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Betrachtungen aus luftiger Höhe

Die Berner Agglomerationsgemeinde Ostermundigen verhandelt seit Monaten mit der Bundesstadt über eine Fusion.  2019/20 hat der Architekturfotograf Dominique Uldry den Entwicklungs- und Grenzraum zwischen den Kommunen von einem Hochhaus aus fotografiert.

Ostermundigen ist bekannt für zwei hübsche Frauen: Ursula Andress und Michelle Hunziker sind beide in der Berner Vorortsgemeinde aufgewachsen. Der grüne Sandstein, mit dem die Berner Altstadt und das Münster erbaut wurden, stammt zum Teil aus den lokalen Steinbrüchen. In den vergangenen 100 Jahren hat sich der Ort von einem Bauerndorf zu einer modernen Einwanderungsgemeinde gewandelt. Der Streit um die Realisierung einer Tramlinie ist schweizweit bekannt geworden. Zwei auffällige Hochhäuser prägen heute das Ortsbild.

Gemeindepräsident Thomas Iten ist stolz auf seinen Wohnort: «Willkommen in Ostermundigen, für mich eine der schönsten und attraktivsten Gemeinden im Herzen Europas mitten in der Schweiz, in unmittelbarer Nähe der Bundeshauptstadt», schreibt er auf der offiziellen Webseite. Doch Ostermundigen ist mehr als eine «Agglo-Gemeinde». Das Grenz- und Schwellenland am östlichen Rand der Bundesstadt widerspiegelt die Vielfalt der Menschen, die hier arbeiten und wohnen, der Unternehmen, Verkehrslinien, Parks und Wälder. Die Gebäude, Strassenzüge, Landschaften erzählen Geschichten und stellen Fragen zur Zukunft der Stadt-Land-Entwicklung.

Das ehemalige PTT-Hochhaus wird derzeit umgebaut.

Ein Jahr lang hat der Berner Fotograf Dominique Uldry vom Dach des PTT-Hochhauses an der Ostermundigenstrasse 93 in alle vier Himmelsrichtungen fotografiert. Im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. 1 Minute und 40 Sekunden dauert die Fahrt mit dem Warenlift. Wenn man im 19. Stockwerk ankommt, stellen sich Fragen: Was sieht man von da oben? Was denkt man über die da unten? Was träumt man, ersinnt man, assoziiert man auf dieser Aussichtskanzel?

Zusammenwachsen, was zusammengehört

Das historische Zentrum der Bundesstadt ist weit entfernt. An ihren Rändern jedoch verändert sich die Stadt laufend. Dasselbe gilt für das nahe Ostermundigen. Am Fuss der Hochhäuser werden neue Strassen, Wohnblocks, Einkaufszentren und Erholungsmöglichkeiten gebaut. Zwei Gemeinden wachsen zusammen, die Grenze ist immer weniger erkennbar.

Uldrys Aufnahmen wurden bereits in einer Ausstellung gezeigt. Nun sind sie auch in einem Buch zu bewundern, das vom Trägerverein «Affspace für Architektur» herausgegeben wurde. Das Werkbuch «Oeuvre d`Artiste 2021» widmet sich dem «Rand von Ostermundigen», der durch eine Gemeindefusion verschwinden wird. Gemeinsam mit Sachkundigen aus Architektur, Fotografie, Landschaftsarchitektur und Literatur beschreiben und erträumen die beiden Herausgeberinnen Meret Arnold und Paula Sansano in dem Buch, wie Bern, Ostermundigen und die Menschen zusammenwachsen könnten.

Blick Richtung Norden im Winter.

Das Bild zeigt einen Teil des Industriequartiers, die Zentstrasse mit Wohn- und Gewerbehäusern. Hier bieten Fitnesszentren und ein Tanzstudio Kurse an. Links hat sich eine Altmetall-Firma breit gemacht. Am Horizont, im Nebel, stehen eine Druckerei und eine Autovertretung. Die winterliche Ambiance wirkt wenig einladend. In der Kälte wird gearbeitet, hart und lang.

Blick Richtung Osten im Frühling.

Man blickt auf den Kern Ostermundigens mit Wohnblocks aus den fünfziger Jahren, auf die Bernstrasse und eine Tankstelle, die sich seit einer gefühlten Ewigkeit hier befindet. Mitten durch das Bild zieht sich die Eisenbahnlinie Bern-Thun mit dem Bahnhof. Am Horizont erkennbar sind das Neubauquartier Rüti und der Ostermundiger Wald. Am Fuss des Hügels befinden sich die berühmten Sandsteinbrüche. Unten rechts die Abstellgeleise für Güterwagen und ein Wäldchen. Die frischen Frühlingsfarben verbreiten eine Stimmung von Hoffnung, Aufbruch, Natur.

