StartseiteMagazinKulturKatharina Grosse: Malerei neu gedacht

Katharina Grosse: Malerei neu gedacht

43 grossformatige Gemälde in leuchtenden Farben aus den späten 1980er Jahren bis heute sind zu einer Gesamtschau der Künstlerin Katharina Grosse im Kunstmuseum Bern vereint.

Der Titel Studio Paintings, 1988-2022 verweist zunächst darauf, dass diese Werke im Atelier entstanden sind, im Unterschied zu den zahlreichen ortsgebundenen Spray-Arbeiten der Künstlerin. Andererseits zeigt der englische Titel, wie international sich ihr Schaffen im Laufe der Jahrzehnte verbreitet hat. Schliesslich gilt es zu vermerken, dass diese Ausstellung zuerst vom Mildred Lane Kemper Museum in St. Louis/Missouri konzipiert worden war und nun von der Berner Kuratorin Kathleen Bühler in Zusammenarbeit mit der Künstlerin für das Berner Kunstmuseum gestaltet wurde. – In den USA hat die Künstlerin besonders viel Resonanz gefunden.

Katharina Grosse, Ohne Titel, 1991; Öl auf Leinwand, 200 x 300 cm © 2023, ProLitteris, Zurich

Katharina Grosse (geb. 1961 in Freiburg i.Br.) stellt nicht zum ersten Mal in Bern aus. Vor genau 25 Jahren schuf sie in der Kunsthalle Bern ihre allererste gesprayte Malerei-Intervention Die grüne Ecke, eine Arbeitsweise, für die sie in der Folge bekannt wurde. Nun entstanden gleichsam als Feier dieses Jubiläums drei riesengrosse Stoffbahnen, die das zweistöckige Museumsfoyer eindrucksvoll beleben. Es sind Fotodrucke, die mit Farbe bearbeitet wurden und wellenförmig im Raum hängen. Am unteren Teil einer Stoffbahn ist eine immens vergrösserte Hand aufgedruckt, die, könnte man meinen, den Vorhang öffnet auf Grosses Werke in den letzten Jahrzehnten. Eine überzeugende Inszenierung.

Der Begriff «Retrospektive» liege ihr nicht, bekennt die Künstlerin. – In ihrer geistigen und physischen Beweglichkeit wirkt sie alles andere als rückwärtsgewandt. – Vielmehr betont sie: «Ich sehe das an, was ich im Moment gerade mache»; etwas später erklärt sie: «Jedes Bild braucht Betrachtende – Resonanz ist elementar».

Katharina Grosse, Ohne Titel, 2008. Acryl und Erde auf Leinwand. Ø 240 cm.
Foto: Hans-Georg Gaul © 2023, ProLitteris, Zürich

Während sie arbeitet, konzentriert sie sich mit allen ihren Sinnen auf ihr aktuelles Werk. «Ich brauche den Körper, um besser denken zu können», sagt sie dazu.

Das ist wohl so zu verstehen, dass es ihr nicht nur um die intellektuelle Planung und Kontrolle geht, sondern dass alle physischen und psychischen Wahrnehmungen zusammenspielen, wenn sie an einem Werk arbeitet. Und sie mag «schnelle Malerei», sagt sie mit einem Lächeln, deshalb ist Sprayen eine Methode, die ihr liegt.

Katharina Grosse, Ohne Titel, 2009. Acryl auf Leinwand 201x135cm. Foto: Olaf Bergmann © 2023, ProLitteris, Zürich

Die Bildgestaltung spielt eine grosse Rolle, das Gleichgewicht der Bildelemente ist von grosser Bedeutung. Jede Farbe, jedes Detail soll den Raum erhalten, der ihm in Bezug auf das ganze Bild zukommt. Insofern sieht sie sich bis zur Fertigstellung im Dialog mit dem entstehenden Werk.

Wenn es sich um eine Sprayarbeit handelt, die im Atelier nur vorbereitet werden kann, ist die Auseinandersetzung mit dem Ort unabdingbare Voraussetzung.

Wer Katharina Grosse beobachtet, erkennt, dass sie Bewegung liebt, aus der Bewegung heraus entstehen ihre Werke, gestisch geprägte Werke, die – offensichtlich oder versteckt – mit den Körperstrukturen verbunden sind.

