StartseiteMagazinGesellschaft«Weisses Gold» aus dem Schweizer Untergrund

«Weisses Gold» aus dem Schweizer Untergrund

Im Mittelalter war die Schweiz von teuren Salzimporten aus dem Tirol und aus Bayern abhängig. Seit 1680 wird das «Weisse Gold» auch in unserem Land in grossen Mengen abgebaut. Ein Besuch in der Salzmine von Bex (Kanton Waadt).

Salz war in Mitteleuropa über Jahrhunderte das wichtigste Handelsgut, sozusagen das Erdöl des Mittelalters und der Barockzeit. Wer weitab vom Meer über die Rechte an einem Berg mit Salzgestein verfügte, der konnte richtig reich und mächtig werden. Denn in Zeiten ohne Kühlschrank und chemische Konservierungsstoffe konnte nur Salz verderbliche Lebensmittel haltbar machen.

Die Bedeutung des Salzes stieg im 12. und 13. Jahrhundert an, als in den alpinen Regionen die Viehzucht und die Verwertung ihrer Produkte, vor allem des Zigers, einen raschen Aufschwung erlebten. Zu dieser Zeit waren noch keinerlei unterirdische Salzvorkommen im Gebiet der heutigen Schweiz bekannt. Ihre Märkte wurden bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts von konkurrierenden Produzenten aus den umliegenden Ländern beliefert.

Das Salz aus dem Tirol (Hall) und aus Bayern (Reichenhall) fand seine Abnehmer in der Ostschweiz, der Zentralschweiz und in Graubünden; die Freigrafschaft Burgund (Salins) versorgte den reichen Stadtstaat Bern.

Salzvorkommen in der Schweiz entdeckt.

Erst 1554 wurde der Legende nach Salz im Unterwallis entdeckt: Der junge Hirte Jean du Bouillet (genannt Bracaillon) soll seine Ziegen oberhalb von Bex zum Weidenge führt haben. Die Tiere hatten eine klare Präferenz: Sie tranken nur Wasser aus der dortigen Quellen. Der Hirte wurde neugierig und kostete das Quellwasser. Es schmeckte salzig. Also füllte er einen Kessel, erhitzte das Wasser und liess es verdampfen. Auf dem Kesselboden blieb eine Häufchen Salz zurück.

Mit diesem Wasserrad wurde die Menge des geförderten Salzes berechnet.

Die salzhaltige Quelle bei Bex weckte grosse Hoffnungen im Stadtstaat Bern, der von den teuren Salzeinfuhren aus dem Ausland unabhängig werden wollte. Die Ernüchterung folgte, als sich die Salzquelle als wenig ergiebig herausstellte. Für das zum Sieden der Sole nötige Brennmaterial wurden die Wälder in der Umgebung abgeholzt. Die anfänglich mässige Salzfördermenge verbesserte sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts; sie betrug 1731-1740 im Jahresdurchschnitt 1582,8 Tonnen, sank dann aber 1771-1780 wieder auf 473,4 Tonnen. Nie deckte sie mehr als den Bedarf des Waadtlands und eines Teils des Berner Oberlands.

1867 gründeten vier Männer aus Bex, die Herren Grenier, Chappuis-Veillon, Beauverd und Laurent, die Compagnie des Mines et Salines de Bex.

Hundert Jahre später, 1680, entdeckte man in Le Bévieux bei Bex (VD) grosse Salzvorkommen, und schon vier Jahre später wurden Stollen in den Berg getrieben, um das «weisse Gold» abzubauen. Bis zum 18. Jahrhundert wurde das Salz bergmännisch (trocken) abgebaut, seit dem 19. Jahrhundert wird der nasse Abbau angewendet, d. h. es wird Wasser in die Gesteinsschichten geleitet, um das Salz darin zu lösen. Die Sole wird hochgepumpt, das Wasser wieder verdampft und das daraus gewonnene Salz gereinigt und aufbereitet. Mittlerweile durchzieht ein rund 50 Kilometer langes Labyrinth von Gängen und Schächten den Berg oberhalb von Bex, und die Salzmine fördert ein Volumen von 10’000 Tonnen Salz pro Jahr. Vor 150 Jahren gehörten die Salinen zu den grossen Arbeitgebern im Tal. Heute sind nur zwischen 10 und 30 Personen hier beschäftigt.

Verwinkelte Gänge über mehrere Ebenen durchziehen die Mine.

