StartseiteMagazinKulturTell und Tuntschi im Landesmuseum

Tell und Tuntschi im Landesmuseum

Die Gipfel, Schluchten und Felswände der Berge ergeben zusammen mit den Wetterphänomenen das geeignete Biotop für mehr oder minder unheimliche Geschichten. Es sind die Sagen der alpenländischen Bevölkerung.

Fruchtbare Alpweiden verwandeln sich nach unbotmässigem Verhalten der Sennen in Steinwüsten, ein Hirte mit Armbrust befreit ein unterjochtes Volk von der Obrigkeit, und immer wieder tauchen Teufel und Hexen auf, auch dämonische Gestalten, die den Tod ankündigen. Die Ausstellung im Landesmuseum versucht, die alpine Sagenwelt einzuordnen, zeigt eine Sammlung schriftlicher Quellen und trägt zur Enttäuschung all jener bei, die felsenfest an Wilhelm Tell als Urschweizer Bewohner glauben.

Entdeckt und erworben hat diese unheimliche Ersatzfrau für die Alphütte der Volkskundler Peter Egloff im Calancatal. Als Leihgabe des Rätischen Museums ist das einzige real existierende Sennentuntschi demnächst im Landesmuseum zu Gast. © Rätisches Museum Chur.

Tell war zunächst ein Däne, sagt die Forschung. Der Befreiungsmythos ist vor der ersten Erwähnung des Thäll im Weissen Buch von Sarnen 1472 aus der Gesta Danorum in die Urschweiz ausgewandert:

Apfelschuss-Szene in der Etterlin-Chronik von 1507. Holzschnitt von Daniel Schwegler

Um 1200 wird in diesen Dänischen Heldentaten von dem Meisterschützen Toko berichtet, der auf Befehl des Königs einen Apfel vom Kopf seines Sohns schiesst und sich heimlich einen zweiten Pfeil eingesteckt hat. Aegidius Tschudi datiert den Apfelschuss in seiner Chronik von 1550 präzis auf den 19. November 1307. So wundert es niemanden, dass auch «echte» Objekte von Wilhelm Tell in Museen und Sammlungen gelangten. Schon 1512 also lange vor Schillers Dichtung kam es zu ersten Tellspielen.

In dieser Bauernstube gibt es ab Bildschirm eine Sage aus dem Film «Allerseelen» von Edwin Beeler 

Der Tellmythos zählt zu den historischen Sagen. Historische Sagen handeln von tatsächlichen oder vermeintlichen Gestalten der Geschichte. Dämonische Sagen berichten von übernatürlichen, unheimlichen Ereignissen, rücken Geister, Hexen und Drachen oder den Teufel – auch als schwarze Spinne – in den Mittelpunkt. Eine Sage wird stets mit einem realen Ort verknüpft – das Erzählte erhebt so Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Sennentuntschi, Teufelsbrücke, Blüemlisalp – der Schweizer Alpenraum ist reich an Sagen, die nur darauf warten, erzählt und weitergegeben zu werden.

Postkarte: Gruss von der Teufelsbrücke 1904

Anhand der ausgestellten Sammlungen weist Kuratorin Daniela Schwab darauf hin, dass  die Quellen der Sagen wichtig sind: Werden sie als seriös wahrgenommen steigt die Neigung, die Sage für wahr zu halten. Sie hat die Ausstellung, die im Forum Schwyz mit Schwerpunkt Zentralschweiz letztes Jahr gezeigt wurde um einen Schwerpunkt Bündner Sagen erweitert.

So kommt Der Bär aus dem Sumvitg zu Ehren: Ein Jäger erschiesst einen Bären, aber statt Blut tritt aus der Wunde Mehlbrei mit Kirschen. Die Totenglocke beginnt zu läuten, und der Jäger weiss, dass die übel beleumdete Frau, die gerade gestorben ist, als Hexe in den Bären gefahren war. Diese Sage ist mit rund 130 weiteren in der rätoromanischen Chrestomathie von Caspar Decurtins (1855-1916) enthalten. Eifriger Sammler, guter Erzähler und Dokumentarist von Bündner Sagen war auch der Aargauer Arnold Büchli.

Hans Jörg Leu: Sennentuntschi. Aus Langeweile und Übermut basteln Älpler eine Puppe. Sie füttern sie mit Käse und Rahm, spielen und schwatzen mit ihr – und missbrauchen sie. Zur Überraschung der Männer wird die Puppe plötzlich lebendig. Sie rächt sich an einem der Sennen, tötet ihn und spannt seine Haut auf das Dach. © Hans Jörg Leu, Baden

Die Ausstellung vermittelt mit Sound und Licht die richtige Stimmung fürs Sagen-Erzählen. Wer sich die Zeit nimmt, kann an Hörstationen mehrere Dutzend Schweizer Sagen anhören: Beispielsweise unter dem künstlichen Baum, der in der Mitte des einen Ausstellungsraums seht, oder auch in der Nähe des Spalts in der Wand, der symbolisch aus der Realität in die mythische Welt der Erdmannli und Ungeheuer führt.

Der symbolische Sagen-Stammbaum der wandernden Motive mit Sitzbänken und Hörstationen

Ein verspiegelter Raum mit vielen Kerzen ruft gleich das Bild des Märchens vom Gevatter Tod und seinem Patenkind, dem Arzt hervor: Der Tod weist ihn im Meer der Lichter auf ein gleich erlöschendes Flämmchen hin und sagt ihm, das sei sein Leben gewesen.

Blick in die Ausstellung mit Objekten für den Gegenzauber

Sagen finden ihren Platz auch in grosser Literatur – wer kennt Gotthelfs Die Schwarze Spinne nicht, oder hat sich mit Derborence von C.F. Ramuz befasst. Aber auch zeitgenössische Autoren verarbeiten Sagen, eins der jüngsten Beispiele ist wohl in Reto Hännys Sturz zu finden, wo der Autor die unheimlichen Erzählungen des Grossvaters zusammenfasst, die zum grossen Teil schon in den Metamorphosen von Ovid angelegt waren. Sagen wandern, des Erzählers Grossvater hat gewiss nie auch nur den Namen Ovid gehört.

Titelbild: Scherenschnitt mit Szene zur Wilhelm-Tell-Sage

Bis 23. April 2023
Informationen zum Besuch von «Sagen aus den Alpen» im Landesmuseum Zürich
Seniorweb hat mit anderen Schwerpunkten über die Ausstellung im Forum Schwyz berichtet.

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