Annelies Štrba und ihre Bilder: Eine Einzelausstellung in der Fotostiftung Winterthur zeigt frühe Fotoleinwände mit Küchentisch-Bildern und neue Bildfindungen mit Kamera und Computer.
Ganz klassisch hat Annelies Štrba eine Fotolehre gemacht und war von der Arbeit in der Dunkelkammer fasziniert. Die Nachbearbeitung – heute am Computer – ist ihr bis heute wichtig, und sie sucht immer neue Möglichkeiten, ihre Fotos zu verändern.
Annelies Štrba: Linda und Sonja mit Samuel-Maria, 1995 © Annelies Štrba / Pro Litteris
Verheiratet mit dem Schmuckdesigner Bernhard Schobinger und Mutter dreier Kinder erwarb sie auch ein eidgenössisches Kunststipendium und war mit der Kunstszene gut vernetzt: Mendes Bürgi, damals Direktor der Kunsthalle in Zürich sah ihre Familienfotos aus Küche und Kammer und wollte sie ausstellen. Štrba stellte sich quer, setzte sich durch und produzierte Grossformate auf Leinwand wozu sie erst passende Wannen fürs Entwickeln und Wässern anschaffen musste.
Eins der unzähligen Porträts der drei Kinder. Es wurde für das Ausstellungsplakat verwendet. Annelies Štrba: Linda Vision, 1980 © Annelies Štrba / Pro Litteris
Annelies Štrba wird ein Shooting Star der Fotoszene, bekommt Ausland-Stipendienund macht ausgedehnte Reisen, als die Kinder älter geworden sind.
Die Ausstellung im Fotozentrum «Bunt entfaltet sich mein Anderssein» setzt mit den ikonischen Fotoleinwänden ein, dank derer sie bekannt wurde, die intimen und alltäglichen Familienszenen, welche dank der Blow-Up-Technik zu Ikonen geworden sind. Früh probiert sie auch Video und fotografiert in Farbe. Neue Techniken sind dazu da, ausprobiert zu werden, scheint einer ihrer Leitsätze zu sein. Oder auch: Unschärfe oder Überbelichtung sind Informationsträger, genauso wie Farbfilter oder Bildausschnitte.
Annelies Štrba: Zeitz, 1983 © Annelies Štrba / Pro Litteris
Als Štrba für das Stipendium von Landis & Gyr in London ein Filmporträt brauchte, entschied sie sich, es selber zu realisieren, statt sich filmen zu lassen. Es war ihr erster Kontakt mit dem neuen Medium und sie liess sich längere Zeit darauf ein, Videos zu produzieren. Die technischen Möglichkeiten und ästhetischen Besonderheiten – Unschärfe, Zufälligkeiten bei der Kameraführung – faszinierten sie und führten zu Motiven, die ausserhalb der Familie lagen.
Annelies Štrba: Im Kinderzimmer, 1978. © Annelies Štrba / Pro Litteris
Die Enkelkinder brachten Annelies Štrba zurück zur Momentaufnahme. Freilich fotografiert sie heute meist mit dem Mobiltelefon und bearbeitet ihre Bilder am Computer. Aber der Blick auf die Familie, zunächst ihre Kinder nun ihre Enkelkinder, bleibt zentral. Und als Bild gültig übers Private hinaus. Beispielsweise wenn sie die mitunter idyllischen Familienfotos mit grauen Mietskasernen im Osten Europas in Beziehung setzt. So werden die Fotoserien zum Sinnbild fürs Existentielle mit den Höhen und Tiefen, dem Zusammensein und der Einsamkeit, der niemand entkommt.
In der Ausstellung sind zwei der grossen Serien, nämlich Shades of Time und Noonday als Diaprojektionen zu sehen, die Projektionen laufen alternierend und sind eine Art Tagebuch der Themen, die Štrba lebenslang beschäftigten.
Mit diesen drei Grossformaten wird das Publikum in der Ausstellung empfangen. Annelies Štrba: Nyima 408, 409 und 410. 2009/2010 © Annelies Štrba / Pro Litteris
Der Ausstellungstitel Bunt entfaltet sich mein Anderssein ist eine Gedichtzeile von Emmy Hennings und passt gut auf die Arbeiten aus der Serie Nyima von 2010: Es sind vielfach überlagerte Fotografien, meist ist die Enkelin Shereen liegend, vielleicht schlafend das zentrale Motiv. Wie eine Ophelia schwebt sie in einer traumhaft bunten aber auch unheimlich-morbiden Natur- oder Märchenwelt – ist es Wasser, ist es Himmel, Tag oder Nacht? Es sind inszenierte Fantasiewelten, die auf intime Vergangenheit verweist, denn wer ein paar Schritte zurück geht in der Winterthurer Schau steht vor Fotos von Štrbas schlafenden Kindern, zufrieden schlummernd in einem Chaos von Spiel- und Bettzeug, von T-Shirts, Hosen, Schuhen: Traumhaft.
Und wie seit den Anfängen folgt sie ihrer Intuition und forscht weiter, bearbeitet die Bilder nicht nur am Bildschirm, sondern auch mit dem Pinsel. Neue Techniken erweitern die Bildsprache der Künstlerin, ein Prozess, den sie intuitiv und offen seit je verfolgt.
Titelbild: Annelies Štrba: Nyima 438, 2010 © Annelies Štrba / Pro Litteris
Bis 13. August
Informationen für den Besuch der Fotostiftung gibt es hier.
Zur Ausstellung ist ein Begleitbuch bei Lars Müller Publishers, Zürich 2023, erschienen, ein aufwendig gestaltetes Buch mit dem Titel «Bunt entfaltet sich mein Anderssein» mit Essays von der Kuratorin Teresa Gruber, und Kunsthistoriker Guido Magnaguagno sowie einer Einführung von Peter Pfrunder, Direktor der Fotostiftung. ISBN 978-3-03778-744-1.