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Lesung hören, Buch kaufen, Buch lesen

Eine Vorschau auf das Literaturfestival «Zürich liest» vom 25. bis 29. Oktober

Kaum ist das Zürcher Filmfestival Vergangenheit, rüsten sich Buchhandlungen, Verlage, Kleintheater, Kaffeehäuser und Kirchen für «Zürich liest». In einer Woche finden fast zweihundert Veranstaltungen über Bücher und Texte statt. In der Altstadt, in den Aussenquartieren und in der Region zwischen Dietikon und Winterthur.

Das Programm mit nebenstehendem Logo ist online, an den Veranstaltungsorten oder auch im Tram zu haben, es hilft bei der Planung, denn überall dabeisein geht nicht: Mag ich lieber zu einer Krimilesung oder will ich mehr über Künstliche Intelligenz erfahren, möchte ich einem bekannten Schriftsteller, einer beliebten Autorin zuhören, Poesie oder Prosa, mit oder ohne Häppchen und Getränk, Kollekte oder Eintrittspreis.

Unter den zahlreichen Lesenden und Moderierenden sind bekannte Namen wie Alex Capus, Lukas Bärfuss, Peter Stamm oder Milena Moser, welche am Dienstag die Eröffnungsrede halten werden. Der Anlass ist jetzt schon ausverkauft, aber Milena Moser hält ihre Rede aus dem Erkerfenster des Zentrums Karl der Grosse. Dort ist bis zum Sonntag das Festivalzentrum zu Gast, ausserdem finden im Karl 40 vom Festivalbüro kuratierte Veranstaltungen statt. Und mit etwas Glück treffe man dort auch eine Dichterin oder einen Poeten beim Bier, verspricht das Programm.

So sah es vor einem Jahr bei einer Lesung in der Buchhandlung Paranoia City aus: Alle Stühle besetzt.

Eine spezielle Empfehlung haben wir für Patrik Swensson bekommen. Der Schwede liest aus seinem neuesten Buch Die Chronistin der Meere. Svensson war mit dem Evangelium der Aale international in den Bestsellerlisten. Unser Hinweis lautet Ernst Stadler. Der expressionistische Lyriker mit dem schmalen Werk soll nicht vergessen werden, meint der Nimbus-Verlag.

Höhepunkte sind weitere Veranstaltungen über verstorbene Autorinnen und Autoren. Darunter grosse Namen wie James Joyce (Speeddating mit Mr. Bloom), Ingeborg Bachmann (Film-Vorpremiere) oder Charles Ferdinand Ramuz, dessen erstmals in Deutsch publizierter Roman Sturz in die Sonne (auf Seniorweb besprochen) in Zeiten der nicht mehr zu leugnenden Klimaerwärmung neue Aktualität gewonnen hat. Das Frauenkollektiv RAUB will an Mariella Mehr erinnern, jene produktive Dichterin, deren Sprachmächtigkeit Ausweg aus der Gewalt war, die man ihr und den Jenischen hierzulande angetan hat – Stichwort Kinder der Landstrasse.

Diese Bücher zum aktuellen Thema «Frauen und Islam» werden im Zürcher Hammam Basar vorgestellt und diskutiert.

Was wäre ein mehrtägiges Literaturfestival ohne die gängigen Themen Gendern, Feminismus, Migration, Rassismus, nonbinäre Menschen, Kolonialismus? Das gigantische Angebot – ein gut sortierter Gemüseladen kann da niemals mithalten – hat für «jede*n» etwas. Unter anderen Fluchtgeschichten in der Galerie Litar, oder Lesungen über und für queere Menschen und Rahel El-Maawis mit Mani Owzars Auftritt gegen Rassismus. Das Nonam (Nordamerika Native Museum) hat Aram Mattioli mit seinem Buch zum indigenen Widerstand eingeladen und ist mit den Tiergeschichten aus Nordmerika ein Teil des Kinder-Lesungen-Programms. Sicher freuen sich auch die Alten an der Ausstellung im Literaturmuseum Strauhof, wo zurzeit die bösen Kinder aus der Literatur zuhause sind, vom Struwwelpeter bis zu Pippi Langstrumpf, die manche Pädagogen gern auf dem Index hätten.

Im Strauhof ausgestellt: Der Struwwelpeter aus dem 19. Jahrhundert mit den schrecklichen Kindern, wobei es hier immer die Optik der bürgerlichen Erzieher ist. © Sammlung SIKJM

Weil man von Wörtern nicht satt wird, gibt es bei Zürich liest nebst Lesungen auch zu Essen, da wäre das Mezze-Dîner bei dem das Thema Frauen und Islam verhandelt wird, oder aber Kaffee und Kuchen mit Andreas Müller-Crepon und eine Buchlesung mit äthiopischem Buffet und da und dort ein Umtrunk. Auch die Geschichte der Bodega Espanola, die trotz Wirtewechsel ihren Charme behalten hat, ist ein Anlass für Häppchen. Und erst recht die Hommage an Carlo Bernasconi, Literat, Koch und Wirt, dem bei Speis und Trank in der Weissen Rose gedacht wird.

In der Galerie Litar wird Exilliteratur vorgestellt und diskutiert.

Literatur bewegt, jedenfalls kann man sich, statt von einer Veranstaltung zur nächsten zu eilen, bei Spaziergängen, im Krimitram, oder auf einer Schiffahrt weiterbilden. Alles ist möglich bei so vielen Veranstaltungen, denn hier plant nicht eine Organisation, sondern es ist eher ein Jekami der Veranstalter, die bei den Details wie Eintritt oder Kollekte, Spaziergang zu literarischen Brennpunkten oder auf Friedhöfen und im Wald, weitgehend freie Hand haben, also Buchhandlungen, Verlage, Kulturorte, Bühnen oder Beizen. Der Verein Zürich liest hat mit der Koordination und dem Marketing noch genug zu tun.

Im Nonam, dem Nordamerika Native Museum, gibt es Tiergeschichten für Kinder und eine Lesung von Aram Mattioli über den Kampf der Indigenen gegen die Siedler aus Europa.

Zürich liest übrigens nicht nur in der Stadt, sondern in der ganzen Region, die Autorinnen und Gesprächsleiter kommen zu ihrem Publikum in Dielsdorf, Dietikon oder Winterthur. Daselbst macht Demian Lienhard auf seiner Lesereise mit seinem Erfolgsbuch Mr. Goebbels Jazzband Station.

Wiener Charme und Witz mit Nicolas Mahler und seinen 66 Büchern. Eine Performance. Foto: © mahlermuseum.com

Und wo doch schon so viele Lebensgeschichten – autofiktionale und solche über andere Personen – in Mode sind, kommt vielleicht die Lust auf, es selbst zu probieren. Also werden auch Workshops angeboten, die eigentlich Zürich schreibt heissen sollten.

Aber wo und wie findet man das, was man keinesfalls verpassen möchte: Schön digitalisiert auf einer Website, mit Buttons nach Daten, Mitwirkenden, Orten undsoweiter. Oder eben im Druckprogramm in kleiner Schrift, dafür gut überblickbar.

Titelbild: Das Erkerfenster im Haus «Karl der Grosse» ist für die Eröffnungsrede eingerichtet.
Fotos: Zürich liest (wenn nicht anders vermerkt)

Hier geht es zur Website von Zürich liest 2023, wo Sie alle Mitwirkenden und Veranstaltungsorte auswählen können. Melden Sie sich an, sofern das verlangt ist. 

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