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Das Lachen der Götter

Götter und Göttinnen haben keinen Humor. Sie haben viel zu tun. Haben unglaublichen Einfluss auf das Schicksal von Menschen. Sie sind aber untereinander eifersüchtig und neidisch. Sie lachen schallend, wenn einem oder einer von ihnen ein Missgeschick geschieht. So erging es Hephaistos. Er unterstützte Hera, die Gemahlin des Zeus, in ihrem Streit mit ihm. Da packte ihn der Göttervater am Fuss und warf ihn vom Olymp auf die Erde. Zurückkommend hinkte er und als er die Tafelrunde bediente, lachten alle über sein Humpeln. Zeus gab ihm Aphrodite zur Frau. Diese aber betrog den Hinkefuss mit Ares, dem Kriegsgott. Hephaistos, der Gott des Feuers und der Schmiedekunst ergriff die Wut. Er warf ein Netz über die Liebenden und rief Göttinnen und Götter herbei, die herzhaft über die beiden Nackten lachten. Dieses grosse Lachen auf dem Olymp wird noch heute als «Homerisches Gelächter» bezeichnet.

Wer am Stammtisch oder im Kreis sich wichtig nehmenden Grössen sitzt, kann beobachten, wie gelacht wird. Es ist meist das Lachen über Missgeschicke, über ein Stolpern in geschäftlichen und anderen Angelegenheiten. Es betrifft nicht selten auch die Aufgeblasenheit oder Sturheit von rechthaberischen Kollegen. Es ist niemals Humor. Oft ist es ein Lachen der Schadenfreude. Der französische Philosoph Henri Bergson* hat das Lachen in seinem Werk systematisch untersucht. Es sei so vielfältig wie das Spiel, sodass es niemals definiert werden könne.

Bergson schreibt: «Das Lachen ist eine bestimmte soziale Geste, die eine bestimmte Art des Abweichens vom Lauf des Lebens und der Ereignisse sichtbar macht und gleichzeitig verurteilt». Bei «Nuhr im Ersten»** glossiert Dieter Nuhr politische Fehler, gesellschaftliche Entgleisungen, Skandale, Dummheiten und Peinlichkeiten in einer Härte, die einem Schweizer Zuschauer leicht ein «Nein, aber au!» entreisst. Da wird wie im Olymp schallend gelacht; und ist der Saal dicht besetzt, explodiert der Raum geradezu vor Gelächter.

Dieses Lachen geht auf Kosten von Menschen und führt zu Degradierung ihres Handelns. Auch der Witz folgt dieser olympischen Art. Man spottet über Frauen, über Schwiegermütter, über Trottel. Es trifft stets jemand, der nicht anwesend ist. Reflektiert der Mitlachende das Lachen, erkennt er vielleicht, dass auch er gemeint sein könnte, wäre er nicht gerade hier.

Diese Art des Lachens ist nicht mit dem Humor zu verwechseln.  Es ist Emil, der Postbeamte oder der Feuerwehrmann, der stottert und sich verspricht. Es ist Loriot, der die eine Spaghetti nicht aus dem Gesicht bringt. Es ist der Clown im Zirkus, der die Leute zum Lachen bringt, weil er über seine eigenen Fehler stolpert und sich ärgert. Dieser Humor, der ein Schmunzeln oder Lächeln auf das Gesicht der Zuschauer zaubert, sagt ihnen, das könnte dir auch passieren. Es ist das befreiende Lachen des Humors, das entsteht wie ein Spiel, das keinen anderen Zweck verfolgt als zu spielen.

Es ist im tiefsten Grund ein wohltuendes Lächeln über sich selbst, während das Lachen der kleinen und der grossen Götter über andere weit weg ist von Wohltun und Beglücken.

*Henri Bergson: Das Lachen. Arche 1972.
**Dieter Nuhr: Oft auf 3Sat oder auf anderen deutschen Sendern zu sehen.

