StartseiteMagazinKulturEin Kaleidoskop voller Fotografien

Ein Kaleidoskop voller Fotografien

Vier Fotografinnen und Fotografen von internationalem Format finden sich nebeneinander im weiten Raum des Photo Elysée innerhalb der Plateforme 10 in Lausanne.

Eintauchen in die Welt der Bilder, das ist aktuell das immanente Motto der Plateforme-10-Museen. Fotografien von Menschen, ein Dokumentarfilm über die aufs Schlimmste bedrohte Amazonas-Natur; Bilder als persönliche Stellungnahmen, überraschende Experimente mit Fotos, ironische Anspielungen auf aktuelle Gewohnheiten und nicht zuletzt Fotografien, die mithilfe Künstlicher Intelligenz entstanden sind.

Virginie Otth, Cartonnages (Foto mp)

Das alles erwartet uns im grossen übersichtlich gestalteten Fotobereich des Lausanner Museumszentrums. Es ist eine vielseitige Schau gegenwartsorientierter Fotografie mit internationaler, aber auch Schweizer Perspektive. Auch ein wenig Fotogeschichte hat Platz: Die amerikanische Fotografin Deborah Turbeville galt als Modefotografin – besonders für Vogue. Bei ihren Recherchen stiess Museumsdirektorin Nathalie Herschdorfer auf experimentelle und höchst originelle Fotoarbeiten und Collagen, die das Verständnis für die Kunst der Deborah Turbeville erweitern und der Ausstellung in gewisser Weise Wurzeln verleihen.

Richard Mosse: Broken Spectre («Zerbrochenes Gespenst»)

Die Wucht bewegter Bilder und die Eindringlichkeit der Botschaft, die der Dokumentarfilm von Richard Mosse (*1980) über die voranschreitende Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes vermittelt, bewegt Zuschauerinnen und Zuschauer. Es genügt nicht, Bescheid zu wissen. Die Intensität der Bilder prägt sich ein. – Das Eintauchen, das Nathalie Herschdorfer eingangs erwähnte, geschieht hier unmittelbar. Kein Medium beseitigt die Distanz zwischen Bild und Betrachtenden so radikal wie ein Film, wie dieser Film.

Der aus Irland stammende Fotograf und Filmer hat bewusst auf diese Wirkung hingearbeitet. Vor allem in Pandemiezeiten, als andere Tätigkeiten nicht möglich waren, drehte er und bearbeitete die Aufnahmen. Veröffentlicht wurde das Werk im Vorfeld der Wahlen 2022 in Brasilien, um beizutragen, dass Jair Bolsonaro nicht wiedergewählt wurde. Denn unter dessen Präsidentschaft ging die Zerstörung ungebremst und grausam gegenüber den indigenen Gemeinschaften voran.

Richard Mosse, Broken Spectre. Filmstill (Foto mp)

Richard Mosse arbeitete mit verschiedenen Techniken und mit mehreren Kameras. Er benutzte fluoriszierende Aufnahmen, um wissenschaftlich korrekt die Komplexität von Natur und Landschaft aufzuzeigen.  Auch berührende Statements der Yanomami und Munduruku gehören dazu. Für die – schockierenden – Szenen über den illegalen Bergbau, die Abholzung und Brandrodung arbeitete Mosse mit Infrarot-Kameras. Für Luftaufnahmen, die das Ausmass der Zerstörung zeigen, nahm er eine Multispektralkamera. So verfälscht er die Realität nicht, macht aber bestimmte Aspekte besonders sichtbar.

Da sind schönste Aufnahmen des Regenwaldes, dazwischen sehen und hören wir, wie ein Mann mit Kettensäge einen mächtigen Baum fällt. – Aus Respekt vor der Natur und den Menschen, die dort leben, müssen wir uns den Kontrasten dieses spektakulären Films aussetzen. Richard Mosse sieht seine Dokumentararbeit als Graswurzelarbeit im wahrsten Sinne des Wortes.

Deborah Turbeville: (ohne Titel) 1990 © Deborah Turbeville / Collection MUUS

Deborah Turbeville: Fotocollage. Eine Retrospektive.

Nathalie Herschdorfer erzählt, wie überrascht sie war, als sie entdeckte, dass Deborah Turbeville (1932-2013) ein vielseitiges fotografisches Werk geschaffen hatte, das weit über die Modefotografie der berühmten Vogue hinausgeht. Dabei war es damals in den 1950er Jahren aussergewöhnlich, dass eine Frau überhaupt für ein solches Magazin fotografieren durfte.

