StartseiteMagazinKulturZora und Giorgio aus Carona

Zora und Giorgio aus Carona

Das Autorenpaar Lisa Tetzner und Kurt Kläber, auch bekannt als Kurt Held,  sind im Landesmuseum zu Gast mit ihren weltberühmten Jugendromanen «Die Rote Zora und ihre Bande» und «Die Schwarzen Brüder».

Noch heute werden Mädchen Zora genannt, auch wenn die Erstausgabe des Romans von der Roten Zora 1941 erschienen ist, aber die Kinder und jungen Frauen, die sich dazu interviewen liessen, sind stolz auf den Namen. Geschrieben wurde Die rote Zora und ihre Bande in Carona im Tessin, Autor ist Kurt Held, ein Pseudonym, das sich der Ehemann von Lisa Tetzner – beide Emigranten aus Nazideutschland – zulegen musste, weil er auf Druck des Schweizer Schriftstellerverbands SSV mit einem fremdenpolizeilichen Schreib- und Publikationsverbot belegt war. Lisa Tetzner dagegen war vom gleichen Schriftstellerverband akzeptiert und durfte ihre Bücher unter ihrem Namen veröffentlichen.

Museumsshop: Bücherkiste mit aktuellen Ausgaben der Romane.

Im gleichen Jahr wie Die Rote Zora wurden Die Schwarzen Brüder mit der Identifikationsfigur des Kaminfegerbuben Giorgio veröffentlicht. Beide Romane sind noch heute Bestseller, in viele Sprachen übersetzt. Die Lektüre ist spannend und vermittelt handfeste Gesellschaftskritik, die Thematik der Kinderarbeit ist so aktuell wie je. Kurator Peter Erismann hat die Zora erstmals für die Ausstellung gelesen – ihn beeindruckten die Landschaftsschilderungen und der Drive trotz der vielen Dialoge.

Die Erstausgaben von 1941 im Sauerländer Verlag: Die Schwarzen Brüder (© Theo Glinz ), Die Rote Zora und ihre Bande (© Erbengemeinschaft Hoffmann ).

Lisa Tetzner (1894-1963) wuchs in einer gutbürgerlichen Familie auf, und wählte als Beruf Sprecherzieherin und Märchenerzählerin. Bekannt ist ihre Sammlung Märchen für 365 und 1 Tag. Kurt Kläber (1897-1959), politischer Autor, Kriegsgegner und Marxist, tingelte als reisender Buchhändler – vor allem mit klassischer Literatur – auf Jahrmärkten, wo er eines Tages Lisa Tetzner auffiel und gefiel. Er stellte sich ihr als «Berufsrevolutionär» vor.

Das Paar heiratete 1919, blieb ein Leben lang zusammen, stützte sich gegenseitig, denn beide waren gesundheitlich beeinträchtigt, vor allem aber ergänzten sie sich als Autorenteam im Exil ideal, wo sie die Zora und die Schwarzen Brüder in ihre Schreibmaschinen – Objekte in der Ausstellung – tippten.

Diese Schreibmaschinen sind mit Fotos und Dokumenten in einem ersten Raum chronologisch untergebracht, darunter in einer Vitrine die peinlichen Briefe und Akten von SSV und Fremdenpolizei. Nach Carona kamen sie durch Vermittlung von Freunden, im Tessin lebten damals viele Künstler und Intellektuelle – ein Stichwort wäre der Monte Verità.

1948 können Kurt und Lisa den roten Pass erwerben. Das Leben wird einfacher. Zwei Gäste- und Fotobücher zum digitalen Blättern geben Einblick in das Leben im Haus. Mit dem Geld, das die Filmrechte für Die Rote Zora einbrachte, baut das Autorenpaar ihr rotes Haus, nennen es Casa Pantrovà alternativ zum Grotto del Pan perdü gleich nebenan. In der Folge sind die Romane mehrfach verfilmt worden, wie Ausschnitte auf Bildschirmen in der Ausstellung belegen.

