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Lesen oder hören? Beides!

Dies hier ist ein Plädoyer für das Reisen im Kopf. Denn das ist ja Lesen, unter anderem. Lesen trägt fort, führt in andere Welten. Lesen unterhält, tröstet und trägt. Und führt uns zu uns selbst.

Sind Sie eine Leserin, ein Leser? Oder waren Sie es mal, aber nun verweigern Ihre Augen den Dienst? Keine Sorge, Hilfe kommt, in Form von Hörbüchern nämlich. Kopfhörer überstülpen oder Ohrhörer direkt in die Ohren stecken, Lautstärke auf ältere Ohren einstellen, und schon sind Sie mitten in einer Geschichte.

Sie denken, lesen mache einsam? Klar, ein Buch liest man für sich allein – ein Hörbuch kann man auch zu zweit oder in einer Gruppe hören. Und über Bücher und Hörbücher kann man sich zum Glück austauschen! Lesezirkel spriessen derzeit. Dringende Empfehlung: Treten Sie einem Lesezirkel, Literaturkreis oder einer Buchgruppe bei, egal, wie das Ding sich nennt. Oder gründen Sie selbst so was! Ich bin schon seit Jahrzehnten in verschiedenen Lesezirkeln dabei und kann nur sagen: Dank solchen Gruppen bin ich auf Bücher und Autorinnen und Autoren gestossen, auf die ich sonst nie gekommen wäre. Und dank den Diskussionen dort habe ich Bücher oft ein zweites Mal gelesen und habe meine subjektiven Urteile über sie revidiert.

Jede, jeder liest ein Buch anders

Immer wieder mache ich die Erfahrung, wie spannend es ist, wenn eine Gruppe von Menschen dasselbe Buch liest. Und in den Diskussionen über eben dieses Buch erscheint es oft, als hätten die Einzelnen je ein anderes Buch gelesen. Denn wir lesen mit unseren eigenen Augen. Mit unserem eigenen Blick auf die Welt, mit unseren eigenen Erfahrungen. Während der Lektüre läuft im Untergrund das alles mit. Ich bin sicher, auch Sie haben sich lesend schon beim Gefühl ertappt, das Buch in Ihren Händen sei genau für Sie geschrieben worden. Oder, extremer noch, es handle von Ihnen! Warum das so ist, darüber habe ich in vielen Lesegruppen schon diskutiert. Und warum auch das Gegenteil der Fall sein kann. Warum man in ein Buch nicht hineinfindet. Frage: Wie lange dauert es, bis ein Buch bei Ihnen seine Chance verspielt hat? Auf welcher Seite geben Sie auf? Manchmal lohnt sich ein wenig durchhalten, aber nicht um jeden Preis. Ich jedenfalls habe längst den Ehrgeiz aufgegeben, jedes Buch zu Ende zu lesen. ich schaffe den stetig wachsenden Stapel an noch ungelesenen Exemplaren eh nicht.

Hörbücher sind ein Besuch im Kopfkino.

Doch zurück zu Lesezirkeln. Die schönste Erfahrung, die ich in solchen Gruppen mache: Ich treffe mich mit Menschen, von denen ich zu Beginn nichts weiss ausser, dass sie vermutlich gern lesen und sich über Lektüre austauschen möchten. Ich weiss nichts von ihrem Leben, keine Ahnung, woher sie kommen, ob sie Partner, Partnerinnen, Kinder, Enkelkinder und einen Freundeskreis haben, ob sie ein Haus besitzen oder in einer Einraumwohnung zur Miete leben, ob sie Kummer, Krankheiten und Krebs überlebt haben, das alles spielt auch keine Rolle. Denn darüber sprechen wir nicht. Wir sprechen über Bücher. Wir lernen uns über Bücher kennen. Und mit der Zeit schimmert etwas aus dem Leben der Beteiligten auf. An der Art, wie sie über das Gelesene sprechen, wie sie Fragen stellen, wie sie bei gewissen Themen schweigen. In Lesegruppen sind enge Freundschaften entstanden, die ihren Anfang in der gemeinsamen Lektüre nahmen.

«Über das Lesen meinen Platz gefunden»

Warum ich eine Leserin geworden bin und ‘Leserin’ ein Leben lang als meinen Berufswunsch angebe? Ich war ein stilles Kind. Das jüngste in einer Grossfamilie. Ständig viele Leute, ständig viel handfeste Arbeit, Landwirtschaft, dazu das Restaurant der benachbarten Tanten. Keine Bücher. Kein ruhiger Ort. Ich fand mich nicht gut zurecht als Kind. Aber das fiel vor lauter Arbeit Tag für Tag niemandem auf. Bis ich die Buchstaben und dann die Bücher fand. Über das Lesen habe ich gewissermassen meinen Platz gefunden. Habe ich gemerkt, dass die Welt nicht beim Kuhzaun aufhört. Dass es Meere gibt, grosse Ströme und Landschaften, die anders sind als unsere bebauten Äcker. Und dass es Menschen gibt, die sich nicht passgenau in ein Gefüge einordnen.

Und jetzt zu meiner neuesten Entdeckung: Hörbücher! Bislang hielt ich Menschen, die Hörbücher hören, für faul. Zu faul zum selbst Lesen! Denn Lesen ist anstrengend, das ist klar. Herausfordernd für Intellekt, Gedächtnis und Psyche. Die ständige Produktion von Bildern, der ständige Bezug auf ein inneres Referenzsystem. Nur, das alles spielt sich auch ab, wenn Sie ein Hörbuch hören. Vielleicht sogar noch stärker. Wie ich auf Hörbücher gekommen bin? Ich war im Kino und sah den Film ‘Mittagsstunde’, eine grandios eigenständige filmische Übersetzung des ebenso grandiosen gleichnamigen Romans von Dörte Hansen. (Dringliche Empfehlung aller ihrer Romane, auch für den neuesten ‘Zur See’).

«Jemand erzählt mir allein eine Geschichte»

Zuhause wollte ich ‘Mittagsstunde’ gleich nochmals lesen, aber ich fand das Buch nicht mehr. Wohl eines jener Werke, die ich ausgeliehen und nie mehr zurückbekommen habe. Nicht schlimm, gute Bücher sollen zirkulieren! Weil ich aber sofort wissen wollte, wie denn der Roman begann, klickte ich mich auf Rat meiner schon längst hörbuchbegeisterten Tochter auf dem Handy in eine Hörprobe des gleichnamigen Hörbuches – und es war um mich geschehen! Jemand erzählt mir allein und direkt in meinen Kopf hinein eine Geschichte. Unfassbar. Und das mit einer äusserst angenehmen Stimme und perfekt intoniert. Und das Beste: ich kann mich dazu auch auf meine täglichen Märsche begeben.

Seither handhabe ich es so: Ich höre Hörbücher von bereits gelesenen Lieblingsbüchern oder von Werken, die mir dringend empfohlen wurden Und es kann passieren, dass ich das Gehörte hinterher gleich nochmals lese! Probieren Sie es aus. Lesen macht keinen Lärm. Hören auch nicht!


Wir begrüssen Theres Roth-Hunkeler als neue unregelmässige Autorin. Die 70-Jährige aus Hochdorf lebt als Autorin in Baar. Sie schreibt und publiziert Erzählungen, Romane und journalistische Texte. Berufswunsch seit jeher: Leserin.

www.roth-hunkeler.ch

Bilder: Ayse Yavas, Freepik

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