Magie der Jade

Die Ausstellung «Für immer Jade» ist eine Liebeserklärung an die chinesische Jadekunst. Das Zürcher Museum Rietberg zeigt rund 130 Jademiniaturen aus der Sammlung, begleitet von 30 grossformatigen Aufnahmen des Zürcher Fotografen Felix Streuli.

Kein anderes Material wurde in China so geliebt wie Jade. Im Licht sanft durchscheinend und matt glänzend liegt es schmeichelnd in der Hand und ist doch härter als Stahl. Seit Jahrtausenden werden kunstvolle kleine Skulpturen aus Jade hergestellt.

Spinne und zwei Libellen, Qing-Dynastie, Qianlong-Periode (1736-1795), Grösse: 2,2 x 3,9 x 2,6 cm.

Die Raffinesse und Schönheit der Jademiniaturen lassen sich in den gut beleuchteten Museumsvitrinen auch von der Unterseite her bewundern. Dabei unterstützen die Fotografien von Felix Streuli die Lesbarkeit, winzige Details werden sichtbar. Auch diese Aufnahmen sind Kunstwerke und bilden mit den Figuren ein harmonisches Ensemble.

Zikade mit eingravierten Schriftzeichen, Qing-Dynastie (1644-1911). Das Gedicht wird erst durch die gut beleuchtete Aufnahme von Felix Streuli deutlich sichtbar.

Jade wird in China seit mindestens 8000 Jahren verwendet und hochgeschätzt. Während Jade auf Chinesisch Yu heisst, geht der Begriff im Westen auf das spanische piedra de ijada (etwa Lenden- bzw. Nierenstein) zurück. Die Spanier hatten den Stein in Mittelamerika bei den Ureinwohnern kennengelernt, die ihn zu Heilsteinen und Amuletten gegen Nierenleiden verarbeiteten. Im 17. Jahrhundert bildete sich das Wort im Französischen zu le jade um. Jade ist die Bezeichnung für verschiedene Mineralien, vor allem für Nephrit und Jadeit.

Runde Scheiben mit einem Loch in der Mitte waren Grabbeigaben in der Liangzhu-Kultur (ca. 3300-2200 v. Chr.). Foto: rv

Jade kommt in subtilen Farbnuancen von milchig weiss über rosa und grün bis zu fast schwarz vor. Sie lässt sich wegen ihrer Härte und Zähigkeit nur durch Schleifen mit Quarzsand in Form bringen und offenbart erst nach tagelangem Polieren ihren weichen Glanz. Dem rohen Kiesel im Fluss sieht man von aussen nicht an, ob es sich um Jade handelt, was viele Mythen und Geschichten hervorbrachte. Erst im 16. Jahrhundert baute man Jade auch in Bergwerken in oft über 3000 Metern Höhe ab, schreibt die Kuratorin Alexandra von Przychowski in ihrem Katalogbeitrag.

Zierplatte mit Phönix-Paar, Tang-Dynastie (618-907). Foto: rv

Jadeobjekte waren in China Herrschaftssymbole. Mehrteilige Gehänge aus Jade, die am Gürtel befestigt wurden, gehörten zur Hoftracht und dienten Herrschern und hohen Beamten als Rangabzeichen. Ebenso gab es Tafeln oder Zepter aus Jade, oder man überreichte Jadeembleme als Tributgeschenke.

Das Streben nach Unsterblichkeit und langem Leben hat in China grosse Bedeutung. Um das Leben zu verlängern, mischte man Jadepulver in Arzneimittel; der Han-Kaiser Wu (156-87 v.Chr.) soll jeden Morgen Jadeflocken in frischem Tau getrunken haben. Alte chinesische Texte erwähnen, dass den Toten ein besonders geformtes Stück Jade in den Mund gelegt wurde. Bei Ausgrabungen fand man Figuren von Zikaden in Gräbern, ein Symbol für Wiedergeburt und Unsterblichkeit. Ab dem 2. Jahrhundert nahmen Jaden als Grabbeigaben rapide ab, dafür wurden sie zunehmend Sammel- und Liebhaberobjekte.

Liegendes Pferd, Ming-Dynastie (1368-1644).

