Prognosen lassen darauf schliessen, dass die aktuelle AHV-Vorlage eine Kluft ins Wahlvolk gräbt. Es ist ein altbekanntes Muster: Eine Reform der Altersvorsorge, die anstatt zu vereinen und zu beruhigen, spaltet und polarisiert. Es stellt sich die Frage, ob die Zeit reif ist, über den Tellerrand des existierenden Systems zu blicken. Weg von ständigen Reformen, Anpassungen und Rettungen und hin zu Neuem, Unkonventionellem, ja vielleicht Extravagantem. Die Frage sei gestellt: Wäre das bedingungslose Grundeinkommen eine Lösung? Geführt von diesem Gedanken, ging ich auf die Suche und stiess auf die Masterarbeit von Jon Gashi, einem Jus-Doktoranden der Universität Bern und ehemaligem Hochschulpraktikant der Parlamentsdienste. Es handelt sich dabei um ein überzeugendes Plädoyer für das bedingungslose Grundeinkommen. Elemente, die für ein bedingungsloses Grundeinkommen sprechen, fliessen in die vorliegende Kolumne ein.
Es steht ausser Zweifel: Eine fortschreitende Globalisierung und Automatisierung stellen uns als Gesellschaft vor neue Herausforderungen, die es global zu bewältigen gilt. Der Abbau und die Verlagerung von Stellen, prekäre Arbeitsverhältnisse und fehlendes oder zu geringes Einkommen sind nur einige davon. Die wohlfahrstaatlichen Schutzmechanismen, die diese strukturellen Nebenwirkungen des freien Marktsystems eindämmen sollen, stossen zunehmend auf Unzufriedenheit und Reformbedarf. Es ist sogar von einer Krise des Wohlfahrtsstaats die Rede. Nun scheint man als Schweizerin und Schweizer vor diesen extremen Folgen der Weltwirtschaft verschont zu sein. Doch auch in der Schweiz stossen wir mit unseren Versicherungssystemen an Grenzen, wie der aktuellste AHV-Rettungsversuch beweist. Mehr denn je scheint die Zeit reif zu sein für neue und tiefgreifende Lösungen: bedingungsloses Grundeinkommen mit dem Basisgedanken «Leben in Würde», dies in allen Altersstufen.
Seit eh und je wurden Konzepte zur Idee eines bindungslosen Grundeinkommens entwickelt. Die Schweiz ist das erste Land, das schon im Jahre 2016 über ein bedingungsloses Grundeinkommen abgestimmt hat. Schweizweit haben damals lediglich 23.1% der Vorlage zugestimmt. Bereits die Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus dem Jahr 2016» formuliert folgendes: «Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen.»
Eine neue Volksinitiative
Die Eidgenössische Volksinitiative «Leben in Würde – für ein finanzierbares bedingungsloses Grundeinkommen», deren Unterschriftensammlung derzeit läuft, fordert, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. Dieses soll ein menschenwürdiges Dasein in Familie und Gemeinschaft, die Teilnahme am öffentlichen Leben und den Einsatz für das Gemeinwohl ermöglichen. Das bedingungslose Grundeinkommen soll zur Erhaltung und Weiterentwicklung der Sozialversicherungen beitragen. Die Höhe und die Finanzierung regeln ein Gesetz. Durch eine Steuerreform sollen insbesondere die Finanzwirtschaft sowie Tech-Unternehmen angemessen besteuert und die Erwerbstätigen entlastet werden.
Seit über einem Jahr läuft die Unterschriftensammlung für die zweite eidgenössische Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Viel zu wenige Menschen wissen allerdings davon, die Medien berichten kaum darüber. Deshalb läuft die Unterschriftensammlung auch noch nicht so, wie sie sollte. Bis im Februar müssen noch rund 60‘000 Unterschriften gesammelt werden. Nur dann kann die Schweizer Bevölkerung ein zweites Mal über das bedingungslose Grundeinkommen debattieren und abstimmen. Es braucht jetzt einen gemeinsamen Kraftakt, damit das gelingt. Jeder, der das Thema wichtig findet, ist aufgerufen, zum Erfolg der Sammlung beizutragen und möglichst viele Unterschriften zu sammeln.
