StartseiteMagazinGesellschaftFür eine sozial-ökologische Wende

Für eine sozial-ökologische Wende

Wir überlasten die Umwelt. Daraus folgen gravierende Schäden, die uns immer stärker einholen. Existenzielle Grundlagen sind bedroht. Was tun: Flickwerk oder Systemwechsel?

1972 veröffentlichte der Club of Rome eine Studie über Die Grenzen des Wachstums. Wenn die Umweltverschmutzung und Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen anhält, ist die Erde in hundert Jahren zerstört. So lautete ein Befund. 1992 erinnerte die UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro daran. Sie wollte die Armut bekämpfen, ein Verursacherprinzip einführen und nachhaltige Produktionsweisen fördern. Ähnliches forderte 2022 der letzte UN-Umweltgipfel in Sharm el-Sheik, fünfzig Jahre nach dem Club of Rome.

Ende August 2023 diskutierten wir im Sissacher Kultur-Bistro Cheesmeyer über die Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Wende. Die Ökonomin Irmi Seidl plädierte für einen Strukturwandel der Wirtschaft. Die Automobilindustrie und andere Branchen dürften nicht mehr wachsen. Sie müssten stark sinken oder – wie die fossile Energie – ganz verschwinden, erklärte die Professorin an der Uni Zürich.

«Wenn wir eine lebenswerte Zukunft haben wollen, können wir nicht wie bisher weiter konsumieren. Wir müssen unseren Fleischkonsum erheblich reduzieren, auf Flugreisen weitgehend verzichten und uns umweltfreundlich ernähren», ergänzte Evelyn Markoni, Dozentin an der Berner Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften.

Und Ariane Rufino, «im Basel der Fünfziger Jahre aufgewachsen», wo ihre Eltern «eine der ersten Waschmaschinen besassen», berichtete, wie «alles in der Nachkriegszeit auf Wachstum, mehr Komfort und die Steigerung der Lebensqualität ausgerichtet» war. Kein Mensch habe hinterfragt, auf wessen Kosten das gehe. Und so sehr sie sich selbst darum bemühe, beispielsweise autofrei zu leben, erzeuge sie gleichwohl zu viel Abfall. Erfreulich seien indes viele junge Initiativen für eine erdverträgliche Zukunft. Und vielleicht erwache ja die Menschheit irgendwann, ob der katastrophalen Ereignisse. Persönlich ernüchtert, setzt sie sich jedenfalls für eine sozial-ökologische Wende ein. So ist die Musikantin noch Gärtnerin geworden. Und als Grossmutter möchte sie ihren Enkeln vermitteln, «dass eine bessere Welt möglich ist».

Aber was ermöglicht eine breitenwirksame Umkehr? «Etliche Menschen kapieren langsam», so Rufino, «dass weniger mehr ist.» Und die Wirtschaft muss laut Markoni «auch an die Wiederverwertung, Langfristigkeit und daran denken, was sich mit Nebenprodukten aus der Landwirtschaft machen lässt». Das erfordert allerdings andere politische Akzente; so etwa bei den Subventionen. Davon ist Seidl überzeugt. Zu Recht.

Strukturelle Veränderungen sind dringlich. Auch global. Ein fairer, statt neokolonialer Handel könnte beispielsweise die Lebenslage von 15 Millionen Kaffeeanpflanzenden erheblich verbessern. Es gilt deshalb den internationalen Austausch so zu demokratisieren, dass vor allem bislang Benachteiligte mehr davon haben und die Umwelt sich genügend regenerieren kann. Obs gelingt und wie sich die Dynamik weiter entfaltet, ist offen.

Der aktuelle Mainstream ernüchtert, gewiss. Wir Privilegierten sind nach wie vor stark konsumistisch und konformistisch am egomanisch expansiven noch mehr Haben-Wollen orientiert. Immerhin suchen etliche aus freien Stücken mehr soziale Verbindlichkeit. Sie finden materielles Wachstum, Anonymität und Egomanie allmählich etwas öde und müssig. Zudem fällt immer mehr von dem, was wir auf Kosten von andern und der Umwelt realisieren, auch auf uns zurück. Mit Flickwerk lassen sich diese Entwicklungen ein wenig abfedern. Eine sozial-ökologische Wende eröffnet jedoch hoffnungsvollere Perspektiven.

Titelbild: Ueli Mäder, Soziologe. Foto: © Christian Jaeggi

Am Donnerstag, 28. September 2023 (19.00-20.30) diskutieren der Strafrechtler Mark Pieth und die Soziologin Magdalena Küng im Kulturbistro Cheesmeyer in Sissach über Korruption und organisierte Kriminalität.

Rabatt über Seniorweb

Beim Kauf einer Limmex-Notruf-Uhr erhalten Sie CHF 100.—Rabatt.

Verlangen Sie unter info@seniorweb.ch einen Gutschein Code. Diesen können Sie im Limmex-Online-Shop einlösen.

Beliebte Artikel

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Reduzierter Preis beim Kauf einer Limmex Notfall-Uhr
  • Vorzugspreis für einen «Freedreams-Hotelgutschein»
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-

1 Kommentar

  1. Eine eher magere Ausbeute dieses Treffens bei diesem so wichtigen Thema. Ich habe mir, ehrlich gesagt, etwas mehr Substanz und konkrete Anstösse für die Gesellschaft von den eigeladenen Gästen erwartet. Aber ich war ja nicht dabei und habe vielleicht auch von diesen in der Öffentlichkeit stehenden Frauen zuviel erwartet.
    Um dem Klimawandel etwas entgegen zu halten, braucht es vor allem ein Umdenken in allen Köpfen und wirksame und rasch umsetzbare, politische Entscheide. Wir alle können bei den nächsten Wahlen dazu beitragen, dass sich wenigstens die motiviertesten und weitsichtigsten Politiker*innen für unser aller umweltverträgliches Weiterkommen ohne faule Kompromisse und ohne Eigennutz einsetzen werden.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein