StartseiteMagazinKulturAsyl für Kunst aus der Ukraine

Asyl für Kunst aus der Ukraine

Gegenwärtig ist im Kunstmuseum Basel eine besondere Ausstellung zu sehen: «Born in Ukraine. Die Kyjiwer Gemäldegalerie zu Gast». Sie überrascht mit herausragenden Kunstwerken aus den letzten drei Jahrhunderten.

Das Kunstmuseum Basel präsentiert in der Ausstellung Born in Ukraine Werke von 31 ukrainischen Künstlerinnen und Künstlern aus der Kyjiwer Gemäldegalerie, Teil des nationalen ukrainischen Kunstmuseums. Die 49 Gemälde aus dem 18. bis 20. Jahrhundert erhalten zusammen mit anderen Werken aus Kyjiw ein temporäres Zuhause in der Schweiz.

Im Frühling 2022 hatten sich Vertreterinnen und Vertreter der Kyjiwer Gemäldegalerie an das Kunstmuseum Basel gewandt. Da sie vor Ort nicht über hinreichende Schutzräume für die Werke ihrer Sammlung verfügen, waren sie auf der Suche nach Museen im Ausland, die Teile der hochkarätigen Sammlung für eine befristete Zeit aufnehmen würden. Dabei äusserten sie den Wunsch, die Werke nicht einfach nur in Sicherheit zu bringen, sondern diese auch auszustellen.

Ausstellungsansicht. Bild ganz links: Wolodymir Borowykowskyj, Bildnis eines jungen Mannes im purpurnen Mantel (um 1790) Foto: Julian Salinas

Wir erhalten Einblick auf das Erbe einer europäischen Kultur, von der wohl bisher nur wenige Kunstinteressierte Kenntnis hatten. Zunächst fällt die hohe Qualität der Gemälde auf. Sie zeugen alle von der Kunst der ukrainischen Malerinnen und Maler, sowohl in gestalterischer als auch in handwerklicher Hinsicht, was sich im Internetformat nur ungenügend wiedergeben lässt. Ein Beispiel: Wer die Ausstellungsräume betritt und dort das feine Portrait betrachtet, das der bei uns unbekannte Wolodymyr Borowykowsky (1757-1825) in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts geschaffen hat, erkennt das Zeitalter der Empfindsamkeit in vollendeter Form.

Eine der seltenen Frauen in der Schau: Sinaida Serebrjakowa (1884–1967), Selbstportrait; entstanden 1923-1924

Das Nationalmuseum Kyjiwer Gemäldegalerie zählt zu den bekanntesten Kunstmuseen der Ukraine. Das 1922 gegründete, inzwischen teilweise von Russen zerstörte Museum befindet sich in einem architektonischen Denkmal aus dem 19. Jahrhundert, das dem ukrainischen Geschäftsmann und Kunstmäzen Fedir Tereschtchenko gehörte. Die Kunstwerke aus dessen Familiensammlung sowie aus anderen ukrainischen Privatsammlungen bildeten den Grundstock der Sammlung. Das Museum besitzt monografische Sammlungen von zahlreichen Künstlern, von denen fast nur Illja Repin (1844-1930) in Mitteleuropa bekannt ist. Insgesamt bewahrt das Kyjiwer Nationalmuseum mehr als 14’000 Exponate auf, die ein breites Spektrum abdecken, von einzigartigen Ikonen aus dem 13. Jahrhundert bis zu Meisterwerken des 20. und 21. Jahrhunderts.

Zu den Künstlern und Künstlerinnen in Born in Ukraine gehören neben Illja Repin und Wolodymyr Borowykowsky noch weitere Kunstschaffende, die alle auf ukrainischem Gebiet geboren wurden, dann aber nach Russland zogen und als kulturelle Exponenten vom russischen Reich und später von der Sowjetunion vereinnahmt wurden. Einige von ihnen liessen sich später in Westeuropa oder den USA nieder. Neben diesen gebürtigen Ukrainerinnen und Ukrainern sind in Born in Ukraine ausserdem Künstlerinnen und Künstlern mit jüdischen, polnischen, armenischen oder griechischen Wurzeln vertreten, deren Schaffen von mehreren nationalen Traditionen geprägt wurde.