Die Initianten rund um den ehemaligen Bundesratssprecher Oswald Sigg haben die Volksinitiative «Leben in Würde – Für ein finanzierbares bedingungsloses Grundeinkommen» genannt. Das ist denn auch einer der Unterschiede zur ersten Initiative, die 2016 abgelehnt worden war: Es ist klar, wie die Finanzierung funktioniert. Es sollen alle Bereiche der Wirtschaft solidarisch beitragen, insbesondere die Technologiekonzerne und Finanzinstitute, beispielsweise durch eine Finanztransaktionssteuer. Ein zweiter Unterschied: Die Sozialwerke sollen durch das bedingungslose Grundeinkommen explizit weiterentwickelt und dürfen nicht etwa abgeschafft werden.
Die Initianten sind überzeugt, dass wir gerade in der heutigen Zeit mehr denn je über das Thema debattieren müssen: «Das Grundeinkommen würde genau die gesellschaftliche Superkraft entfalten, die wir zur Bewältigung der vielfältigen Krisen brauchen», so Mit-Initiantin Elli von Planta mit Blick auf die Klimaproblematik. Die ehemalige UBS-Bankerin setzt sich zudem insbesondere dafür ein, dass die unbezahlte Arbeit, die immer noch zur Mehrheit von Frauen erbracht wird, endlich wertgeschätzt wird. Das bedingungslose Grundeinkommen würde dies ermöglichen, ist sie überzeugt. Zudem könnte das bedingungslose Grundeinkommen auch im Alter vor Armut schützen, ein wichtiger Punkt in Zeiten der steigenden Energiepreise und erhöhter Inflation.
Grundeinkommen gibt allen Menschen eine materielle Grundlage
Ein regelmässiges Einkommen auf existenzsichernder Höhe gibt dem Menschen eine materielle Grundlage. So erhält er vom Staat nicht nur die Freiheit, am Markt teilnehmen zu können, um sich so Haus und Brot zu erarbeiten, sondern erhält zudem die Mittel, diese Freiheit sinn- und würdevoll zur Geltung zu bringen. Dieser Akt hat nebst der offensichtlichen ökonomischen Besserstellung auch eine immense symbolische Bedeutung: Der Mensch wird nicht mehr dem biblischen Leitsatz «Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen» unterworfen. Wer Teil der Gemeinschaft ist, besitzt durch seine schiere Existenz ein Anrecht auf ein würdevolles Leben; einfach, weil er Mensch ist.
Des Weiteren stellt das bedingungslose Grundeinkommen ein effizientes Mittel im Kampf gegen Armut dar. Aufgrund der Bedingungslosigkeit erreicht es alle armutsbetroffenen Menschen, auch diejenigen, die den Gang aufs Sozialamt aufgrund von Stigmatisierungsfurcht scheuen. Der Sozialstaat wirkt insofern stigmatisierend, da er Sozialhilfebeziehende als Arbeitslose oder Bedürftige etikettiert und zu bevormundeten Objekten macht. Die Gesellschaft wird in eine obere Klasse der Helfenden und Fleissigen und eine untere Klasse der Armen und Faulen gespalten. Überdies kann es vor allem in leistungs- und erfolgsorientierten Gesellschaften besonders erniedrigend sein, sich als «Bedürftige» vorstellen zu müssen.
Zu den Sozialleistungen verhält sich ein bedingungsloses Grundeinkommen wie folgt: Wenn jeder das bedingungslose Grundeinkommen erhält, müsste dieser Betrag in anderen Sozialleistungen nicht mehr enthalten sein. Wenn jemand beispielsweise Anspruch auf eine monatliche IV-Rente von 6000 Franken hat, erhält diese Person bei einem Grundeinkommen in Höhe von 2500 Franken noch 3500 Franken IV-Rente. Die AHV würde ganz vom bedingungslosen Grundeinkommen gedeckt sein.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde überdies den Arbeitsbegriff neu definieren. Es würde die Arbeit von der Voraussetzung des Einkommens lösen und alle Arbeitsformen sozial wie auch finanziell anerkennen. Das würde dem gesellschaftlichen Ausschluss von Menschen, die lediglich ehrenamtliche oder Familien- und Erziehungsarbeit verrichten, entgegenwirken und ihre Arbeit als solche wertschätzen.
Ein bedingungsloses Einkommen generiert enorm viele Sozialschmarotzer. Davon haben wir heute schon genug.
Woher wissen Sie Herr Vogt-Wingqvist, dass es so enorm viele Sozialschmarotzer gibt? Haben Sie Kontakte mit diesen Menschen und kennen Sie ihre Geschichten? Man sollte nicht einfach etwa behaupten und es nicht begründen und belegen können.
Ob Schmarotzer oder nicht – der Mensch (andere Behauptung) WILL arbeiten! All die Versuche mit Reduktion der Arbeitszeit auf 32Std, Teilzeit oder selbst die Versuche mit dem Grundlosen Einkommen zeigten, dass dies NICHT die Lösungen sind. Jeder/Jede soll arbeiten und für diese Arbeit anständig entlöhnt werden!
Dass sich dies unsere ver-akademisierten Politiker (Gebär- – Hör-, Plenarsaal) schwer vorstellen können, liegt am System, dass diese Entscheider mehrheitlich «vom Staat gesponsort» wurden und werden.
Ja, wo denn? Etwa in der Rente, wie Sie? Sollten die Menschen noch über 65 Jahre arbeiten müssen, denn ich habe schon des Öfteren gehört, dass uns ältere Menschen nur auf der Tasche liegen.
Wenn Sie jetzt einfach abstrahieren, von Ihrer eigenen Situation, wo Sie bereits ein BGE bekommen (AHV), dann sollte es für Sie klar sein, dass das für die GANZE Bevölkerung sinnvoll ist.
«Sozialschmarotzer» hat jede Gesellschaft. Meist befinden sie sich allerdings ganz zuoberst in der Pyramide. Wie dem auch sei: Die Frage ist: Wollen wir unsere Gesellschaft wegen diesen Schmarotzern an Freiheiten berauben? Oder sind wir grosszügig, ignorieren die Trittbrettfahrer, und gestehen uns gegenseitig die existenzielle Sicherheit und damit einhergehende Freiheit zu? Damit würden wir die grundlegende Basis für die notwendige technische und soziale Innovation schaffen, die wir angesichts der drohenden Krisen, unbedingt erringen müssen.
Für mich ist klar: Wir müssen es mindestens diskutieren und deshalb muss die Sammlung Erfolg haben. Hier kann man unterschreiben: https://www.grundeinkommenschweiz.ch/unterschreiben/
Bitte nicht nur unterschreiben, sondern auch UNTERSCHRIFTEN SAMMELN! Die Schweiz ist weltweit das einzige Land, in welchem die Bürgerinnen und Bürger die Chance haben, das bedingungslose Grundeinkommen – diese soziale Utopie – zur Abstimmung zu bringen. Allein schon wenn das gelingt, haben wir alle das primäre Ziel erreicht: die Diskussion und die Entscheidung über die Zukunft unseres Sozialstaates.
Nach meiner Wahrnehmung ist die Thematik um ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Bevölkerung noch nicht präsent und eine erneute Abstimmung zum jetzigen Zeitpunkt halte ich für zu früh gewählt, obwohl ich sie befürworte. Meines Erachtens ist die Vorstellung einer derart einschneidenden Veränderung im Leben für die meisten eine Überforderung, ist sie doch diametral unserer Lebens- und Arbeitshaltung, die wir seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges anstreben.
Unsere Welt ändert sich in diesem Jahrhundert gewaltig und die Menschen werden, ob sie wollen oder nicht, sich für neue Themen öffnen müssen. Ich werde die praktische Umsetzung Ihres politischen Vorstosses wohl nicht mehr erleben. Für die neuen Generationen habe ich jedoch die Hoffnung, dass Demokratie auch ohne eine 40 Stunden Arbeitswoche und Extremkapitalismus möglich ist.
Zur Bezahlung des Grundeinkommens sollen dann alle anderen Sozialleistungen, incl. Renten abgeschafft werden, bzw. Steuern erhöht werden. Linke Tasche rein, rechte Tasche raus.
Bezieher des Grundeinkommens die in einer teueren Großstadt leben, erhalten dann den gleichen Geldbetrag, wie Einwohner vom Land.
Viel Spaß! Gerechte Verteilung sieht aus meiner Sicht anders aus.
Ich brauche das Grundeinkomnen nicht, deswegen werde ich es wie den «Josefspfennig»
an den Börsen dieser Welt anlegen.
Nach Einsteins 8. Weltwunder dem Zinsezinseffekt wird es sich exponentiell vermehren.