Blick gegen Süden im Sommer.

Der grössere untere Teil des Fotos zeigt den Berner Schosshaldenfriedhof, auf dem der Maler Paul Klee und viele weitere Persönlichkeiten begraben sind. Dahinter das wellenförmige «Zentrum Paul Klee». Am Horizont erkennt man den Gurten. Am Fuss des Berner Hausbergs: Wabern, das Spiegel-Quartier, beides Ortsteile der Gemeinde Köniz. Ganz in der Ferne, links hinten, die Stockhornkette. Das Bild lädt zum Verweilen ein, zu einem Spaziergang durch die grünen Lungen Berns, zu einem Ausflug auf den Gurten oder ins Oberland. Die sommerlichen Farben sind kräftig, satt grün und assoziieren – trotz des Friedhofs – Leben.

Blick gegen Westen im Herbst.

Richtung Westen schaut man auf die Stadt Bern. Zwei Flachbauten, ein grüner und ein roter, entlang der Autobahn A6, bilden optisch eine Trennlinie. Der Münsterturm und Teile der Altstadt sind dahinter erkennbar. Am Horizont türmen sich die Hochhaussiedlungen der westlichen Vorortsquartiere: Inselspital, Schwabgut, Fellergut, Tscharnergut, Westside und Gäbelbach. Die goldenen Bäume des Friedhofs verkünden den Einzug des Herbstes.

Spannende Texte und Essays

Uldrys Quartier- und Landschaftsaufnahmen aus luftiger Höhe bilden den Kern des Werkbuchs. Nicht weniger attraktiv sind spannende Texte, Beschreibungen und kleine Essays der Architektin Paula Sansano und der Kunsthistorikerin Meret Arnold, die seit 2016 den «Offspace für Architektur» an der Münstergasse 4 in Bern betreiben, der nach dem unbehauenen Stein und der Zunft zum Affen «Affspace» heisst.

Die vier Kapitel tragen poetische Titel wie «Bern Ostbahnhof» oder «Höhenfeuer» und verbinden eine klare Sprache mit Überlegungen, die weit ins Utopische hineingleiten. Gedanken zu Stadtentwicklung, zur Landschaft und zu Berns Zukunft machen sich die Landschaftshistorikerin Anette Freytag, die Grafikdesignerin Ilia Vasella, die Landschaftsarchitektin Robin Winogrond, die Architektin Jeannette Beck, der Kunst- und Architekturhistoriker Philip Ursprung sowie der Filmemacher und Journalist Bernhard Giger.

Eine wertvolle Ergänzung sind die «Karten zum Rand», die Marcel Jäggi, Fiona Kuang und Ferdinand Pappenheim zusammengetragen haben, um den Grenzverlauf und die geografische Ineinanderverschachtelung von Bern und Ostermundigen zu veranschaulichen. Auch politisch wird sich das Grenzland weiterentwickeln: Die Fusion der beiden Gemeinden ist aufgegleist. Noch fehlt die Zustimmung der jeweiligen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.

Der Name des Fotografen Dominique Uldry ist in der Schweizer Kunstszene ein fester Begriff: Als Fotograf kennt man ihn nicht nur durch seine Kunstdokumentationen für bedeutende Ausstellungshäuser wie das Kunstmuseum Bern oder das Zentrum Paul Klee, sondern auch dank seiner herausragenden Architektur-, Stadt- und Naturfotografie. Dominique Uldry, geboren 1953 in Lausanne (CHE), lebt in Bern.

Titelbild: Das ehemalige PTT-Hochhaus, von wo der Fotograf Ostermundigen dokumentiert hat, steht mitten im Industriequartier. Alle Fotos Dominique Uldry.

«72 Meter über Bern», Eine Publikation von Meret Arnold und Paula Sansano mit Fotografien von Dominique Uldry, Edition Affspace, Bern 2021, ISBN: 978-3-9525373-1-2. Das Werkbuch kann für 46 Franken exkl. Versandkosten über info@affspace.ch oder in der Buchhandlung Zytglogge erworben werden.

LINK Affspace Offspace für Architektur

LINK Webseite von Dominique Uldry

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