StartseiteMagazinKolumnenEs geht um den guten Geschmack

Es geht um den guten Geschmack

Der Geschmackssinn hat neben den vier Geschmacksrichtungen: süss, sauer, salzig und bitter noch eine fünfte Kategorie. Ein japanischer Chemiker hatte sie entdeckt und nannte sie Umani. Es sei eine Art Gewürz, das die Speisen wohlschmeckend mache und ihnen eine besondere Geschmacksrichtung gebe. Schon die Muttermilch enthalte diese und sei für das Kind schmackhafter als gewöhnliche Milch. Davon hatte ich noch nie etwas gehört. Man wird im Leben immer wieder überrascht.

Als ich von dieser für mich neuen Geschmacksrichtung erzählte, reagierte eine Köchin bass erstaunt, dass ich erstaunt war. Mein Leben war ein langer Weg des Schmeckens. Hatte ich als Kind die Kutteln und das Siedfleisch, die abwechselnd am Samstag auf den Tisch kamen, nicht gemocht und noch viel weniger den Lebertran, den wir während des Kriegs an Stelle von Vitaminpräparaten einnehmen mussten, veränderte sich im Laufe des Lebens mein Geschmackssinn. Er machte neue Entdeckungen. Als ich in Wien aus Neugierde Tafelspitz bestellte, war ich überrascht, dass es sich um Siedfleisch handelte, das mit seinen Zutaten prächtig mundete. Ähnlich erging es mir mit den Kutteln, die ich als Kind verschmähte, die mir später als rare Delikatessen angepriesen wurden.

Ich durfte im Verlauf des Lebens oft verfeinerte Gerichte geniessen. So lernte ich die köstliche Kochkunst am heimischen Tisch und in Gaststätten kennen. Aus dem Gourmand, der alles verschlang, wurde allmählich ein Gourmet, der bis auf die Höhe von Austern aufstieg. Ich reinigte die schönsten Austernschalen und schrieb auf die Perlmutt-Schicht das Datum des Kostens. So erwarb der Mund mit seinen unzähligen Geschmackszellen ganz allmählich ein differenziertes Wissen. Der erste Schluck Wein mundete noch nicht. Ich trank lieber Süssmost und war mir sicher, dass aus mir kein Weintrinker würde. Der Wein modellierte ganz langsam meinen Mund. Ich tastete mich allmählich an die verschiedenen Traubensorten heran, bis ich irgendwann den Amarone einem mittleren Veltliner vorzog und gerne den oft zitierten Spruch eines Kollegen wiederholte, dass das Leben zu kurz sei, um «offene Weine» zu trinken.

Wer nicht kostet und schmeckt, kann keine Weisheit erlangen. Denn im Wort «homo sapiens» stecke das Wort sapor, was Geschmack heisst. Also folgerte ich mit dem Philosophen Michel Serres, dass der Geschmack der Ursprung der Weisheit, der Sapientia, sei. Mit dem verfeinerten Stil des Essens und des Kostens von Speisen entfaltete sich der Geschmack, ohne den ein Mensch Gefahr läuft, in einen rohen Zustand zu verfallen. Dieser kann sich in der primitiven, rohen und groben Sprache äussern. Ein guter Wein, sorgfältig gekostet, lehrt die Zunge, sich zu hüten vor einer ungehobelten Sprache, gemäss dem Psalmwort: «Herr gib meiner Rede eine gute Wache.»

Der Geschmack verbindet sich mit allen Sinnen. Dies lässt sich am Weingenuss demonstrieren. Das Auge mustert mit kundigem Schauen die Farbe des Weines. Die Nase riecht schon vor dem ersten Schluck seinen Duft und beurteilt das Parfüm. Sogar das Ohr nimmt Anteil am Trinken. Stossen zwei Menschen an, entsteht bei guten Gläsern ein feiner nachhallender Klang, der einen Trinkspruch auslöst. Zudem macht der gute Wein bei feinem Essen die Haut geschmeidig, sodass das Gegenüber am Tisch gerne näher rückt.

So versammeln sich die Sinne um die Dinge. Wer auf die Sinne achtet und froh aufnimmt, was sie ihm schenken, erhebt seinen Geist zur Freude, zum Lob auf die unendlich vielfältige Natur und geniesst dankbar, was Natur, Kunst und menschliches Können dem Leben offerieren. Der Sinnesgenuss schenkt Dankbarkeit und diese dem Erleben der Welt einen tieferen Sinn. Hören wird zum Zuhören, Sehen zum Schauen, Tasten zum Fühlen, Riechen zum Spüren und Schmecken zum guten Geschmack.

Rabatt über Seniorweb

Beim Kauf einer Limmex-Notruf-Uhr erhalten Sie CHF 100.—Rabatt.

Verlangen Sie unter info@seniorweb.ch einen Gutschein Code. Diesen können Sie im Limmex-Online-Shop einlösen.

Beliebte Artikel

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-

1 Kommentar

  1. Das ist ein interessanter und lehrreicher Text vom ehemaligen Seminarlehrer und Schritsteller Andreas, bravo ! Alles Gute im 2022 nach Unteraegeri !

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein