Garbage City

Teil zwei der Fotoreportagen aus Kairo spielt in einem Stadtteil, den auch Einheimische höchstens vom Hörensagen kennen.

Ich wollte also zu Fuss durch die Garbage City gehen, wollte die Müllstadt aus nächster Nähe sehen und riechen, vielleicht Fotos machen. Ob das möglich sei, fragte ich zwei junge Männer am Eingang des Viertels? Kein Problem, lachten John (20) und Beshoy (22), nahmen mich in ihre Mitte und eskortierten mich durch die von Müllbergen verengten Strassen von Manschiyyet Nasser.

Sie hatten mein Anliegen sofort verstanden, sie zeigten mir mit Freude verschiedene Recycling Werkstätten, stellten mir Freunde vor und nahmen mich mit zu ihren Familien. Wenn sie fanden, ich könne ohne Bedenken fotografieren, gaben sie mir diskret ein Zeichen.

John und Beshoy, meine Schutzengel in der Müllstadt

Voll beladene Pickups karren Tag und Nacht den Abfall von der Megacity herauf.

Tausende Tonnen von Müll warten darauf, sortiert zu werden.

Esel und Schweine sind zuständig für die Verwertung von organischen Abfällen.

Plastikabfall wird sortiert und verwertet, jede Familie hat sich auf eine Abfallart spezialisiert.

Ein Leben im Müll, Ratten huschen über den Abfall.

Haustiere leben auf den Strassen, in Innenhöfen und auf den Dächern.

Kollegen von Beshoy am Billardtisch

Im verdienten Ruhestand – ich war der Älteste in der Runde.

Auf arabisch heissen sie Zabbaleen, die Müllsammler von Kairo. Seit Generationen lebten arme christliche Bauern vom Abfall der Hauptstadt, ihre Schweineherden verzehrten die organischen Abfälle, und alles Anorganische begannen sie zu recyceln. In den 70er Jahren liessen sich viele von ihnen in den stillgelegten Steinbrüchen am Fusse der Mokkattam-Hügel nieder. Die belgische Ordensschwester Emmanuelle (1908 – 2008) spielte ab 1982 eine wichtige Rolle im Aufbau dieser Siedlung: Eine erste Kompostfabrik, ein Schulzentrum, eine Klinik und ein Frauenhaus konnten gebaut werden.

Die koptische Religion gibt den Menschen Hoffnung und Zusammenhalt, die Müllstadt ist voll von Heiligenbildern.

Beshoy mit seinem Onkel vor dessen Recycling Bude

Heute leben in Manschiyyet Nasser über 70‘000 Menschen, sie sammeln und sortieren und rezyklieren mehr als die Hälfte des Abfalls der Megacity Kairo. Fast 90 Prozent des gesammelten Abfalls wird rezykliert. Viele der dazu nötigen Maschinen bauen die Männer und Frauen selber und die wiedergewonnenen Grundstoffe exportieren sie gewinnbringend in die USA und nach China. 2002 vergab die Regierung die Rechte auf Kairos Abfall an ausländische Unternehmen, doch die waren nicht erfolgreich und die Zabbaleen haben überlebt. Es war ein weiterer Albtraum, als die Regierung Mubarak 2009 wegen der drohenden Schweinegrippe 300‘000 Schweine schlachten liess. Dabei hatten sie mit der Übertragung überhaupt nichts zu tun, die Schweine „entsorgten“ bloss den organischen Abfall.

John zeigt die selbst gebaute Anlage, mit der seine Mutter Plastik rezykliert. Aus dem Granulat stellt er eine eigene Linie von Handyhüllen her. John hat auch ein Fotostudio und experimentiert mit Werbefilmen.

Johns Vater verkauft Werkzeuge und führt ein grosses Sortiment an Keilriemen

In fast jeder Strasse gibt es kirchliche Treffpunkte und Versammlungslokale

Es wurde spät in der Müllstadt von Kairo. John und Beshoy begleiteten mich bis zur Hauptstrasse bei der Zitadelle. Sie hätten mir noch Vieles zeigen wollen und wollten noch Vieles von mir erfahren, aus meinem Leben und von meinen Reisen. Ein Taxi brachte mich zurück nach Kairo Downtown. Die Garbage City von Kairo ist keine Hölle mehr in meinem Kopf. Ich habe eine enorm kreative und hoffnungsfrohe Gemeinschaft von wunderbaren gastfreundlichen Menschen erlebt.

Anstelle von Werbung hängen Botschaften zur Erziehung und zum Glauben über dem Marktplatz.

Alle Fotos © Werner Geiger

Hier finden Sie die bis jetzt publizierten Folgen von «Kairo hat viele Gesichter», Bildreportagen von Werner Geiger:
Cave Church

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1 Kommentar

  1. Ich war vor Jahren, auch miot einheimischer Begleitung eskortiert, in diesem Stadtteil und dann in der Totenstadt. Aber am Schluss habe ich dem Begleiter aber ein ägyptisch-korrektes Trinkgeld gegeben.

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