Selbstverständlich wurden die Techniken im Laufe der Jahrhunderte weiterentwickelt. Die Thermokompression hat das bisher genutzte Feuer ersetzt. Die neue Technologie ist  revolutionär: Sie hat erhebliche Energieeinsparungen im Vergleich zur Siedeverdampfung (durch Feuer) ermöglicht. Die wenige Energie, die für den Prozess erforderlich ist, wird durch die eigene Wasserkraftanlage am Avançon sichergestellt. Die meisten Abläufe sind heute automatisiert.

Eine Stollenbahn transportiert Besuchende in den Berg und fährt sie auch wieder heraus.

In einem Teil des Salzbergwerks ist eine Besucherzone eingerichtet. Der Eingang zum Stollensystem befindet sich nicht in Bévieux, sondern nördlich von Bex am Eingang des Tales des Flusses Gryonne. Mit einem Stollenbähnchen fahren wir über einen Kilometer tief in den Berg, in dem uns unsere «Guides» Alain und Christina über die Geologie und die Abbautechniken von einst und jetzt informieren. Das Licht in Gängen ist von den Lampen orange gefärbt, der Salzgehalt in der Luft hoch. Die Temperatur liegt bei angenehmen 18 Grad Celsius. Wir bewundern Salzspuren an den Decken, schauen in einen ausgetrockneten Salzsee hinunter, betrachten eine gewaltige Bohrmaschine, ziehen vorbei an historischen  Werkzeugen und Wandbildern. In einem Glasschrank lagert höhlengereifter Greyerzerkäse.

«Guide» Alain zeigt uns den Bohrer der amerikanischen Maschine und einen Bohrkern.

Die Arbeit mit Hammer und Meissel vor 500 Jahren war zeitraubend und anstrengend. Über hölzerne Leitungen wurde Frischluft in die Stollen gepumpt, auch zum Schutz vor Explosionen. Dank dieser Technik sind in Bex nur zehn Unfälle bekannt, mit drei Toten. In Kohlebergwerken in Russland und China werden jedes Jahr Dutzende von Arbeiter verschüttet. Am Schluss des Rundgangs erreichen wir eine grosse Halle mit einem Restaurant und einer Bar. Salzgebäck und Walliser Weisswein erfrischen unsere Kehlen. Publikumsführungen werden in Bex seit 1984 angeboten.

Salz auch aus Schweizerhalle und Kaiseraugst

Salz wird auch in der Nordwestschweiz, in Rheinfelden, abgebaut. Nach einigen erfolglosen Bohrungen entlang des Rheins stiess der deutsche Ingenieur Carl Christian Friedrich Glenck 1836 in Schweizerhalle in einer Tiefe von 135 m auf eine 6 m mächtige Steinsalzschicht. Die 1837 begonnene Salzförderung in der Saline verwendete Kohle als Brennmaterial zur Salzgewinnung und erreichte in Kürze eine Produktion von 10’000 t pro Jahr. Konkurrenz erwuchs Schweizerhalle durch die aargauischen Salinen Kaiseraugst (eröffnet 1843) und Rheinfelden (1844) sowie Riburg (1848). Die vier Unternehmen produzierten das gesamte von der Schweiz benötigte Salz. Die aargauischen Salinen schlossen sich 1874 zusammen und verbanden sich 1909 mit der Baselbieter Schweizerhalle zu den «Vereinigten Schweizerischen Rheinsalinen».

Ein Blasbalg pumpte Frischluft über hölzerne Röhren in die Stollen.

Seit 2014 gehört die Saline de Bex SA zu den Schweizer Salinen AG. Die bestehenden Konzessionsverträge über den Salzabbau der Kantone Wallis, Aargau und Basel-Landschaft mit den Schweizer Salinen AG laufen Ende 2025 aus. Sie Kantonsregierungen haben Mitte Juni 2021 die Verlängerung des Vertrags ab 2026 mit Gültigkeit bis 2075 abschliessend genehmigt. Die Schweizer Salinen gehören allen Schweizer Kantonen und dem Fürstentum Liechtenstein. An den Standorten Bex, Riburg und Schweizerhalle werden pro Jahr bis zu 600’000 Tonnen Salz (80 Prozent für die Industrie, 20 Prozent für den Detailhandel und die Kosmetik) produziert. Die Eigenversorgung der Schweiz mit dem «Weissen Gold» ist damit langfristig gesichert.

Titelfoto: Der Eingang zum Besucherzentrum von Bex. Alle Fotos PS.

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