Ein enger hoher Gang mit einer roten und einer schwarzen Wand führt zum zweiten Teil der Ausstellung, zu je einem begehbaren Buch mit hier roter, dort schwarzer Graffitti-Hülle. Sie enthalten Manuskripte, Briefe oder Entwürfe für Buchumschläge.

Blick in die Ausstellung mit den beiden begehbaren Boxen mit dem Graffi i von Myriam Gämperli. © Schweizerisches Nationalmuseum 

Beide Romane sind 1941 im Verlag Sauerländer erschienen. Kläber wurde zu Held umbenannt, Hans Sauerländer wollte dessen Buch unbedingt verlegen. Seiner Zora, einem mutigen Mädchen in einer Jugendbande obdachloser Waisenkinder, erzählt Kurt Kläber, sei er bei der Dalmatienreise 1939 nach Zengg/Senj zusammen mit Lisa begegnet.

Kaminfegerbuben aus Tessiner Tälern in Mailand. Fratelli Treves Editori – Milano, 1906

Die ausgebeuteten Spazzacamini dagegen hatten die Emigranten vor der Haustüre im Tessin. Vor allem aus dem Valle Maggia, dem Centovalli und dem Val Verzasca, wo die Armut bis ins 20. Jahrhundert drückend war, verkauften die Eltern ihre Buben für eine Wintersaison einem Padrone als Kaminfeger. In Mailand mussten sie die Kamine der Reichen mit dem Schabeisen und dem Zugbesen putzen – ohne Schutzkleidung. Lange nicht alle kehrten zu Ostern in ihre Familien zurück. Aber Kaminfeger bringen Glück, also durften oder mussten die Jungen zu Neujahr ausnahmsweise am Tisch ihrer Herrschaft sitzen.

Ausstellungsansicht mit einem Schornsteinbesen und dem Bild eines weinenden Kaminfegerbuben von Antonio Rinaldi (1816–1875). © Schweizerisches Nationalmuseum 

Lisa Tetzner findet den Kern ihrer Geschichte in einem Bericht über ein Schiffunglück, dem am 4. November 1832 auf dem Lago Maggiore zweiundzwanzig Kaminfeger zum Opfer gefallen sind. Giorgio schliesst sich in Mailand beim Kampf ums Überleben einer Gruppe an, die sich die Schwarzen Brüder nennt. Beide Bücher schildern drastisch die Ungerechtigkeit und Ausweglosigkeit eines Kinderlebens, beide enden mit einem Hoffnungsschimmer, Giorgio hat Glück und kann eines Tages als Lehrer in seine Heimat zurückkehren. Die Schwarzen Brüder hat der Künstler Hannes Binder in Schabkartontechnik illustriert. Einige Originale ergänzen die historischen Fotos und Gegenstände aus dem Tessin. Zeichnungen von Maria Braun oder Maja Pauletto – letztere leider nie verwendet – sind im Zora-Buchhaus ausgehängt.

Eine der Original-Illustrationen zu dem Band Die Schwarzen Brüder von Hannes Binder.

Bilderbücher für Kinder sind nichts ungewöhnliches als Ausstellungsthema, dass das Landesmuseum nun zwei Jugendromanen und deren Verfassern eine Schau ausrichtet, ist zusätzlich verdienstvoll, weil das Leben von Lisa Tetzner und Kurt Kläber zutnächst in Deutschland, später als Flüchtlinge des Nazi-Regimes in der Schweiz einem breiten Publikum vermittelt wird.

Das Landesmuseum festlich beflaggt: Am Wochenende (10. und 11. Juni) wird der 125 Geburtstag des Hauses gefeiert. Der Eintritt ist an beiden Tagen frei. Es gibt Zeitreisen mit Kuratorinnen, Führungen für Gross und Klein, ein Blick in die Zukunft mit vier Schulklassen aus den vier Sprachregionen. Hier finden Sie das komplette Programm.

Titelbild: Lisa Tetzner und Kurt Held in Carona1928. Fotograf unbekannt © Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien, Zürich

10. Juni bis 12. November

Weitere Informationen zu der Ausstellung und den Veranstaltungen finden Sie hier. 

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