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Für Kinder und gegen Krieg

Hans Witzig, Kunsthistoriker, begabter Illustrator, Grafiker und Lehrer bekommt zum 50. Todestag in der Schatzkammer der Zentralbibliothek eine Ausstellung. Titel: Vom Schlaraffenland zum Totentanz.

«Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist das Mondgesicht,» den Satz kennen wohl viele der älteren Generation seit frühester Kindheit. Heute sehen wir die Skizze durchaus auch als Vorläufer des Emojis. Wer Hans Witzig war, welche Kunstwerke er neben Zeichenvorlagen schuf und wofür er sich engagierte, wird in der Ausstellung und im Begleitbuch wieder sichtbar.

Die Kinder im Schlaraffenland. Doppelseite mit dem Eselsritt. Erstausgabe 1917

Sein Nachlass, der über 2000 Zeichnungen, Entwürfe und Druckgraphiken, über 300 Bücher und Zeichenhefte, 38 Gemälde, 60 Skulpturen, 347 Druckstöcke aus Holz und Metall sowie einige Fotografien und Dokumente umfasst, wird seit 1983 in der Graphischen Sammlung der Zentralbibliothek Zürich aufbewahrt.

Hans Witzig,1969 fotografiert an seinem 80. Geburtstag von Ruth Vögtlin. ZB Graphische Sammlung und Fotoarchiv.

Hans Witzig wurde 1889 in eine Lehrersfamilie geboren, besuchte das Lehrerseminar und musste im ersten Weltkrieg Aktivdienst leisten. Er studierte Kunstgeschichte und wurde Gymnasiallehrer an der Töchterschule bis zu seiner Pensionierung 1955. Seit der Jugend hat er leidenschaftlich gezeichnet und gemalt. Schon 1901, also mit zwölf, macht er sich an eine umfangreiche Geschichte: auf 448 Seiten entsteht ein Comic mit Abenteuern aus der halben Welt, natürlich auch im Indianerland. Präzis arbeiten und zugleich fabulieren zeichnen ihn lebenslang aus.

Niemals hätte er gewollt, dass diese Bildergeschichte als Comic bezeichnet worden wäre, denn der Comic galt noch bis in die 60er Jahre als Schund. Dem begabten Zeichner waren das Pädagogische und das Didaktische ebenso wichtig wie das Kreative. So wundert nicht, dass seine Vorzeichnungen und Anleitungen auch kritisch als Kreativkiller abgelehnt wurden.

Modellbogen mit Hänsel und Gretel. Bau und Foto: Dieter Nievergelt

Hans Witzig hat Schulbücher, Kinderromane, Märchen und SJW-Hefte illustriert. Immer wieder neu aufgelegt – Die Kinder im Schlaraffenland, erstmals erschienen 1917, also in einer Mangelzeit, illustriert. Neben Ausmalvorlagen oder zeichendidaktischen Büchlein hat Hans Witzig auch Modellbaubögen gezeichnet, meist ein Gebäude und mit Figuren als Zubehör. Später entwickelte Witzig auch Modelle für den Werkunterricht und zusammen mit Gertrud Elisabeth Kuhn das Puppen-Buch von 1965.

Der Tod mit Gasmaske über dem Schlachtfeld. Nicht verwendeter Entwurf Bleistift mit Rötel auf Papier. 1916/18

Aber der für Kinder und Schule aktive Witzig ist nur der halbe Witzig, erfahren wir in der Ausstellung: Hans Witzig war ein politisch aktiver Zeichner und Maler, der sich mit dem Elend seiner Zeit und dem Krieg auseinandersetzte. Er entwarf Abstimmungs- und Wahlplakate, die sein sozialkritisches Engagement deutlich machten, aber er konnte auch mal für Maggi-Suppe werben.

Seine Virtuosität in den verschiedenen Techniken der Druckgrafik verdankte er seinem Lehrer Rudolf Ringger am Lehrerseminar. Ex-Libris-Grafiken für Freunde wie für sich selbst hat er meist als Radierung ausgeführt. In Vitrinen sind neben den Platten und den Drucken auch die Werkzeuge ausgestellt.

Entwurf für ein Exlibris, 1913

Wirken die Anleitungsbüchlein fürs Zeichnen oder die Märchenillustrationen im Jugendstil oder auch seine bekanntesten Bildergeschichten Schlaraffenland und Tabis Nuckerli reisst aus als überbordend heitere oder liebevoll nostalgische und zugleich reichlich brave Kinderbücher, so ergreifen uns die Entwürfe für den Totentanz-Gedichtzyklus von Carl Friedrich Wiegand, entstanden in den Kriegsjahren 1914 bis 1918, in ihrer fantastischen und zugleich realen Darstellung von Kriegsgreueln. Ausser den elf Zeichnungen im Gedichtband, schuf Witzig viele weitere, die nie veröffentlicht worden sind.

Abbruch der Schmitte in Wiedikon, 1934

Die graue Strasse, erschienen 1933, mit 60 Zeichnungen einer hungerleidenden und verelendeten Bevölkerung, steht mit den hochexpressionistischen Zeichnungen im Kontext von – beispielsweise – Gregor Rabinovitch, Alfred Kubin, Käthe Kollwitz, aber Witzig weiss aus eigener Anschauung, worum es ihm geht.

Wie sich Hans Witzig von der Textvorlage anregen liess, zeigt sich eindrücklich in den Illustrationen der Anneli-Trilogie von Olga Meyer, publiziert 1919, 1927 und 1934: seine Bildsprache veränderte er mit dem Fortgang der Geschichte eines Fabrikmädchens.

Tabis Nuckerli reisst aus: Einband der Originalausgabe 1935

Noch 1958 illustrierte er wohl als letzten Kinderroman Heidi von Johanna Spyri, und 1969 wurde er mit dem Schweizer Jugendbuchpreis für seine mit Holzschnitten illustrierte Geschichte Der Nachtschratt ging um geehrt. Dank der Holzschnitt-Technik vertiefen die Illustrationen den Text um Aberglauben im mittelalterlichen Baden in seiner romantischen Unheimlichkeit: Es gibt viel Schwarzraum und harte Kontraste.

Hans Witzig hat auch immer wieder gemalt und Skulpturen geschaffen. Ihn faszinierte dabei das Umsetzen einer Zeichnung ins Dreidimensionale. In einer Vitrine sind die Originale von Honoré de Daumier den Figuren von Witzig gegenübergestellt.

Titelbild: Buchcover: «Punkt, Punkt, Komma, Strich. Zeichenstunden für Kinder von Hans Witzig.» München 1944 (Ausschnitt)
Bis 17. Juni
Hier finden Sie Informationen für Ihren Ausstellungsbesuch in der Schatzkammer der ZB.
Zu der Ausstellung ist der Begleitband «Vom Schlaraffenland zum Totentanz. Der Zürcher Zeichenlehrer und Illustrator Hans Witzig», hg. von Anna Lehninger erschienen. ISBN 978-3-0340-1706-0

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