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Spaziergänge im Berliner Herbst

Museums- oder Theaterbesuch, Wolf Biermann, Edvard Munch oder Glitzerrevue im Friedrichstadtpalast und Wandern im Grünen.

Auf der berühmten Flaniermeile Unter den Linden gehen die Einheimischen zügig, schlendern die Ferienreisenden ziellos. Und auf dem breiten Spazierweg zwischen den beiden Fahrbahnen für einen recht gefährlichen Motorverkehr bewegt der Wind die fallenden gelben Lindenblätter. Oder aber ein hässlicher Wind peitscht Regen durch die Allee und lässt die Blätter zu Boden wirbeln, während sich die Promenade leert, die Touristen ins Museum eilen.

Unter den Linden in Berlin Mitte. Bild: Wikicommons

Lieber ins Humboldt-Forum mit den Sammlungen Asiatischer und Afrikanischer Kunst oder ins Deutsche Historische Museum? Wir bleiben vorerst beim Berlinischen und besuchen die Wolf-Biermann-Ausstellung im Historischen Museum. Zwar lebt der west-ostdeutsche Sänger und Dichter in Hamburg und durchaus noch ganz munter, aber sein Vorlass (Nachlass zu Lebenszeit) liegt bereits in den Archiven. Er ist ein Stück Zeitgeschichte, das eine Ausstellung in einem Museum der deutschen Geschichte rechtfertigt.

Ausstellungsansicht mit Hörstation und dem Foto aus Biermanns Wohnung in der Chausseestrasse, extra für die Stasi arrangiert, denn ausser ihm ist niemand zu  erkennen.

1976 wurde er als renitenter Protestler ausgewiesen aus der sozialistischen Deutschen Demokratischen Republik, in die er zuvor eingewandert war, um dem Wirtschaftswunder und dem Kapitalismus zu entkommen. Als Autor und Liedermacher ist er noch immer bekannt. In dieser Ausstellung wird deutlich, wie sehr ihm das Ideal eines freiheitlichen Sozialismus am Herzen lag, wie wichtig er für die nicht angepasste Kulturszene in der DDR war, wie sehr er sich gegen die Ausreise sträubte, aber auch welch zentrale Rolle das Leben und Sterben seines jüdischen Vaters, eines überzeugten Kommunisten im Widerstand, spielte.

Biermann im Garten mit dem Holocaust-Memorial. Die Bahnschwelle stammt von einer Hamburger Gleisanlage, über die Deportationszüge geführt wurden. Foto: Barbara Klemm © Deutsches Historisches Museum

Die Geschichte von Wolf Biermann, die zugleich ein Stück Geschichte des geteilten Deutschlands spiegelt, wird hier anhand von Dokumenten, Fotos und Plakaten erzählt, aber was wäre die Ausstellung ohne die Stimme des Sängers? Die Hörstationen laden ein, zu verweilen und sich vielleicht das Lied «Du lass dich nicht verhärten/in dieser harten Zeit», das er 1968 mit dem Titel Ermutigung Peter Huchel gewidmet hat, einem von der Stasi schwer schikanierten Lyriker.

Ausstellungsansicht mit kritischem Plakat zur Wende.

Und wo darf man weitersingen, wenn man Lust hat, ohne gleich aufzufallen? In der Grossstadt Berlin eigentlich überall, weil sich niemand kümmert, was um einen vorgeht. Aber uns zieht es weg von der Stadtmitte ins Grüne. Berlin ist vermutlich die grünste Hauptstadt der Welt; wo es nicht kleine Pärke oder Spielplätze oder auch Vorgärten und baumbestandene Höfe gibt, ist das Baugebiet durchzogen von Wäldern, Seen, Auen, meist gut erreichbar mit dem öffentlichen Nahverkehr. Wir fahren zunächst mit einem Doppeldeckerbus der Spree entlang Richtung Westen – auch hier fast immer durch Alleen.

Manche Endstationen der Strassen- und U-Bahnen tragen Namen, die die Fantasie anregen. So heisst die Endhaltestelle der U3 Krumme Lanke. Auf der Karte finden wir einen der vielen Seen auf dem Stadtgebiet. Also Wanderschuhe an und Mütze auf und nichts wie hin. Zuvor aber noch kurz die Herkunft des Wortes klären: Das Wort Lanke stammt aus dem altslawischen und bedeutet stehendes Gewässer, Bucht, Hafen und ist im nördlichen und östlichen deutschen Sprachgebiet ein nicht seltener Flur- und Ortsname.

Die Krumme Lanke gerahmt von einem bunten Blätterwald. 