Viktor Poljako, Foto der Kyjiwer Nationalgalerie 2019 / commons.wikimedia.org

Das Projekt Born in Ukraine trägt der besonderen Geschichte der Kyjiwer Gemäldegalerie Rechnung, die früher, als die Ukraine Teil der Sowjetunion war, als Kyjiwer Museum für Russische Kunst bekannt war. Seit 2014 hat das Museum eine kritische Erforschung der eigenen Sammlung begonnen, wodurch das russische Klischee einer vermeintlich homogenen russischen Kunst hinterfragt und korrigiert werden soll. Dieses Vorhaben hat 2022 durch den russischen Angriff auf die Ukraine eine neue, existenzielle Aktualität erhalten.

Illja Repin, Kopf eines Bauern, entstanden zwischen 1870 und 1880

Die Direktorin des Museums der Ukrainischen Diaspora Oksana Pidsucha erklärt dazu: «Denken Sie nur an die Russische Avantgarde, die eine Reihe von Vertretern der ukrainischen Avantgarde-Bewegung aufgenommen hat. Dazu gehört unter anderen Kasimir Malewitsch, ein ukrainischer Künstler polnischer Herkunft. Er wurde in Kyjiw geboren und bezeichnete sich selbst als Ukrainer.»

In diesem Zusammenhang ist – gerade für Westeuropäerinnen und -europäer – Illja Repin von besonderer Bedeutung, denn er wurde über die Grenzen hinaus bekannt. «In Russland gilt er als ausschliesslich russischer Künstler, er war jedoch ein ethnischer Ukrainer», betont Oksana Pidsucha, «sein Leben und sein Werk sind untrennbar mit seinem Heimatland verbunden. Er gestaltete die Geschichte seines Landes, seine Natur, seine Menschen mit seinen künstlerischen Mitteln. Deswegen gehört sein Erbe in erster Linie zur ukrainischen Kultur.»

Illja Repin; Ukrainisches Bauernhaus (1880)

Es löst Betroffenheit aus, zu erfahren, was die ukrainische Kunsthistorikerin darlegt: Repin lebte zu einer Zeit, als Russland die ukrainische Sprache verboten hatte, und Menschen aus der Ukraine keine Möglichkeit besassen, eine Kunstausbildung in ihrer Heimat zu absolvieren. Die ukrainischen Bestrebungen, ihre eigene Kultur und Sprache zu pflegen, wurde im Zarenreich und später in der Sowjetunion systematisch unterdrückt. Dass die patriotische Elite der Ukraine unter Stalin rücksichtslos deportiert und vernichtet wurde, ist eine weitere erschütternde Tatsache. – Auch heute noch behauptet der russische Machthaber, dass es gar kein ukrainisches Volk gäbe. «Das ist kultureller Völkermord», sagt Oksana Pidsucha. Dem soll dieses Projekt zur Förderung der ukrainischen Kultur entgegenwirken.

«Born in Ukraine. Die Kyjiwer Gemäldegalerie zu Gast» im Kunstmuseum Basel | Hauptbau.
Bis 30. April 2023
Eine weitere Ausstellung findet zur gleichen Zeit im Musée Rath in Genf statt.

Alle Bilder (wenn nicht anders erwähnt): © The Kyiv National Art Gallery
Titelbild:
Kliment Redko, Kyivo-Pecherska Lavra (Höhlenkloster in Kiew), 1914; © The Kyiv National Art Gallery

Werke moderner und zeitgenössischer Kunst aus der Ukraine waren bis vor kurzem im Kunstzeughaus Rapperswil-Jona ausgestellt. Eva Caflisch hat darüber berichtet.

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