StartseiteMagazinKulturEin Musikfest der Superlative

Ein Musikfest der Superlative

Der Berliner Musikmonat ist ein Strauss von Konzerten mit Werken aus rund tausend Jahren Musikgeschichte.

Nach zwei Jahren mit coronabedingten Einschränkungen können internationale Gastorchester heuer wieder in vollem Umfang zu dem Festival in Berlin anreisen. 33 Orchester aus den Niederlanden, Italien, den USA, Großbritannien, Belgien und Südkorea sowie Chöre und Ensembles mit über 20 internationalen Solisten auf. Hervorzuheben wären das Philadelphia Orchestra mit Dirigent Yannick Nézet-Séguin und Geigerin Lisa Batiashvili, das Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst und das London Symphony Orchestra mit Sir Simon Rattle am Pult.

Berliner Musikfest 2022: Franz Welser Moest und das Cleveland Orchestra haben mit Schuberts Grosser Symphonie in D-Dur das Publikum begeistert. Foto: © Roger-Mastroianni

Mit dem Musikfest starten die Berliner Orchester – Philharmoniker, Deutsches Symphonie-Orchester, Konzerthausorchester und Rundfunk-Sinfonieorchester – alljährlich in die neue Spielzeit.

Nun wechseln sich täglich Spitzenorchester aus der halben Welt ab, Ur- und Erstaufführungen sowie alte Musik und beliebte Symphonien stehen auf dem Plan und vor allem zeigt sich die Berliner Philharmonie als ein Konzertort der Weltspitze.

Kyrill Petrenko steht am Pult der Berliner Philharmoniker, sozusagen das Hausorchester der Philharmonie. Foto: Wikimedia commons

Das Konzerthaus, entworfen von Architekt Hans Scharoun, war als erstes Gebäude des in der Nachkriegszeit geplanten Kulturforums erstellt worden und stand lange kompromisslos und allein in der Ödnis an die Sektorengrenze, die Ost- und Westberlin trennte. Während der Bauzeit wurde die Mauer hochgezogen. Die Philharmonie richtete sich nicht nach dem Stadtbild und den Strassenzügen von vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg aus, sondern hat den Haupteingang Richtung Westen. Heute liegt sie mit der ebenso stilbildenden Staatsbibliothek im hochmodernen Viertel rund um den Potsdamer Platz, welches nicht nur Zustimmung findet: zu heterogen, zu egoistische Denkmäler führender Architekten.

Klaus Mäkelä eröffnete den Musikmonat mit dem Concertgebouworkest Amsterdam. Photo: © Marco Borggreve

Aber die Philharmonie, dieses zeltartige Haus mit der goldenen Verkleidung, ist bis heute ein oft kopierter, aber kaum erreichter Triumph der Akustik. Nicht nur dass man von überall in der Muschel freie Sicht aufs Podium hat; praktisch von jedem Platz aus sind feinste Klangnuancen gut zu hören und das heftigste Orchesterfortissimo hat noch Luft nach oben, um im Raum zu verhallen, statt einen auf die Ohren zu schlagen wie in mancher «Schuhschachtel».

Davon konnte sich das Publikum bei der Eröffnung des Musikmonats mit dem Concertgebouworkest Amsterdam überzeugen. Unter der Leitung des designierten Chefdirigenten Klaus Mäkelä begeisterte das Orchester mit dem Werk Orion von Kaija Saariaho und der 6. Symphonie von Gustav Mahler, wobei hier der erst 27jährige sein Potential als Direktor des Orchesters beweisen konnte.

Fast scheint es unmöglich, Ferruccio Busonis Klavierkonzert zu spielen. Aber es ist dem Orchestra e Coro dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter der Leitung von Sir Antonio Pappano mit dem Pianisten Igor Levit grandios gelungen. Foto: © Fabian Schellhorn

Nachdem die Musikfeste wegen der Corona-Pandemie in den letzten zwei Ausgaben eher auf Sparflamme liefen – Orchester aus Übersee konnten nicht eingeladen werden, statt viel Symphonik gab es mehr Solisten-Abende – sind 2022 wieder die Spitzen der symphonischen Welt versammelt. Und erst noch: Wer sich spontan entscheidet, hat da und dort noch Chancen auf einen Platz im Auditorium.