Wir wandern um den leicht gekrümmten, schmalen See herum. Er ist rund ein Kilometer lang und sechs Meter tief. Der Rundweg führt an verschiedenen Badeplätzen vorbei, die jetzt natürlich verwaist sind. Aber es wurden überall kleine Sandstrände zwischen den Bäumen errichtet, die bis zum Wasser reichen. Auf der gegenüberliegenden Seite gibt es einen Schilfgürtel. Wir begegnen an diesem kühlen und eher feuchten Tag vor allem sportlichen Velofahrern und Hundebesitzern mit ihren Vierbeinern.

Sitzbank mit doppeldeutigem Namen am Rundweg um die Krumme Lanke. Foto: Ansgar Koreng

Im Sommer wäre hier reges Treiben, die Krumme Lanke ist zwar weniger bekannt als der Wannsee, aber bei den Einheimischen ein beliebtes Ziel zum Schwimmen und planschen, erst noch gibt es einen Nacktbadestrand. So oder so ist die Fischerhütte, eine historische Gaststätte zwischen der Krummen Lanke und dem Schlachtensee, nach Halbzeit der Wanderung unser Ziel für Kaffee und Kuchen. Erfreulich, dass das Gasthaus sommers (mit grossem Selbstbedienungsgarten) und winters täglich geöffnet ist.

Berlin ist voller Musik, Kunst und demnächst auch Weihnachtsmärkten. Die offizielle Tourismusseite Visit Berlin bräuchte enorm viel Zeit nur fürs Suchen und Auswählen, so vieles könnte man unternehmen. Aber uns ist eines klar: Nicht zu verpassen ist ist die grossartige Edvard Munch-Ausstellung in der Berlinischen Galerie. Auch hier ist das letzte Stück Wegs von der Bushaltestelle eine Allee: Berlin ist wirklich eine grüne Grossstadt.

Edvard Munch: Die Frau 1925. © MUNCH, Oslo

Edvard Munch. Zauber des Nordens heisst die Ausstellung zur Beziehung des norwegischen Malers zu Berlin. Kurz vor der Jahrhundertwende war in der Metropole der Kunst eine allgemeine Begeisterung für alles Nordische, für Ibsens Dramatik, Griegs Musik und für die impressionistische Malerei von Fjorden. In der Folge wurde Munch 1892 eingeladen und ohne Kenntnis seines Werks wurde ihm beim Verein Berliner Künstler eine erste Einzelausstellung eingerichtet. Aber sogleich wieder geschlossen, so gross war die Empörung über die avantgardistische Malerei.

Edvard Munch: Der Tod und der Frühling 1893. © MUNCH, Oslo

Der Skandal verhalf dem Künstler zum internationalen Durchbruch. Ihn freute der Rummel um seine Person und er blieb gleich in Berlin: «Das ist übrigens das Beste, was passieren kann, bessere Reklame kann ich gar nicht haben,» schrieb er nachhause. Bis 1908 blieb Munch in Berlin, malte und soff exzessiv.

Edvard Munch: Vampir, 1916 bis 1918. © MUNCH, Oslo

Edvard Munch war als früher Vertreter der radikalen Moderne in der Berliner Szene der Wegbereiter des modernen Expressionismus. Nun sind rund 90 Werke ausgestellt, Malerei und Grafik, der Maler hätte ebenso ein Ausnahme-Grafiker sein können. Ein Raum ist dem Hauptwerk gewidmet, dem Lebensfries. An diesem Zyklus der Emotionen um Liebe, Leben und Tod arbeitete der Künstler bis er 1944 starb. Das bekannteste Werk, Der Schrei, fehlt (die erhaltenen Originalversionen sind zu Unsummen versichert, also nicht ausleihbar), aber ebenso ergreifend sind Der Kuss, Melancholie, Die Eifersucht, alle vom Munch-Museum in Oslo nach Berlin ausgeliehen.

The Diamond City, Szene aus Falling/In Love im Friedrichstadtpalast. Foto: © Nady El-Tounsy

Und abends? Theater, Oper, Konzert oder Kabarett? Einfach mal nachschauen und eventuell vor der Reise buchen. Demnächst hat das Berliner Ensemble Premiere mit 1984, von George Orwell, gespielt, eine immer beklemmendere Dystopie. Oder einmal noch eine grosse Revue erleben, wie sie wohl nur noch im Friedrichstadtpalast in Berlin aufgeführt werden kann, zurzeit wird Falling in Love gespielt, kuratiert vom Pariser Modepapst Jean Paul Gaultier, glitzernd dank viel Swarowski-Kristallen.

Titelbild: Edvard Munch: Jugend am Strand 1904. © MUNCH, Oslo
Fotos: ec

Hier finden Sie die Links zu den besprochenen Sehenswürdigkeiten:
Deutsches Historisches Museum: Wolf Biermann. (bis 2.6.24)
Berlinische Galerie: Edvard Munch. (bis 22.1.24)
Friedrichstadtpalast: Falling/In Love.
Krumme Lanke
Alle Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen gibt es auf Visit Berlin

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