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Tanzen durch die Zeiten

«Timekeepers» heisst der neue Ballettabend im Zürcher Opernhaus, ein Streifzug durch die Ballettgeschichte vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute. Inszeniert von einer Australierin, einem Afrikaner und einer Russin. Es ist ein fulminanter Tanz in drei Werken, begleitet vom Applaus eines begeisterten Publikums.

Am Anfang des Abends steht eine Hommage: Die australische Choreografin Meryl Tankard zeichnet zu Georges Antheils «Ballet mécanique» das Leben der einst «schönsten Frau der Welt», Hedy Lamarr, nach. Wie Splitter eines zerbrochenen Spiegels werden in «For Hedy» einzelne biografische Sequenzen beleuchtet, begleitet von der dissonanten, perkussiven Musik des Komponisten, der das Stück ursprünglich für ein mechanisches Piano, acht Klaviere, vier Xylophone, zwei elektrische Klingeln, zwei Flugzeugpropeller, einen Gong, vier grosse Trommeln und Sirenen auslegte.

Aufpeitschender Sound

Auf der Bühne des Opernhauses verblieb ein Klavier, gespielt von Guy Livingstone, unterlegt mit einem Staccato-Klangteppich aus ständig wechselnden Rhythmen und Takten. Es ist keine Ballettmusik, eher ein emotionaler Sound, der die Tanzenden durch das sechsminütige Stück peitscht.

Im Mittelpunkt steht Hedy Lamarr (Shelby Williams), ein gefeierter Hollywoodstar der Zwanzigern, aber auch die Frau, die zusammen mit dem Komponisten Antheil das Frequenzsprungverfahren entwickelte, das bis heute in der modernen Datenvermittlungstechnik Anwendung findet.

Shelby Williams durchlebt als Hedy Lamarr Höhen und Tiefen einer Hollywooddiva. (Alle Bilder Opernhaus Zürich/ Gregory Batardon)

Als Diva steht sie da auf der Bühne, bewegt sich in künstlerischen Posen wie eine Marionette – bis rings um sie die Welt erwacht, nein, explodiert. Zuerst wie menschliches Gewürm kriechen und kraxeln Figuren am Boden, werden grösser, zu Personen. Männer posieren als Freddy Mercury- Verschnitt, als Testosteronprotze, als elegante Cavaliere. Und Hedy, auf der steten Suche nach Liebe, wirft sich etlichen in die Arme (sechs Ehemänner hatte die «echte» Lamarr), nur um sie wieder zu verlassen. Irgendwann tobt das Leben nur noch um sie herum – sie steht zwar noch im Zentrum dieses Chaos, aber wie unsichtbar, alt und ohne Haare. Gehen unter die Haut, diese getanzten Biografieschnipsel.

Eine wahre Neuentdeckung!

Auch der zweite Teil des Ballettabends lehnt sich an die Zeit vor 100 Jahren an – wenigstens musikalisch. «Rhapsodies» heisst das knapp halbstündige Ballett des jungen, aufstrebenden Choreografen Mthuthuzeli November. Er ist Tänzer beim Ballet Black in London. Und ein Choreograf, der mit seinen ersten Arbeiten überzeugt. Die «Rhapsodies» hat er eigens für das Zürcher Ballett choreografiert und in George Gershwins «Rhapsody in Blue» den amerikanischen Way of life von 1924 exemplarisch thematisiert. Die beiden Pianisten Robert Kolinsky und Tamas Dratva spielen das Stück quasi in der Urfassung.

Ein Stück Afrika in Gerswins «Rhapsody in Blue», auf Spitze getanzt.

Dieser junge November aus den Townships bei Kapstadt vertanzt diesen zutiefst amerikanischen Sound so mitreissend und doch stringent, dass man sich wünscht, das knapp halbstündige Stück Ballett würde ewig weitergehen. November mischt Tanzende verschiedener Provenienz und Hautfarbe, und ossziliert zwischen klassischem Ballett, Contemporary Dance, Jazz und Street Dance. Die Bühne wird dabei aufgeteilt in verschiedene, wechselnde Räume (Bühnenbild von Magda Willi).

Afrika! Auf Spitze!

Und plötzlich, mitten im Gershwin, kommt Afrika auf die Bühne. Zu perkussiven Klängen bewegt sich die Company in afrikanischen Rhythmen. Die Frauen grösstenteils allerdings auf Spitze! All den Damen im Publikum, die früher in Ballettstunden mal in Spitzenschuhe geschlüpft sind, schmerzten die Zehen allein vom Zusehen. Es ist eine mitreissende Sequenz, bevor dann die Rhapsody beendet wird.

«Les Noces», das letzte Stück des Abends, führt ebenfalls zurück in die 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Choreografin ist Bronislawa Nijinska, die sich zu Lebzeiten ganz im Schatten ihres berühmten Bruders Vaslav Nijinski entwickeln musste. Erst seit einigen Jahren, einem halben Jahrhundert nach ihrem Tod, erleben ihre Choreografien eine Renaissance.

Es ist eine ernste Sache, so eine russische Hochzeit auf dem Lande. Keine Spur von Folklore, von mitreissender Festlichkeit.

Nijinska war wie ihr Bruder eine talentierte Tänzerin und später auch Choreografin und Tanzpädagogin. In «Les Noces» beweist sie ihr Talent, das sich zwar am klassischen Ballett orientiert und doch eine ganz spezielle, moderne Note aufweist. Es ist eine russische Bauernhochzeit, die da auf der Bühne zelebriert wird. Ganz ohne Folklore, ohne Farben, ohne fröhliches Spektakel. Nijinska zeichnet vielmehr ein auf dem Land wohl verbreitetes Drama nach, das eine von den Eltern arrangierte Vermählung eines jungen Mädchens mit einem ihr meist nicht bekannten Mann mit sich brachte.

Melancholisch und beklemmend

Zur Musik von Igor Strawinskys Kantate «Les Noces», einem Hybrid aus Gesang, Klavier und Perkussion, stehen auf der Bühne ernste junge Frauen, Klosterschülerinnen gleich in langen braunen Röcken. Ohne Mienenspiel tanzen sie, eng eingebunden in der Gruppe und doch mit gewisser Individualität, nach dem dominanten Rhythmus von Strawinskys Partitur. Auch den fröhlicheren Partien ihres Tanzes haftet eine gewisse Melancholie an.

Anders dann das zweite Bild mit den jungen Männern. Hier wird mit Marschschritten, kämpferischen Gesten und prahlerischem Gehabe die Angst vor dem Kommenden überspielt. Denn es ist auf beiden Seiten beklemmend, so eine arrangierte Hochzeit. Für die Braut sicher noch einschneidender, denn sie muss Abschied nehmen von ihren steif dastehenden Eltern und sich in die Familie ihres Bräutigams einfügen.

«Die Tänzer müssen wie ein einziger Akkord klingen, wie Musikinstrumente, und sich mit diesen vollständig verbünden», umriss Nijinska ihr Werk. Diese Maxime hat auch heute noch Gültigkeit und in der choreografischen Einstudierung von Christopher Saunders wird ihr voll und ganz nachgelebt.

Nächste Vorstellung 21. Januar.

 

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