Heimat Emmental

In einem Büchlein mit poetischen Geschichten und Gedichten erinnert sich der Berner Musiker, Poet und Liedermacher Tinu Heiniger an seine Jugend im Emmental.

Wir tauchen in dem Band «Mein Emmental» ein in die Geschichten Tinu Heinigers (76), dringen zu seinen Langnauer Wurzeln vor und lassen uns vom Klang seiner Sprache entführen, die geprägt ist von einem markigen Dialekt. Heimatgefühle sind bei Heiniger eng mit der Sprache verbunden. Seit Jahren im Kanton Aargau lebend, nimmt er seinen Dialekt sofort an, wenn er Verwandte und Freunde in Langnau besucht. Nicht nur die Gedichte, auch die Geschichten sind in einem bedächtigen Rhythmus geschrieben. Die Sprache ist farbig, bodenständig, direkt und einfach.

Geschichten aus dem Leben, aus dem Dorf

Postkarte des «schönsten Dorfs im Emmental».

«Die Melodie hie, das Lied hesch gsunge, mit dyre fyne u dünne Stimm, u mir drei Giele hei när mitgsunge, derzue hesch glismet, läbsch längschte nümm», lautet die erste Strophe eines Gedichts an seine verstorbene Grossmutter. Es sind starke, gewaltige und ehrliche Texte, fernab vom «bluemete Trögli». «Ein Geschichtenerzähler ist er, einer, der Stimmungen transportieren, Situationen und Gefühle heraufbeschwören kann, dass es einen beim Zuhören erhudlet», sagt der Kabarettist Bänz Friedli über Tinu Heiniger.

Doch es geht dem Liedermacher nicht nur um die Sprache. «Tinu Heiniger ist auch ein hervorragender Erzähler. Man hängt ihm an den Lippen, wenn er nach Konzerten, auf langen Autofahrten oder am Telefon Geschichten erzählt, Geschichten aus seinem Leben oder Geschichten aus dem Leben anderer. Sein Fundus scheint unendlich und man hört ihm immer gerne zu, weil er einen einmaligen Erzähl-Rhythmus hat», findet Pedro Lenz.

Von Vater und Mutter

«Ir Beiz hei mir gsoffe u gsunge u grölet, plagiert, hei üsi chlyni Wäut gfyret, u hei nüt vo der grosse gwüsst.»

Seinen Grossvater und seinen Vater beschreibt Heiniger als «Jähzornlinge», hat aber trotzdem mehrheitlich positive Erinnerungen an die beiden. Zum Beispiel an die Fahrt mit Vater Paul im Familienauto nach Basel: Paul war Möbelschreiner und Erfinder. An der Muba präsentierte er Interessierten seine neuste Maschine. Derweil fuhr Tinu mit dem Citroen kreuz und quer durch Basel, was offenbar auch Paul nicht verborgen blieb. Überrascht liess der Vater seinen Sohn am Abend auf der Heimfahrt den Citroën lenken. Denn Tinu konnte schon als 15-Jähriger Auto fahren.

Heinigers Mutter war eine fleissige Geschäftsfrau. Als Christin betete sie mit den Kindern und versuchte, diese christlich zu erziehen. So mussten die Buben auch in die Sonntagsschule. «Bei mir nützte es leider nicht so viel. Je frommer und braver ich hätte sein sollen, umso frecher und böser wurde ich», sinniert der Autor und ergänzt: Bei all den Aktivitäten «blieb wenig Platz für Christentum und Frommsein». Mit seiner Mutter ist Heiniger auch heute noch geistig verbunden, viele Jahre nach ihrem Tod. Von ihr träumt er regelmässig.

«Eine schöne, enge Welt»

«Du mis Dorf im Ämmitau, I weiss no gnau, wie d mau bisch gsy.»

Dass die Freiheit im ländlichen Langnau nicht unendlich idyllisch war, steht im Untertitel des neuen Büchleins geschrieben: «Geschichten aus der schönen, engen Welt von Gestern», lautet dieser. Frische Luft schnupperte der Poet, als er als Lehrling an die Lehrwerkstätte («Lädere») nach Bern fuhr. Bereits während der Zugfahrt, dann aber auch in der Bundesstadt entdeckte er eine andere, neue Welt. Ebenso in den Büchern, die er als Jugendlicher verschlang, und in der neuen Musik, die er hörte und kopierte. Herrlich die Geschichte von seinem ersten Auftritt mit Mani-Matter-Liedern im «Bären» Langnau, wo vor der Sektion Emmental des Alpenclubs an der Hauptversammlung singen durfte.

«Ich habe diesem Langnau, diesem Emmental und diesen Menschen hier unglaublich viel zu verdanken: Mein Leben war und ist dank ihnen reich an Sport und Musik und Sprache», schreibt Heiniger. In seiner Jugend spielte er Klarinette in der Kadettenmusik und stürmte als Rechtsaussen beim FC. Zuerst lernte er Möbelschreiner und unterrichtete dann als Lehrer. Heiniger brachte mit seiner Band den Jazz ins Emmental und machte sich schliesslich als Sänger mit seinen Liedern selbständig. «Mein Emmental» ist sein zweites Buch nach «Mueterland».

Nachbetrachtung von Sohn Michu

Nach all dem Nachdenken über Wurzeln und Heimat holt Sohn Michu Heiniger die Leserinnen und Leser der neuen Publikation auf den Boden der Realität zurück. Im letzten Kapitel schreibt Heinigers Sohn nüchtern, aber liebevoll: «Sein Emmental ist nicht mein Emmental». Und trotzdem sei ihm erst viel später bewusst geworden, wie viel sie gemeinsam hätten. «Wie mein Vater bin ich gerne mit den verschiedensten Menschen zusammen, geniesse die geselligen Momente, liebe Diskussionen über Gott und die Welt und lasse andere Meinungen gelten.» In den Gesprächen lernten sich die beiden immer wieder neu kennen und schätzen. «Wir streiten auch gerne und kennen unsere wunden Punkte. Ja, ich bin der Sohn von Tinu Heiniger, und ich bin auch sein Kritiker und Freund.»

Tinu Heiniger, Mein Emmental. Geschichten aus der schönen, engen Welt von Gestern. Mit einem Vorwort von Pedro Lenz. Zytglogge-Verlag, Basel, 2022. ISBN 978-3-7296-5105-0.

Zytglogge-Verlag

Titelfoto: Bauernhof am Fuss der Lüderenalp, in der Nähe von Langnau. Fotos zvg / PS

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1 Kommentar

  1. Danke für den guten Buchtipp! Jetzt weiss ich, was ich meinem lieben Schwiegersohn, der aus dem Emmental stammt, zu Weihnachten, das ja quasi schon vor der Tür steht, schenken kann.

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