Im letzten Gartenbeitrag ging es um die geschlechtliche Fortpflanzung der Pflanzen. Also um die Verschmelzung von männlichen Pollen mit weiblichen Fruchtkörpern, in denen sich dann Samen bilden. Viele Pflanzen aber nutzen auch eine einfachere Methoden zur Vermehrung. Sie lassen sich klonen.
Mit ihrem Samen geben Pflanzen, ach was, alle Lebewesen mit einem Zellkern, die genetischen Informationen des männlichen und des weiblichen Teils in einer Rekombination weiter. Bei Pflanzen geschieht das durch Bestäubung, vielfach mit Hilfe des Windes oder von Insekten. Bei der vegetativen Fortpflanzung hingegen warten Pflanzen mit einigen Tricks auf, um unkompliziert für Nachwuchs zu sorgen.
Pfefferminze breitet sich aus
Pfefferminze zum Beispiel macht es sich einfach. Gefällt es ihr an einem Standort, bildet sie fleissig Ausläufer, und würde, geböte man ihr nicht Einhalt, Beet um Beet erobern. Erdbeeren tun das auch, Bambus bis zur Schmerzgrenze (der Gärtnerinnen und Gärtner) und leider auch ganz viele Unkräuter. Potentilla, das Fünffingerkraut, ist so ein Spezialist. Erst mal werden lange Pfahlwurzeln gebildet, die man fast nicht aus dem Boden kriegt, und dann kommen meterlange Ausläufer dazu, an denen in Abständen neue Pflanzen wachsen und wurzeln.
Pfingstrosenkönnen als Strauch recht dominant werden. Mit einem scharfen Spaten lassen sie sich gut teilen. (Pixabay)
Andere Pflanzen werden jedes Jahr grösser und üppiger – und verdrängen dabei schwächere Gartengenossen. Gewürzkräuter wie Zitronenmelisse oder Schnittlauch gehören dazu, aber auch Pfingstrosen oder Iris. Ein Spaten ist da die beste Lösung: Man gräbt jetzt im Frühling den zu gross gewordenen Wurzelballen aus und teilt diesen mit energischen Spatenstichen in mehrere Teile. Diese werden dann wieder in frische Erde eingepflanzt.
Abnehmer dringend gesucht
Und fertig ist die Miniaturgärtnerei. Denn wer wie ich nur noch einen kleinen Garten hat, steht dann ratlos vor den verbleibenden Teilstücken. Deshalb ist es sinnvoll, bereits vor der ganzen «Vermehrungsaktion» im Freundes- und Bekanntenkreis herumzufragen, wer an einer himmelblauen Iris, einem zusätzlichen Schnittlauchstock interessiert wäre.
Bei einigen Pflanzen geht es auch ganz ohne Kraftaufwand. Die jetzt in Blüte stehende Forsythie, aber auch Johannisbeeren, Hartriegel oder Clematis werden durch Absenker vermehrt. Das heisst, man biegt junge, biegsame Triebe einer Pflanze zu Boden und fixiert ein Teilstück mit einem Stein oder zwei gekreuzte Holzstäbchen. Bald wächst dort ein neuer kleiner Sprössling heran, den man, ist er kräftig genug geworden, von der Mutterpflanze abtrennen und anderweitig neu einpflanzen kann.
Lavendelbringen Duft und Sommergefühle in den Garten. Und die Insekten lieben die Pflanzen. (Pixabay)
Von Lavendel habe ich nie genug. Ich liebe Lavendel als Beeteinfassung, in Töpfen, als Lückenbüsser, wenn es irgendwo eine kahle Stelle in einem Beet hat. Jetzt im Frühling, wenn die alten Stöcke nochmals etwas zurückgeschnitten werden – mit der Zeit verholzen und verkahlen sie trotzdem – können kleine frische Triebe geschnitten werden. Ich lasse sie etwa einen Tag liegen und stecke dann den blattlosen Schaft in eine mit Sand «abgemagerte» Erde. Nochmals einen Tag ruhen lassen und dann sparsam, aber regelmässig giessen. Den Topf mit dieser Kinderstube an einen halbschattigen Ort stellen und abwarten.
Meine Lavendelkinder werden erst im nächsten Jahr ausgepflanzt – oder in kleinen Töpfchen verschenkt.
Meist treiben die Stecklinge nach einigen Wochen aus und werden dann einzeln in Blumentöpfe gepflanzt. In den Garten kommen die Lavendelkinder erst im nächsten Frühsommer. Den ersten Winter dürfen sie noch geschützt im Wintergarten bleiben. Rosmarin oder Salbei sollen auch so vermehrt werden können.
Ameisen verteilen Samen
Schneeglöckchen, aber auch Wildtulpen, die im Boden bleiben dürfen, vermehren sich hingegen über Brutzwiebeln. Das sind kleine Zwiebelchen, die zwischen den Zwiebelschuppen der Mutterpflanze herauswachsen. Wer jetzt, im Falle der Schneeglöckchen, meint, diese kleinen Knöllchen hätten Beine, der irrt allerdings. Wenn plötzlich an einer Stelle, weit weg von den Schneeglöckchenhorsten, neue Pflanzen spriessen, dann sind das nicht «ausgewanderte» Brutzwiebelchen, sondern gross gewordene Sämlinge. Denn Ameisen schleppen Schneeglöckchensamen manchmal über recht weite Strecken und lassen sie dort liegen. Weshalb, ist mir ein Rätsel. Mit Radieschensamen machen sie das jedenfalls nicht.
Im Grunde ist es doch viel einfacher, statt Pflanzen aus Samen zu ziehen, diese vegetativ zu vermehren, werde jetzt einige denken. Das stimmt zum Beispiel bei Gehölzen, die kaum aus Samen angezogen werden. Allerdings beruht diese Art der Fortpflanzung allein auf Zellteilung. Das heisst, das Erbgut bleibt identisch, neue Pflanzenvarietäten sind nicht möglich und das genetische Material, zum Beispiel die Anfälligkeit auf verschiedene Krankheiten und Schädlinge, kann nicht verbessert werden. Es ist bei den Pflanzen wie fast überall im Leben: Das eine tun und das andere nicht lassen.