StartseiteMagazinLebensartDer Heitiförster von Spreitenbach

Der Heitiförster von Spreitenbach

Viele Menschen haben eine besondere Beziehung zum Sommer. Sie freuen sich auf Ferien oder machen Pläne für Ausflüge, hoffen auf etwas weniger Hektik am Arbeitsplatz, und geniessen die langen, schönen Sommerabende. Andere aber leiden unter der Hitze oder müssen berufliche Durststrecken hinnehmen. «Was bedeutet Ihnen Sommer?» fragt das Seniorweb ganz unterschiedliche Personen. Sieben Fragen mit jeweils sieben spannenden Antworten.

Zum Auftakt begeben wir uns in den Wald unter die kühlenden, schattenspendenden Bäume. Hier treffen wir den «Heitiförster» von Spreitenbach im Aargau, Peter Muntwyler. Er ist 54jährig und Chef des Forstbetrieb Heitersberg.

Seniorweb: Warum nennt man Sie «Heitiförster»?

Peter Muntwyler:  Als Förster bin ich für den Wald am Heitersberg zuständig, ein Forstrevier, das sich von Spreitenbach bis nach Oberrohrdorf ausdehnt. Die sogenannten Heitiförster sind die Förster aus mehreren Betrieben rund um den Heitersberg, die früher in drei eigenständigen Forstbetrieben arbeiteten. Durch den Generationenwechsel wurden diese zu einem einzigen «Forstamt Heitersberg» zusammengeschlossen, dem ich vorstehe.

Beim Waldumgang kommt Peter Muntwyler auch auf die Schäden durch den trockenen Sommer 2022 zu sprechen.

Wie kommt es, dass Sie den Beruf des Försters gewählt haben?

Das ist erblich bedingt. Schon mein Grossvater war hier Bannwart, wie das früher hiess, ebenso mein Vater, der mich von klein auf immer in den Spreitenbacher Wald mitnahm. So gab es für mich gar keine andere Option. Ich wollte Förster werden. Bereits während der dreijährigen Lehrzeit arbeitete ich auch in den benachbarten Forstbetrieben mit, so dass ich früh mit dem ganzen Waldgebiet vertraut wurde. Da nach der Lehre keine feste Stelle offen war, arbeitete ich in verschiedenen Gemeinden und bildete ich mich dann an der Försterschule, heute Höhere Fachschule, zum Betriebsleiter aus.

Danach folgten weitere fünf Lehr- und Wanderjahre: in einer Sägerei, auf dem Bauamt, sogar in einem mechanischen Betrieb mit Melkmaschinen. Am 1. Januar 2000 konnte ich die Stelle als Förster in Spreitenbach antreten. Das war unmittelbar nach dem Orkan Lothar Ende Dezember 1999. So wurde ich gleich ins kalte Wasser geschmissen. Mein Vorteil als Neuankömmling war, dass es extrem viel Arbeit zu bewältigen gab, aber ich verfiel nicht in die Depression der alten Förster über den Verlust von 40 Jahren zerstörter Arbeit. Ich lernte auch, dass ein Sturm grundsätzlich nichts Böses ist, sondern ein Ablöseprozess. Das kann für den Wald sehr förderlich sein, wirtschaftlich zwar schwierig, weil der Holzpreis zerfällt.

Die geschälten Baumstämme warten auf den Transport in die Sägerei.

Förster holzen hauptsächlich im Winter, welche Arbeiten stehen im Sommer an?

Im Sommer pflegen wir den Wald und die Hecken, pflanzen junge Bäume, kiesen die Wege ein. Heute arbeite ich nicht mehr so viel draussen, sondern befasse mich mehr mit der Planung für die Holzernte im kommenden Winter. Um Bäume zu fällen, müssen sie angezeichnet werden. Wir arbeiten auch mit den Privatwaldbesitzern zusammen, beraten sie oder übernehmen Auftragsarbeiten. Zudem haben wir im Sommer jeweils einen Waldarbeitstag. Dabei kommen Waldbesitzer, Gemeinderäte, Abgeordnete von der Jagdgesellschaft mit den zwei Kreisförsterinnen aus Aarau zusammen, um die Arbeiten des vergangenen Jahres sowie jene für den kommenden Winter zu besprechen. Jeder Holzschlag muss vom Kreisvorstand in Aarau genehmigt werden.

Für Waldbrände gibt es Spezialisten, die mit der lokalen Feuerwehr im Wald Übungen durchführen.

Welche Erfahrungen machen Sie mit der Klimaveränderung?