Im 10. Jahrhundert fand eine Rückbesinnung auf das Altertum statt. Die Kaiser liessen die alten Riten anhand der überlieferten Quellen rekonstruieren. Zugleich studierten und sammelten Mitglieder der gelehrten Oberschicht antike Zeugnisse, besonders auch Jadeobjekte. Jadeschleifer nahmen die grosse Nachfrage wahr und stellten Stücke im alten Stil her. Zusätzlich entstanden neue Arten, etwa Speise- und Trinkgefässe, die bis anhin nur im Ritual verwendet wurden.

Buddhas-Hand-Zitrusfrucht. Qing-Dynastie (1611-1911).

Wohlhabende Kaufleute stiegen im 16. Jahrhundert zur kulturellen Elite auf und demonstrierten dies durch Sammeln von Kunst und Antiquitäten. So wuchs die Nachfrage nach Jadeobjekten weiter. Unter Kaiser Qianlong (reg. 1736-1795) erreichte das Handwerk Mitte des 18. Jahrhunderts seinen Höhepunkt. Qianlong war der grösste Kunstsammler aller Zeiten und unterhielt zahlreiche Werkstätten an seinem Hof.

Zwei Dachse, Qing-Dynastie, Qianlong-Periode (1736-1795). Die Symbolik der zwei Dachse, die sich an Schnauze und Pfoten berühren, steht für eheliches Glück.

Das Grundmaterial lag im kaiserlichen Herrschaftsgebiet und wurde unter staatlicher Kontrolle abgebaut. Während der Niedrigwasserperiode durchsuchten über 2000 Arbeiter systematisch die Flussbetten und gewannen an die  fünf Tonnen bester Jadekiesel, ebenso wurde die Technik des Bergbaus verbessert. 1778 legten die Minenarbeiter einen riesigen Brocken grünlicher Jade von bester Qualität frei. Der Transport des sechs Tonnen schweren und fast zweieinhalb Meter hohen Steins nahm drei Jahre in Anspruch. Der Kaiser liess daraus eine monumentale Landschaftsszenerie fertigen, an der sechs Jadeschleifer über sieben Jahre lang arbeiteten.

Vogel mit Bambus und Litschi, Qing-Dynastie, 18. oder 19. Jahrhundert. Diese Darstellung symbolisiert den Wunsch auf eine grosse Nachkommenschaft an talentierten Söhnen.

Das Geschäft mit der Jade florierte auch während des Niedergangs des Kaiserhauses im 19. Jahrhundert. Neben Beamten und Kaufleuten sammelte die breite Bevölkerung Jadeobjekte zum Zeitvertreib. Beliebt waren filigran gearbeitete, naturalistische Darstellungen von Tieren und Pflanzen, die auch als Glücksbringer galten. Ausländische Reisende und in China ansässige Europäer kamen hinzu und erstmals wurden Jadeobjekte auch nach Europa und Amerika exportiert.

Für die Sammler scheint das Prestige  einer beeindruckenden Sammlung an Antiquitäten mehr Bedeutung gehabt zu haben als die Echtheit der Stücke, meint die Kuratorin Alexandra von Przychowski. Die Nachahmung alter Jadestücke hatte ja Tradition, die Jadeschleifer wussten wie sie das Material bearbeiten mussten, damit es antik aussah. So wurden auch qualitätvolle Imitationen als echte Kunstwerke angesehen.

In China florieren Jadewerkstätten bis heute. Bis in die 1930er Jahre haben sich die Bearbeitungsmethoden kaum geändert. Elektrisch betriebene Diamantschleifwerkzeuge setzten sich erst mit der Verteuerung der Arbeitskraft durch. Das Sammeln von Jadeobjekten in und ausserhalb Chinas ist eine grosse Leidenschaft geblieben.

Bilder: alle Fotografien © Felix Streuli, ausser rv

Bis 22. Januar 2023
«Für immer Jade – Chinesische Jademiniaturen aus vier Jahrtausenden» im Museum Rietberg Zürich
Ausstellungskatalog, Hrsg. Alexandra von Przychowski / Fotos Felix Streuli, Zürich 2022, CHF 39.00

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