder der Frage, die sie dem «König» Putin stellen wollten. Die schwenkten sie hin und her, rauf und runter, zusätzlich sahen sie sich zu gestenreichen Bewegungen veranlasst, um auf sich aufmerksam machen. Putin sollte sie erkennen, aus der Tausendschaft auswählen, ihnen seine Gunst erweisen, so dass sie ihre vorformulierten Fragen loswerden konnten.

Putin hatte in seinen Antworten zur Ukraine eine unmissverständliche Botschaft: Wir sind eine Welt- und nicht eine Regionalmacht, wie das Obama 2015 meinte feststellen zu müssen. Und wir werden es nicht dulden, dass sich die Ukraine ins westliche Bündnis eingliedert. Dass es ihm ernst ist, beweist die Invasionsarmee mit über 100’000 Mann, die er an der Grenze zur Ukraine bereitgestellt hat.

Die bange Frage: Steht uns im neuen Jahr 2022, in nächster Zukunft, eine Invasion der Ukraine bevor, ein Regionalkrieg, der sich gar zu einem grossen Konflikt ausweiten könnte, auch wenn es aktuell noch eine Drohung ist? Einen kleinen Spalt Verhandlungsspielraum liess Putin offen. Im neuen Jahr will er mit den USA verhandeln. Und wir? Müssen wir einfach zusehen? Als sich 2014 die Sicherheitslage in und um die Ukraine verschlechterte, spielte Bundesrat Didier Burkhalter in seinem Präsidialjahr als amtierender Vorsitzender der OSZE eine wichtige Rolle. Er verhandelte mit Putin, brachte zustande, dass die OSZE eine Kontrollfunktion in der Ostukraine übernahm. Ist dazu Ignazio Cassis, unser aktueller Bundespräsident für das Jahr 2022, auch imstande? Zweifel sind angebracht. Bis jetzt war er nicht vom Glück verfolgt. Seine neuerliche Reise nach Brüssel zeugte nicht vom politischen Willen und der Überzeugungskraft, die notwendig ist, will die Schweiz ihr Verhältnis zu Europäischen Union EU ins Lot bringen.

Im Zusammenhang mit neuen Königen ist auch an Recep Tayyip Erdoğan zu erinnern, der die Türkei selbstherrlich ins wirtschaftliche Verderben führt, weil er meint, mehr von der Währungspolitik zu verstehen als seine Finanz-Fachleute; in der Zwischenzeit zerfällt die Lira, die Währung der Türkei. Das Volk darbt. An den Ungarn Viktor Mihály Orbán, der alle Macht an sich reisst, die Medienfreiheit mit Füssen tritt und dennoch zwingend Gelder von der EU erheischt. Oder an Jaroslaw Kaczynski, den eigentlichen Chef Polens, der nicht nur die Medienfreiheit einschränkt, die Abtreibung zu verbieten versucht, sondern auch die Gerichte an die Kandare der Politik nimmt. Und damit die EU laufend provoziert.

Immerhin: Ignazio Cassis, unser Bundespräsident 2022, fällt nicht unter diese Reihe. Gott sei Dank. Als gelernter Arzt wird ihm im neuen Jahr hoffentlich gar etwas zur aktuellen Corona-Krise einfallen, zur Solidarität untereinander. Bei seiner Neujahrs-Ansprache hat er die Chance dazu.

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3 Kommentare

  1. Schallers Liste der «neuen Könige» könnte beliebig verlängert werden. Aber hat es letztere nicht schon immer gegeben, seit dem Altertum?
    Für die Schweiz ist wichtig, dass sie gegenüber all diesen Herrschaften immer anständig, bestimmt und korrekt auftritt, ohne zu kuschen, ohne unnötige Schmeicheleien, aber auch ohne verletzende Aeusserungen oder Belehrungen (z.B. in Sachen Menschenrechte, Umweltpolitik, etc).
    Nur so kann sie je als neutraler Vermittler ernst genommen werden und nur so können diesbezügliche Vorschläge auf fruchtbaren Boden fallen.

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