Fast vierzig Jahre lang war Alfred Moser in der Stadt Bern Friedhofsgärtner. In seiner Freizeit züchtet er Burgunderkaninchen und Barnevelder-Hühner. Seit seiner Pensionierung vor gut zehn Jahren leistet er in einer psychiatrischen Klinik Freiwilligenarbeit. Seniorweb hat das Berner Original besucht.
«Ich bin der Fredu», sagt der 74-Jährige zur Begrüssung und bittet uns ins heimelige Stübli. Über dem Ruhebett hängen diverse Diplome und Fotos. Erinnerungsbilder von Vater und Mutter sind prominent platziert. An der Wand erinnert ein alter Karabiner an Mosers Militärdienstzeit. Die Uhr tickt vor sich hin, während wir uns bei Kaffee und Kuchen unterhalten.
Fredu sitzt auf dem Ofentritt neben dem Buffet. Sein ganzes Leben lang sei er ledig geblieben, erzählt er. Die eine oder andere Beziehung zum weiblichen Geschlecht habe er schon gehabt. Für die Hochzeit habe es dann doch nicht gereicht. Im Alter hat er eine Wittfrau kennengelernt, die Susann. Mit ihr unternehme er regelmässig Reisen und pflege gemeinsame Interessen. Aber die beiden leben getrennt.
Ein Karabiner, Diplome und Familienfotos zieren die Wände.
Fredu wohnt in «Chäs und Brot», einem Ortsteil von Oberbottigen. Der Ort wurde vor vielen Jahren von der Stadt Bern eingemeindet. Der Name des Weilers soll aus den Burgunderkriegen stammen, erzählt der Pensionär. Auf dem Marsch Richtung Murten, wo die Eidgenossen 1476 das Heer des Burgunderherzogs Karl der Kühne schlugen, verpflegten sich die Soldaten mit Käse und Brot. Die Offiziere sollen auf einem nahen Hügel gerastet haben. Standesgemäss wird die Erhöhung «Wursthügel» genannt.
Der Pensionär in seinem «Stübli»auf dem Ofentritt.
Fredu erbte das Haus von seinem «Müeti». Mit Ausnahme von ein paar Jahren lebte er immer hier. Nach Ende der obligatorischen Schulzeit machte er zwischen 1967 und 1969 in Männedorf am Zürichsee eine Gärtnerlehre. Danach ging es nach Schwarzenburg, wo er in einer Gärtnerei arbeitete. 1972 bot sich die Gelegenheit, in die Stadtgärtnerei Bern einzutreten. Zwanzig Jahre lang arbeitete Fredu als Gärtner auf dem Bremgarten-Friedhof. Weitere zwanzig Jahre lang pflegte er die Gräber auf dem Friedhof Bümpliz. Inzwischen heisst seine Arbeitgeberin nicht mehr Stadtgärnerei, sondern «Stadtgrün».
Zu seinen Aufgaben gehörte es auch, Gräber auszuheben. Am Anfang tat er dies von Hand. Später mit einem kleinen Trax. In den siebziger Jahren, als noch die Erdbestattungen dominierten, schaufelte er bis zu zwölf Gräber pro Woche. Heute ist die Zahl wegen dem Trend zu Kremationen auf ungefähr zwölf pro Jahr geschrumpft, berichtet der Rentner. Zugenommen habe aber der Wunsch, ins Gemeinschaftsgrab beigesetzt zu werden.
Seine Burgunderkaninchen füttert der Rentner täglich.
Fredu kann sich noch an die Zeit erinnern, als die Särge mit Ross und Wagen auf den Friedhof gefahren wurden. Doch die Friedhofsrituale haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Behalten hat er den Brauch, einmal pro Woche am Stammtisch im «Bären» «über Gott und die Welt» zu diskutieren und einmal im Monat zu jassen. Der Rentner ist politisch interessiert und verfolgt die nationalen und internationalen Geschehnisse in den Medien. Ausserdem leistet er als Freiwilliger Tageseinsätze in einer psychiatrischen Klinik, indem er mit den Insassen isst, Spiele macht, spaziert oder diskutiert.
In der Freizeit züchtet Fredu Burgunderkaninchen, besucht mit seinen Tieren Ausstellungen und gewinnt regelmässig schöne Preise. Seine Prachtstiere haben keine Namen, aber Nummern. In einem Aussengehege hält er Barnevelder-Hühner. Seine Hündin Diana folgt ihm auf Schritt und Tritt, bellt fremde Besucher zuerst an, zeigt sich dann aber als harmlos und verkriecht sich in ihre Ecke.
Besuch im Hühnerstall.
Zu seinen unvergesslichen «Highlights» gehören zahlreiche Ferienreisen nach Kenia, Thailand, Marokko, Frankreich und Spanien. Besonders gefallen hat es dem Friedhofsgärtner auf Mauritius. Auf der Seeräuberinsel habe er das Gefühl gehabt, die ethnisch vielfältige Bevölkerung lebe friedlich zusammen wie eine grosse Familie. Die Reisen unternahm Fredu jeweils im Januar und Februar, wenn es möglich war, die geleistete Überzeit zu kompensieren.
Die Pensionierung im August 2012 fiel dem Berner nicht leicht. Obwohl seine Vorgesetzten einen Abschiedsapéro organisierten, zu dem sogar der damalige Stadtpräsident erschien, habe er gelitten. In den ersten Monaten als Pensionär habe er zu viele Arbeiten angenommen, geholfen sowie unterstützt und nie Nein gesagt. Der Wechsel in den neuen Lebensabschnitt habe bei ihm ein Burnout ausgelöst, das sich glücklicherweise als therapierbar erwies. Heute fühle er sich wohl und geniesse das Alter, bestätigt der Naturmensch.
Täglich frische Eier.
Was war und ist dem 74-Jährigen wichtig im Leben? Fredu muss nicht lange überlegen. «Frieden, gute Freunde und eine gute Gesundheit», lautet seine Antwort. Wichtig sei ihm der enge Kontakt zu seinen zwei Schwestern und zu den lieben Nachbarn, die ihn regelmässig besuchten. Über seinen Tod habe er auch schon nachgedacht, sagt er uns zum Schluss. Er möchte einmal nicht auf einem Friedhof beerdigt werden. Lieber wäre es ihm, wenn man seine Asche oberhalb des Hauses, unter dem Nussbaum ausstreuen werde.
Doch bis es so weit ist, will er zusammen mit Susann noch viele Reisen per ÖV unternehmen, mit den Kollegen jassen und sich um seine vielen Tiere kümmern. Sagts und verabschiedet uns mit frischen Eiern und einem herzhaften Handschlag.
Titelbild: Persönliche Begrüssung am Eingang durch den Hausherr. Alle Fotos PS
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