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Meisterwerke steigen vom Sockel

Wie sehen impressionistische Bilder ohne Rahmen aus? Das Museum Langmatt in Baden wagt es, einzelne Gemälde von Pierre-Auguste Renoir ohne, aber auch mit modernen Rahmen in «Renoir unplugged» auszustellen. Zudem schicken Kunstschaffende den Impressionisten «Liebe Grüsse».

Das Publikum fragt regelmässig nach den Rahmen der impressionistischen Werke; deren barocke Goldrahmen stossen auf wenig Verständnis. In der Entstehungszeit durften sie jedoch nie fehlen. Sie werteten Bilder auf, sogar jene von Impressionisten, die zu den Vorreitern der Moderne gehörten. Mit der «Entrahmung» bzw. «Neurahmung» zeigt die Ausstellung, wie sehr Rahmen die Wahrnehmung von Bildern prägen.

Pierre-Auguste Renoir, Das Boot, um 1878. Foto: rv. Die Rahmenherstellung ist eine eigene Kunst: Der Rahmen muss sich in Struktur und Farbgebung der Malerei anpassen. Der Zeitgeschmack bestimmt die Art, ob barock oder modern. 

Die mittellosen Künstler kauften barocke Rahmen oft günstig beim Trödler. Die Bilderhändler liessen sie eher teuer vom Rahmenmacher herstellen, denn ein Bild liess sich ohne opulenten Goldrahmen nicht verkaufen. Auch die Sammler Sidney und Jenny Brown erwarben ihre Bilder so. Und war ein Bild einmal mit einer billigen Imitation aus gepresstem Karton versehen, kam es zum Rahmenmacher. Doch einzelne Werke liessen sie gelegentlich auch Jahre nach ihrem Erwerb umrahmen, wie Rechnungen zeigen.

Pierre-August Renoir, Zuckerdose und Becher, 1910. Im modernen roten Rahmen verändert das Bild seinen Ausdruck.

Die impressionistischen Bilder in der Langmatt sind alle so gerahmt, wie aus der Zeit der Sammlerfamilie. Die aktuelle Ausstellung macht den Versuch, anhand der Renoir-Sammlung – der grössten Werkgruppe mit zweiundzwanzig Gemälden – sieben Bilder ohne Rahmen, sieben neu gerahmt und acht im Original belassen nebeneinander aufzuhängen. Die Museumsbesucherinnen und Besucher können auf diese Weise selber vergleichen, wie sie die Bilder wahrnehmen, auch die original präsentierten Impressionisten im grossen Galerieraum.

Pierre-Auguste Renoir, von links nach rechts: Anemonen und Rosen, 1910; Das Boot, um 1878; Bildnis eines Mädchens, 1885. Der Rahmen grenzt das Gemälde nicht nur von der Umgebung ab, sondern beeinflusst auch das optische Empfinden beim Betrachten.

Renoir unplugged sorgt für Überraschungen. Ein ungerahmtes Bild ist so, wie es der Künstler in seinem Atelier selbst gesehen hat. Hier auf der Wand des Museums bekommt es eine neue Ausstrahlung, wirkt fragil und etwas verloren. Und doch ist es so, als ob die Hand des Künstlers in unsere Nähe kommt und wir realisieren, dieses Bild ist wirklich von Renoir in seinem Atelier gemalt worden. Seine Präsenz berührt uns. Bei näherem Hinschauen entdeckt man zudem von der Seite her die originalen Nägel, mit denen die Leinwand am Keilrahmen befestigt ist.

Pierre-August Renoir, Bildnis Paul Meunier, Sohn von Eugène Murer, um 1877. Foto: rv. Es ist das erste Bild von Renoir, das Sidney und Jenny Brown 1909 für ihre Sammlung erworben hatten.

Die Ausstellung öffnet zu einzelnen Gemälden einen digitalen Zugang. Mittels Augmented-Reality-App können Besucherinnen und Besucher auf dem vom Museum gratis zur Verfügung gestellten Tablet ausgewählte Bilder unterschiedlich rahmen und erhalten zusätzliche Informationen. So erscheint etwa über Renoirs Damenbildnis «Der Zopf» eine historische Schwarz-Weiss Aufnahme des Modells mit Hut oder das Kinderbildnis «Paul Meunier» wird mit einer Fotografie von dessen Vater überblendet.

Ohne Rahmen steigen die impressionistischen Meisterwerke vom Sockel. Und es stellen sich Fragen nach den Bewertungsmechanismen, so auch in der zweite Ausstellung Liebe Grüsse in der grossen Galerie.

Blick in die Gemäldegalerie, wo sich digitale Postkarten von Kunstschaffenden, die einmal in der Langmatt ausstellten, unter die Meisterwerke mischen. Auch Publikumsgrüsse werden gerne erwartet.

Zwischen den in unregelmässigen Abständen hängenden Gemälden von Gauguin, Monet, Cézanne oder Pissarro entdeckt man kleine Postkarten. Sie stammen von dreizehn Kunstschaffenden, die in der Langmatt einmal ausgestellt und nun dem Museum postkartengrosse Grüsse in digitaler Form zugeschickt haben. Ausgedruckt mischen sich diese unter die Meisterwerke. Im Laufe der Ausstellung werden weitere Grüsse hinzukommen, etwa von Pipilotti Rist, Norbert Bisky oder Klodin Erb, was zu fortlaufenden Veränderungen führt.

Liebe Grüsse von Florian Germann, Christian Vetter, Raphael Stucky, Reto Boller, Renée Levi, Julia Steiner (von oben links im Uhrzeigersinn).

Auch das Publikum wird ermuntert, der Langmatt liebe Grüsse zu schicken, die die Präsentation in der Galerie erweitern. Damit lockern sich die strikten Grenzen zwischen Kunst und Publikum, die Frage nach dem Wert stellt sich neu. Denn auch die kleinformatigen Digitaldrucke der Gegenwartskünstler besitzen so gut wie keinen Marktwert. Es ist nicht nur ein Spiel, sondern es geht auch um Wahrnehmungs- und Bewertungsgewohnheiten. Was macht den Wert eines Kunstwerks aus? Dazu meint der Museumsdirektor Markus Stegmann: «Es geht darum, ein neues, erweitertes Verständnis von Kunst und ihrer Bedeutung, ihres Einflusses auf uns, zu entwickeln.»

Postkarte an Jenny Brown, Konstantinopel, 27. Mai 1903, Archiv Museum Langmatt.

Liebe Grüsse knüpft an die reichen Postkartenbestände der Familie Brown an, die in der Kabinettausstellung Schaufenster Archiv – Historische Postkartengrüsse präsentiert werden, ein Hinweis auf die mittlerweile fast vergangene Form der Kommunikation.

Fotos: Museum Langmatt, Baden

Bis 4. September 2022
Museum Langmatt, Baden: «Renoir unplugged – Liebe Grüsse – Historische Postkartengrüsse».
Hier finden Sie weitere Informationen zur Ausstellung

 

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