Der Erfinder der Comic-Figur Jonathan bekommt erstmals im deutschen Sprachraum eine umfassende Retrospektive: Das Basler Cartoon-Museum zeigt über 200 Originalzeichnungen.
Schon als Kind wollte Cosey, geboren 1950 in Lausanne als Bernard Cosendai, Comic-Zeichner werden. 2021 ist der siebzehnte Band seiner Geschichten über Jonathan erschienen. Seine Träume hat der Künstler seither alle verwirklicht – oder auch in voller Absicht darauf verzichtet. Er wurde gleich nach der Ausbildung zum Grafiker Assistent des berühmten welschen Zeichners Derib, er arbeitete bald für renommierte Comic-Zeitschriften wie Tintin, er bewarb sich bei Disney und wäre auch angenommen worden. Aber das Fliessbandzeichnen, bevor man kreativ werden kann, schreckte ihn ab, denn dank Jonathan war er bereits in der Szene etabliert.
Cosey vor dem Eingang zur Ausstellung. © Cartoonmuseum Basel
In der Ausstellung Cosey – Vers l’inconnu gibt es neben den originalen Zeichnungen, darunter auch Blätter des siebzehnten und letzten Bands von Jonathan, Sammlerstücke von Coseys Weltreisen, beispielsweise Zündholzschachteln aus allen Weltecken, und wertvolle Gegenstände aus der Tibet-Sammlung des Museums der Kulturen. Es sind Ritualobjekte, welche Coseys in seinen Alben gezeichnet hat.
© Cosey: La piste du Yéché. Editions du Lombard, 2021
Tibet war eine der wichtigsten Stationen – physisch und geistig – auf Coseys Reisen durch die halbe Welt. Die erste Jonathan-Geschichte zeigt den jungen Mann, der Cosey damals sehr ähnlich sah – dem Spiegel zuhause verpflichtet – bei einer Reise ins Tibet, wo er seine Freundin sucht und in eine Welt der hohen Gebirge, der freundlichen Menschen und der Mystik eintaucht. Durch alle Bände bleibt Jonathan einer, der die wichtigen Fragen nach der Identität, wer bin ich, wohin gehe ich, stellt? Aber sein Erfinder besteht darauf, dass er die Antworten auch nicht kennt. Im letzten, 17. Band findet der Sucher Jonathan im tibetischen Kloster bei einem Mönch doch noch Antworten und erkennt, dass seine Suche bein Irrweg war.
Blick in die Ausstellung. Foto: © R.+E. Bühler
Jonathan, das Alter Ego des Künstlers, ist also ein Sinnsucher, der sich erst noch gern bewegt: Auf Skiern, auf dem Motorrad, auch mal mit dem Fallschirm und selbstverständlich auch auf Wanderungen durch allerlei Weltgegenden, Wanderungen im Kopf eingeschlossen. Cosey wollte keinen starken und siegreichen Helden als Hauptfigur der Reihe, aber auch keinen Looser, einen damals modischen Antihelden, sondern einen Bruder, einen menschlichen Abenteurer mit der gleichen Reiselust, die ihn selbst immer wieder in die Ferne treibt.
© Cosey: A la recherche de Peter Pan. Editions du Lombard, 1985.
Mit der Qualität seiner Zeichnungen, die sich aus der genauen Recherche ergibt, welche praktisch jedem Bild zugrunde liegt, mit der Verbindung von Fernweh und Spiritualität hat Cosey ein ausserordentliches Werk geschaffen. Der Entstehung jeden Bilds liegt das zugrunde, was der Autor von seinen Reisen mitbringt: Skizzen und Notizen über Menschen und Landschaften, die er laufend sammelt. Er sagte gegenüber Radio SRF, er hole schöne Früchte und Gemüse vom Markt, bringe sie in seine Küche und überlege da, was er damit zubereiten könne. Allen Figuren ist er irgendwann persönlich begegnet, ab und zu nur flüchtig, so dass er ihre Geschichte frei erzählen kann.
Beispielsweise die, der chinesischen Polizistin, mit der er kaum drei Worte gewechselt hat. Seine detailgenauen Landschaften, Dorfporträts oder Städtebilder, aber auch immer wieder Objekte der fernöstlichen Religionen sind mehr als Hintergründe für die Story, wobei durch Auslassen und Verkürzen eine Verdichtung erreicht wird, die zugleich viel Raum für die Fantasie der Leser bietet. Mystik habe nicht unbedingt mit Glauben oder Religionen zu tun, sagt Cosey, doch er war der erste, der sich im Comic mit spirituellen Fragen befasst. So sind atmosphärisch dichte Geschichten aus fernen Welten und Religionen entstanden. Nicht nur in der Jonathan-Reihe, sondern auch in Einzelbänden, wie beispielsweise in Der Buddah des Himmels, erschienen 2011. Darin erzählt Cosey die abenteuerliche Geschichte um eine tibetische Legende im durch China besetzten Tibet.
Cosey hat unter anderem auch Briefmarken entworfen. Oft am liebsten mit einer tief verschneiten Landschaft. Foto: © R.+E. Bühler
Was wäre eine Retrospektive, wenn die Auftragsarbeiten fehlten? Cosey hat auch CD- und Plattencovers gestaltet, Briefmarken entworfen, ein Memory produziert. Eine Tonbildschau, unterlegt mit Coseys Playlist sowie ein Lesezimmer, wo seine Graphic Novels aufliegen, animieren zum verweilen in der gestalteten Welt des Geschichtenerzählers.
Schliesslich hat er sich auch den Disney-Traum erfüllt, vier Jahrzehnte nach seinem Versuch, für Disney zu arbeiten: In zwei Alben textet und zeichnet Cosey Erlebnisse der berühmtesten Comic-Mäuse. Er verpasst Mickey und Minnie Berufe aus dem Filmbusiness und er lüftet gar das Geheimnis, wie sich die beiden kennenlernten. Cosey kann auch augenzwinkernd und ironisch mit den zu tode banalisierten Figuren umgehen. Die Alben sind natürlich vom Mäuse-Konzern autorisiert.
Mit Geschichten von Mickey Mouse und Minnie Mouse hat sich Cosey einen Jugendtraum erfüllt. Ein Paneel zur Disney-Story in der Ausstellung. Foto: © R.+E. Bühler
Coseys Werk ist nicht abgeschlossen, auch wenn er den Jonathan-Zyklus beendet hat, auch wenn er die höchstmögliche Auszeichnung der Comicwelt bekommen hat, nämlich 2017 am Comicfestival in Angoulême den Grand Prix für sein Lebenswerk. Er möchte, sagt er in einem Gespräch mit der Museumskuratorin, noch das beste Album des Jahrhunderts schaffen, also bleibt nichts anderes, als immer wieder neu zu beginnen.
Titelbild: Ausschnitt des Eingangsbereichs: Jonathan beim Fallschirmabsprung ins Ungewisse. Foto: © R.+E. Bühler
Bis 26. Februar
Mehr Informationen zur Cosey-Retrospektive
Coseys Alben sind in viele Sprachen, auch auf deutsch übersetzt worden und viele sind im Buchhandel erhältlich.