Eine Sternstunde des Musikfests: Lisa Batiashvili und Yannick Nézet-Séguin bei der Darbietung von Karol Szymanowskis Konzert für Violine und Orchester. Das Orchester spielt am 6, September im KKL Luzern. © Todd Rosenberg

Bis zum 19. September stehen 27 Konzerte auf dem Programm. Mehr als 50 Werke von rund 40 Komponisten und Komponistinnen erklingen im Großen Saal der Philharmonie und im Kammermusiksaal, im Konzerthaus Berlin, im Haus der Berliner Festspiele und in der Kirche Am Hohenzollernplatz. Das Schlusskonzert am 19. September ist eine Hommage an den grossen Jazz-Komponisten und Bassisten Charles Mingus. Die Big Band der Deutschen Oper Berlin ehrt den vor einem Jahrhundert geborenen Mingus mit der von Titus Engel geleiteten Aufführung seines abendfüllenden Opus magnum Epitaph. Auch der Geburtstag von Iannis Xenakis jährt sich zum 100. Mal, und seiner Musik widmen sich die Berliner Philharmoniker, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, das Ensemblekollektiv und das JACK Quartet. Die beiden Kleinformationen führen neben Xenakis Kompositionen von Rihm und dem radikalen Lachenmann sowie Lisa Lim auf, die das Aussen und den Alltag mit dem Innen, der Phantasie zusammenbringt. Die Australierin ist zurzeit Fellow am Berliner Wissenschaftskolleg.

Andrea Mantegna: Der Hof der Gonzaga. Wikimedia commons

Alte Musik aus einer Zeit, bevor es Symphonieorchester gab, ist bei dem diesjährigen Musikfest ein anderer Schwerpunkt. Vom gregorianischen Gesang führt der Weg über die Psalmen und Lieder der Reformation, welche nun in allgemein verständlicher Sprache des Volks gesungen wurden. Die Marienvesper von Monteverdi wird aufgeführt vom Collegium Vocale Gent. Religiöse Musik wird auch heute noch komponiert, beispielsweise die Orchesterwerke von Sofia Gubaidulina. Religion ist auch Transzendenz.

Sind Negro Spirituals religiöse Musik? Sicher sind die rhythmischen Gesänge der Sklaven in den Südstaaten eine Quelle für Antonin Dvořák bekannte Symphonie Aus der neuen Welt, der seinerseits als Nichtamerikaner erstmals deren Melodik symphonisch verarbeitete und Amerikaner wie George Gershwin inspirierte. Dvořáks Karneval Ouvertüre wird mit einem Werk der fast vergessenen Komponistin Florence Price, deren spiritual-grundierten Kompositionen in den 30er und 40er Jahren Erfolge feierten, vom Philadelphia Orchestra aufgeführt.

Florence Price, Komponistin, auf einer undatierten Fotografie

 

Ein Highlight des Musikfests war das Klavierkonzert op. 39 von Ferruccio Busoni sein. Es gilt als ein Werk von architektonischen Ausmaßen. Hochgradig virtuos, von über einer Stunde Dauer samt furiosem Chorfinale. In Berlin war es nun Dank Igor Levit und dem Orchester und Chor der Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter Antonio Pappano zu erleben. Igor Levit äusserte im Interview seine grosse Freude, diese auch für ihn sehr schwierige Partitur des grossen italienischen Komponisten aufführen zu können.

Das Leipziger Gewandhausorchester wird mit Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons erstmals nach acht Jahren wieder beim Musikfest Berlin gastieren. Kurzfristig wurde noch ein Auftritt des Odessa Philharmonic Orchestra in das Festivalprogramm aufgenommen. Das Konzert am 6. September ist das einzige Gastspiel des ukrainischen Orchesters und seines Chefdirigenten Hobart Earle in Deutschland.

Es war ein regelrechtes Heimspiel, das Konzert des Odessa Philharmonic Orchestra, denn gefühlt weit mehr als die Hälfte des Publikums sprach ukrainisch. Begonnen hat der Abend mit ukrainischen Komponisten und Sibelius mit der Landeshymne, geendet mit der Ouvertüre aus Taras Bulba. Foto: © Fabian Schellhorn

Hier geht es zum Programm des Berliner Musikfests 2022
In der Mediathek finden Sie Konzertmitschnitte und Interviews. 

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