Durch die intensiveren Trockenperioden werden die Bäume gestresst und sind anfälliger für Borkenkäfer und andere Schädlinge. Normalerweise sind grössere Rodungen und Kahlschläge laut Waldgesetz verboten. Doch bei Käferbefall müssen wir die Bäume grossflächig auch im Sommer innerhalb von acht Wochen fällen und abtransportieren, sonst wächst eine viel grössere Generation von Borkenkäfern heran, die weitere Bäume angreifen. Die gefällten Baumstämme werden dann maschinell geschält und kommen in die Sägerei.

Die Borkenkäfer legen Eier in die Rinde, die die Larven dann mit kunstvollen Frassgängen verzieren. Liegt die geschälte Rinde am Boden, trocknen die Larven aus und sterben.

Wertloses Holz, das wir früher nicht verkaufen konnten, verarbeiten wir neuerdings zu Schnitzelholz für die 2022 eingerichtete Schnitzelheizung. Damit können grössere Gebäude wie das Gemeindehaus oder das Altersheim aus der Ferne beheizt werden. Dennoch holen wir deswegen nicht den letzten Ast aus dem Wald, denn es braucht auch Biomasse, Restholz, das als Nährstoff für Käfer und Pilze am Boden liegen bleibt.

Wie werden abgeholzte Flächen aufgeforstet und gibt es auch Urwald?

Wenn genügend sogenannte Samenbäume in der Nähe stehen, wachsen die Bäume auf natürliche Weise wieder nach. Besonders Weisstannen produzieren viele Samen, die sich grossflächig verteilen. Heute fällen wir Bäume eher frühzeitig und pflanzen sofort junge daneben. Denn ältere Bäume sind weniger an die Trockenheit gewöhnt und nicht so resistent im Gegensatz zu den Jungbäumen, die sich anpassen und tiefere Wurzeln schlagen.

Bäume, die gefällt werden, müssen mit Farbe bezeichnet werden.

Früher pflanzte man viele Fichten, mitunter an ungeeigneten Standorten. Diese wachsen schnell und sind für die Industrie nützlich. Und genau diese Rottannen leiden am meisten unter der Klimaveränderung. Dennoch gehören sie neben den Laubbäumen zum Mischwald. Da Eiben insgesamt giftig sind, wurden sie früher zum Schutz der Pferde, die gerne davon fressen, abgeholzt. Doch an steilen, unzugänglichen Stellen beim Egelsee findet man noch alte Exemplare.

Einzelne abgestorbene Bäume lassen wir stehen, wenn sie keine Gefahr darstellen. Einen eigentlichen Urwald haben wir nicht. Aber seit fünfzehn Jahren werden Altholzinseln ausgespart. Auf solchen Reservatsflächen können die Bäume während 50 Jahren natürlich altern. Davon profitieren zahlreiche Lebewesen, Tiere nisten in den Asthöhlen, Pilze vermehren sich. Im Wirtschaftswald fehlt dieser Alterungsprozess, denn dort wird das Holz wie Äpfel dann geerntet, wenn sie reif sind und nicht erst, wenn sie faulen.

Der sogenannte Holzkasten aus dicken Ästen festigt das steile Bord seit vierzig Jahren und hält immer noch.

In den Bergen kennen wir die Schutzwälder, wie ist das hier am Heitersberg?

Nicht nur Berggebiete brauchen Schutzwälder, auch bei uns gibt es steile, rutschige Abhänge, Quellen und Bäche. Der Waldgürtel schützt die Menschen und Häuser unten im Dorf vor Steinschlag und Murgang, ebenso Strassen und Bahntrassen. Im Forstgebiet Heitersberg sind 90 Hektaren Schutzwald ausgeschieden. Lange wehrte sich der Kanton Aargau gegen die Ausscheidung seiner Schutzwälder. Mittlerweile wird die Notwendigkeit erkannt. Das Geschäft befindet sich in der Vernehmlassung und soll 2024 umgesetzt werden.

Auch der Vitaparcours muss instandgehalten werden.

Der Wald als Freizeitpark, wie verträglich ist das?

Der Wald wird heute intensiver von der Bevölkerung genutzt, mit steigenden Ansprüchen. Er dient, gerade auch an heissen Sommertagen, als Erholungsraum. Lange wurden die Waldleistungen als selbstverständlich angesehen, etwa die Wege zu unterhalten, auch die Feuerstellen, Trinkwasser, Unterstände, Sitzbänke, die wir zur Verfügung stellen. Diese zu bewahren wird immer schwieriger. Wir wünschen uns, dass die Menschen sorgfältig und respektvoll damit umgehen, auch im Namen der Pflanzen und der Tiere.

Fotos: rv

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