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4 Kommentare

  1. Ganz recht, das meiste Lachen der Menschen (und Götter) ist Schadenfreude und wie ich immer wieder feststelle, oft einfach Dummheit.
    «Nuhr» im Deutschen Fernsehen ist dafür ein abschreckendes Beispiel. Ich habe mir diese «Satire» ein paar mal angetan und konnte nicht glauben, wie populär dieser Menschenverachter beim Publikum ist. Ich ertappe mich dabei, dass bei all diesen verbalen Attacken auf vermeintliche Fehltritte anderer, ich diese als genauso destruktiv empfinde wie tätliche Angriffe und keineswegs darüber lachen kann. Ähnlich schlecht fühle ich mich, wenn ich an rechtskonservative politische Parteien und ihre Anhänger im In- und Ausland denke. Dort wird ja nur gelacht, wenn eine Wahl, durch in aller Regel manipulative Medienpräsenz, Herabsetzung anders Denkender und reiche Sponsoren im Hintergrund, gewonnen wurde.

    Der Schlüssel für dieses Tor zu Hades, dem Herrscher über die Unterwelt, sind die Menschen, die ohne Sinn und Verstand die unkontrollierten Medien konsumieren und weitergeben, welche ohne Scham und Gewissen alles in den Äther jagen, was an menschlichem und zunehmend an unmenschlichem Treiben zum Vorschein kommt,

    Ein ehrliches Lachen über Unzulänglichkeiten aber mit Mitgefühl für andere kann befreiend und wohltuend sein, besonders in diesen schwierigen Zeiten wie diesen.

  2. Na Frau Mosimann!? Schadenfreude ist die schönste Freude, sagt der Volksmund. Ein sehr menschliches Gefühl und manchmal hilft es, die eigene Unzulänglichkeit etwas besser zu ertragen. Sie dürfen da nicht so streng sein. Gut, Dieter Nuhr geht manchmal an die Grenzen des eigenen Geschmackes, aber bei Satire ist durchwegs fast alles erlaubt. Er ist ein Meister des Auslassens, man ist mit ihm dabei und merkt plötzlich, dass einem selbst eben ein böser Gedanke, der einem eigentlich peinlich sein müsste, aufgeht. Sonntagabend «Nuhr im Ersten» , wenn nicht, dann eben im «Zweiten» bei einer verlogenen Liebesgeschichte auf dem Reiterhof in Irland oder beim Traumschiff. Satire ist übertriebene Realität, aber zugegeben, man muss das lieben.
    PS: Die bewusste Herabsetzung politischer Gegner in der schweizerischen Politik ist noch nicht so alt; man kann eigentlich genau festlegen, wann guter Geschmack und Anstand verloren gingen.

    • Ach ja, Herr Weber, über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Und ich bin, zugegeben, anspruchsvoll und verwöhnt von z.B. dem leider verstorbenen Kabarettisten Dieter Hildebrandt. Er war ein Könner der politischen Satire und, wie ich einmal über ihn gelesen habe, er war über Jahrzehnte, nicht nur für die Deutschen, eine moralische Instanz ohne zu moralisieren.
      Bei ihm kam alles zusammen, das die Zuschauer*innen nicht nur glänzend mit Wortwitz, Schlagfertigkeit und zugespitzten Pointen unterhielt, seine heftigen Seitenhiebe, meist an die Adresse der Politik, liess niemanden im Unklaren, was in den gewählten Themen gerade abging und an den Pranger gestellt werden musste. Das Publikum belohnte ihn stets mit viel Gelächter und tosendem Applaus. Sein Stil war einzigartig und liebenswert. Tempi passati, leider.
      PS: Vielleicht möchten Sie uns noch sagen, wann genau nach Ihrer Meinung der gute Geschmack und Anstand in der heimischen Politik verloren ging? Bei unseren eigenen Satiresendungen vergeht mir persönlich das Lachen. Gut gemachte Satire über Schweizer Politk, die unterhält und zum Denken animiert, fehlt m.E. völlig.

  3. Abschliessend Frau Mosimann: Dieter Hildebrandt ist tot; wir müssen uns mit der heute agierenden Kabarettszene begnügen. Und mit den Ansprüchen der heutigen Generation. Wenn ich morgen keinen Lichtblick mehr sehen, werde ich nicht mehr aufstehen. Nun zum PS:
    Spätestens seit der Werber Alexander Segert die Werbung übernommen hatte. Er hat offensichtlich keine Mühe, die Gestaltung der SVP-Plakate an die grossen Vorbilder aus der Nazizeit anzulehnen. Er ist geborener Hamburger und mit einer Bundesrichterin (SVP) verheiratet.
    https://www.nzz.ch/svp_plakate_propaganda_bettina_richter_schwarz

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