Ihre ersten Arbeiten entstanden während ihres Studiums an der Kunstakademie Düsseldorf. Sie begann zuerst, mit Öl zu arbeiten, später «mit allem», sagt sie. Damals lernte sie auch die Arbeit aufgrund von Fotografien kennen, Gerhard Richter arbeitete eine Zeitlang in diesem Stil. In Düsseldorf sah sie unter anderem die Fotografien von Bernd und Hilla Becher. Die Schweiz war nicht nur ihr erster ausländischer Ausstellungsort, sie fühlte sich in ihren jungen Jahren von den Schweizer Konstruktivisten – Max Bill, Richard Paul Lohse – inspiriert.

Katharina Grosse, Ohne Titel, 2020. Acryl auf Leinwand und Holz. 299x605cm Foto: Jens Ziehe. Courtesy: Galeria nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Wien Österreich © 2023, ProLitteris, Zürich

Neben Öl benutze Katharina Grosse auch Acryl, bevor sie das Sprayen entdeckte. Stets sucht sie, wie sie sagt, die beste Möglichkeit des «Verhandelns» zwischen den Farben, sie auszutarieren, solange das Werk noch im Entstehen ist. Sprayen ist ein intensiverer Vorgang, lässt aber weniger Veränderungen zu. Zum Sprayen benutzt Katharina Grosse seit langem Industriegerät, keine kleinen Hobbysprühdosen.

Katharina Grosse, Ohne Titel, 2021.
Acryl auf Leinwand und Holz 349x248x80cm.
Foto: Jens Ziehe. Courtesy: Gagosian
© 2023, ProLitteris, Zürich

Sie hat intensiv experimentiert: mit scharfen Kanten zwischen den Elementen, mit verschwimmenden Übergängen oder mit dem Spiel unterschiedlicher Teile. Immer wieder kommt sie darauf zurück, wie dynamisch sie ihre Arbeit betrachtet.

Solange der Gedanke noch nicht eliminiert ist, dass etwas «nicht stimmt», solange gibt es noch etwas zu tun. Dabei geht es ihr nicht um irgendeine Kontrolle, im Gegenteil, Vieldeutigkeit zieht sie vor. Sie als Künstlerin erwartet von sich, Ambivalenzen annehmen zu können, im Moment eine Chance zu sehen.

Katharina Grosse 2022. Foto © Aman Shakya / SCAD Savannah College of Art and Design

Ihre grossformatigen Bilder malt sie am liebsten auf dem Boden, erzählt sie. Dann «tanzt» sie um das Bild und kann von allen Seiten daran arbeiten. Eines Tages trat sie auf die Leinwand und erfand eine neue Technik: Fussspuren auf ihren Bildern. Der Effekt gefiel ihr, so konnte sie «das Gemalte mit den Abdrücken der Füsse ‘stempeln’». – In der Ausstellung sind einige dieser Bilder ausgestellt.

Nur ein Augenblick genügt, um zu erkennen, dass Farben in Grosses Werken eine zentrale Rolle spielen. Seit sie vor vielen Jahren zu Industriefarben gegriffen hat, zunächst nur für die Sprayarbeiten, mischt sie ihre Farben nicht mehr. Sie benutzt einige Varianten von den vier Grundfarben Blau, Rot, Gelb und Grün und schaut auf die Wirkung: kalt oder warm, durchscheinend oder opak. Bezüge zur Umgebung sind ihr nicht wichtig. «Ich möchte einer Situation oder einem Raum eine bestimmte Energie, Aufmerksamkeit oder ein Gefühl des Wandels verleihen», sagt sie, ein Statement, das nicht nur ihr Werk, sondern auch die Künstlerin charakterisiert.

Katharina Grosse. Studio Paintings, 1988-2022; im Kunstmuseum Bern bis 25. Juni 2023

Titelbild: Katharina Grosse: Ohne Titel, 2005. Acryl auf Leinwand. 299x602cm. Kunstmuseum Bern, Schenkung Frau Marlies Kornfeld, Bern, für die Abteilung Gegenwart.
© 2023, ProLitteris, Zürich

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