Deborah Turbeville: Venedig 6. Juli 1978 © Deborah Turbeville / Collection MUUS

Die Aufnahmen dieser Ausstellung, entstanden vorwiegend in den 1970er Jahren, sind erstaunlich zeitlos, zuweilen melancholisch. Frauen, vielleicht Mannequins, die auf ihren Auftritt warten, ihre Konturen verschwinden in Unschärfe, als wäre die Szene schon vergangen. Deborah Turbeville bearbeitete ihr Material, spielte mit den Kontrasten, stellte die Aufnahmen auf braunem Packpapier zusammen, sie zerschnitt oder zerriss ihre Abzüge und klebte sie nach ihren Vorstellungen zusammen. So entstanden träumerische, scheinbar unwirkliche Szenen, die über alle geknipsten Bilder hinausgehen. Herschdorfer sagt: «Im Zeitalter des Internets sind wir gewohnt, gestochen scharfe, farbige Bilder auf unseren Bildschirmen zu sehen. Turbevilles Arbeiten haben einen deutlich handwerklichen Charakter.» Und sind voller Poesie und Zartheit.

Virginie Otth: aus 13 Quotidiennités 2013. © Virginie Otth 2023

Virginie Otth: Un lac dans l’oeuil (Einen See im Auge)

Fotokünstlerin, Lehrerin (und frühere Absolventin) an der Ecole de Photographie in Vevey und Schreibende – Virginie Otth (*1971) versteht sich auf Bilder ebenso wie auf Sprache. Sie lässt sich von allem inspirieren, was ihr tagtäglich begegnet. Quotidiennetés heisst darum eine Sammlung kleiner Fotos, die eine Wand füllen. Nicht mehr wegzudenken aus unserem Alltag sind die Kartons des Versandhandels: Virginie Otth füllt diese weit aufgeklappten Schachteln mit Bildern von Blumen aller Art. Sie erklärt, dass diese Aufnahmen aus dem Park L’Elysée stammen, wo sich bis vor ein paar Jahren das Fotomuseum befand. Was für eine schöne Art, einen Umzug zu gestalten!

Eine grosse Installation nennt sie Multiples/Désirs und erklärt dazu, dass sie diese den Männern widmet, die sie liebt. Es ist eine raffinierte Umkehrung früher üblicher Aktdarstellungen, einer traditionellen Männerdomäne. Die Fotos in unterschiedlichen Formaten vor- und übereinander platziert, offenbaren einen eindeutig weiblich-erotischen Blick auf die Körper des «anderen Geschlechts», ohne Aggressivität, aber deutlich, vielleicht mit einer Nuance Verschmitztheit.

Virginie Otth, Multiples / Désirs (Foto mp)

Einen weiteren Zugang zu ihrem Schaffen eröffnet uns Virginie Otth in einem sehr persönlichen Buch: Pour l’instant zeigt, dass sie nicht nur mit Bildern, sondern auch mit Worten subtil umgehen kann. (im Museumsshop anzuschauen bzw. zu kaufen)

Mathieu Bernard-Reymond: C.-F. Ramuz und Künstliche Intelligenz

«D’après Ramuz» nennt Bernard-Reymond (*1976) seine Arbeit, die er auf Vorschlag einer literarisch orientierten Gruppe La Muette geschaffen hat. Der Fotograf, ebenfalls Absolvent der Fotoausbildung in Vevey, beschäftigt sich ausführlich mit digitalen Techniken. Daraus entstehen «Fotohybride», nicht einfach Bearbeitungen mit den Möglichkeiten des Computers, sondern neue Kreationen. «Une poésie entre les vers et les images», nennt er seine Vorgehensweise. Für seine Arbeiten hat er viele Auszeichnungen erhalten.

Mathieu Bernard-Reymond: «C’était une levée de rocs noires d’humidité et frangée de blanc.» C. F. Ramuz © Mathieu Bernard-Reymond

La Muette – literarische Räume entstand als Projekt, das der Literatur, besonders der von Charles Ferdinand Ramuz, dem grossen Waadtländer, gewidmet ist. Mathieu Bernard-Reymond gibt Ramuz-Zitate der Künstlichen Intelligenz zur Bearbeitung. Nach seinen Eingaben entstehen aus den Sätzen Bilder. – Wenn wir einen Text lesen, entstehen bekanntlich mentale Bilder. Bernard-Reymond lässt nun mithilfe von KI eine virtuelle Realität entstehen. Entstanden sind seltsame, rätselhafte, unerwartete Sichtweisen auf Ideen. Eine durchaus bedenkenswerte Art, mit diesem umstrittenen Mittel des digitalen Fortschritts umzugehen.

Das PhotoElysée innerhalb des Kunstzentrums in Lausanne zeigt die Werke dieser Künstlerinnen und Künstler noch bis zum 25. Februar 2024. Weitere Informationen.

Titelbild: Filmstill aus Richard Mosse, Broken Spectre, Roraima, Luftaufnahme mit multispektraler Kamera © Richard Mosse

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