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Vom Pakt mit dem Teufel

Auf der grossen Bühne des altehrwürdigen Berner Stadttheaters treibt die «Schwarze Spinne» von Jeremias Gotthelf ihr Unwesen. Regisseur Armin Petras zeigt die Folgen von Rücksichtslosigkeit, Übermut, Verschwendung und Reichtum. Parallelen zur Gegenwart sind unübersehbar.

Es ist Taufe im Emmental. Man isst und trinkt, prasst und spasst, bis der Taufgesellschaft ein altes Holz am neuen Haus auffällt. Grossvater erzählt, dass vor vielen hundert Jahren ein fremder Ritter die Bauern quälte, indem er von ihnen einen «Schattengang» aus 100 Bäumen verlangte. Da die Untertanen unfähig waren, die Forderung zu erfüllen, bot ihnen der Teufel einen Handel an: Für die vom Ritter verlangten 100 Buchen im Schlosshof fordert er ein ungetauftes Kind. Die Bauersfrau Christine, eine Aussenseiterin, wagte als einzige den Pakt. Als Zeichen des Einverständnisses küsste der Teufel die Frau, und bald quoll schwarzes Blut aus ihrem Mund.

Vom Teufel geküsst: Aussenseiterin Christine (rechts).

Zu Tode erschrocken griffen die Bauern zu einer List und tauften das erste Kind sofort nach der Geburt. Dank dem Sakrament blieb der Teufel vorerst machtlos, liess aber nicht locker und wiederholte seine Forderung. Was folgte, lässt das Publikum erschaudern: Als das Dorf dem Satan den «Lohn» weiterhin verweigert, wuchs eine gierige Spinne heran, entwickelt sich zu einem Monster, vermehrte sich tausendfach und brachte Tod und Verderben über Mensch und Vieh. Erst als das Tier gefangen und zurück ins Holzloch gesteckt werden konnte, kehrte Ruhe ein. Doch die Pest führte zu einer massiven Dezimierung der Bevölkerung.

Armin Petras, bislang als Intendant und Regisseur am Maxim Gorki Theater Berlin, am Schauspiel Stuttgart, Theater Bremen, am Deutschen Theater Berlin und am Schauspiel Köln bekannt, hat den Schweizer Horror-Klassiker aus Gotthelfs «Bauernspiegel» mit grossem Ensemble auf der Bühne des Stadttheaters inszeniert. Das Bühnenbild von Natascha von Steiger, eine grosse Drehbühne, umgeben von einem überdimensionierten Lattenzaun, überzeugt. Die von Cinzia Fossati geschaffenen Kostüme wirken ebenso gruselig wie authenisch für die damalige Zeit. Die Musik von Jörg Kleemann untermalt die wilde Szenerie vortrefflich.

Die Spinne auf den Schultern von Ritter Hans von Stoffeln.

Aus der Schar der Spielenden ragt – einmal mehr – Claudius Körber hervor, der in einer Doppelrolle als eigenwillige Grossmutter und als drahtige Spinne auftritt. Akrobatisch klettert er (durch ein Seil gesichert) den Lattenzaun herunter und verspritzt später, auf der Balustrade des ersten Rangs sitzend, sein Gift ins Publikum. Körbers Darstellung der Spinne treibt den Zuschauenden den Schweiss auf die Stirn. Und weckt Assoziationen an das Böse, den Tod, an die Pest, Corona und Krebs, an Krieg und Terror.

Explizit ausgesprochen wird nur der Ukraine-Krieg, doch in den Köpfen machen sich weitere Analogien breit. Das Böse ist überall. Pakte mit dem Teufel werden überall geschlossen. Unsere Welt wurde und wird wegen Feigheit oder fehlender Zivilcourage der Menschen immer wieder ins Elend gestürzt. Der Preis ist hoch. Und gehandelt wird immer erst, wenn es zu spät ist.

Ausgelassene Feier, sogar als die Pest die Gemeinschaft überzieht.

Der Pastor Jeremias Gotthelf stellt mit seiner berühmten Sagen-Erzählung aus dem Jahr 1842 Fragen von Schuld und Verantwortung, Mut und Übermut, Individuum und Gemeinschaft. Das Ensemble setzt die Stimmungen und Themen temporeich um. Ausgelassen feiert die Taufgesellschaft, panisch reagieren die Dorfbewohner auf die Forderungen des Satans, feige lassen sie die Frau im Stich, die den Pakt mit dem Teufel gewagt hat und als einzige den Kampf mit dem Satan aufnimmt.

Spannend an der Berner Aufführung ist die Sprache. Weite Passagen des Textes werden im Chor vorgetragen. In den Dialogen wechseln die Spielenden gekonnt vom Gotthelf-Deutsch ins Hochdeutsche, um am Anfang und am Schluss – während der Rahmenhandlung – auch das Berndeutsche des 21. Jahrhunderts zu nutzen.

Tod und Verderben ergreifen Mensch und Vieh.

Die soziale Dynamik der Dorfbevölkerung kommt in der Inszenierung ausdrucksstark zur Geltung. Gegenseitige Schuldzuweisungen, schnell vergessene Kollektivschuld und das Schicksal von Aussenseitern, die von der Gemeinschaft leichtfertig zu Sündenböcken gemacht werden, machen Gotthelfs «Schwarze Spinne» auch heute noch zu einem aktuellen Stoff. Die Aufführung im Berner Stadttheater verdeutlicht dies auf eindrucksvolle Art.

Weitere Vorstellungen bis 14. März 2023

Bühnen Bern

Titelbild: Das Berner Ensemble (v.l.n.r.) mit Stéphane Maeder, Claudius Körber, Vanessa Bärtsch, Linus Schütz, Jan Maak, Yohanna Schwertfeger, Hanna Antonia Füger, Kilian Land, Tim Knieps, Jeanne Devos und Jonathan Loosli. Alle Fotos: Florian Spring

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