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Negative Altersklischees belasten die Gesellschaft

Geht es Ihnen auch so? Sobald von „demografischer Alterung als Herausforderung“ die Rede ist, geht in mir eine Warn-Lampe an. Will da wieder jemand uns Ältere als kollektive Last und Gefährdung des Wohlstands anprangern?

Dr. Christina Röcke, Co-Direktorin Healthy Longevity Center, der Universität Zürich vertrat  anlässlich des ersten Alterskongresses von Pro Senectute Schweiz einen klaren Standpunkt. Sie bezeichnete die in Medien und Politik verbreiteten negativen Altersklischees als eine Art „self-fulfilling prophecy“, eine Vorhersage, die sich wie von selbst erfüllt. Sie werden zu oft verinnerlicht und  belasten unsere körperliche und geistige Gesundheit sowie unser soziales Befinden. Ein negatives Selbstverständnis im Alter erhöht das Risiko von Herzkreislaufkrankheiten und Gedächtnisschwäche bis hin zur Demenz. Dadurch wird genau das bewirkt, woran die ältere Generation schuld sein soll, nämlich höhere Kosten im Gesundheitswesen.

Dass sich negative Altersbilder so hartnäckig halten, ist nach der Meinung von Dr. Christina Röcke auf eklatante Wissensdefizite im Altersbereich zurückzuführen. Dabei gibt es durchaus positive Entwicklungen. Darüber sollten wir mehr sprechen: dass das Wohlbefinden zunimmt und dass Lernen bis ins hohe Alter möglich ist.

Die Altersdiskriminierung lässt sich bekämpfen, sagt die Altersforscherin, durch Politik und Gesetz, bildungsbezogene Aktivitäten und generationenübergreifende Interventionen. Vor allem gilt es positiv über das Alter zu reden, die Chancen des längeren Lebens zu erkennen: Altern ist ein dynamischer Prozess, der zu neuen Fähigkeiten und Kenntnissen führt, von denen wir als Gesellschaft profitieren können.

Negative Altersstereotypien jedoch führen zur Homogenisierung einer an sich sehr heterogenen Bevölkerungsgruppe. Wir alle verdienen es, auch im Alter als Individuen wahrgenommen und respektiert zu werden.


Bea Heim ist Präsidentin von VASOS

 

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2 Kommentare

  1. Ja, es geht mir ebenso, wenn wir Alten nur als» Kostenfaktor» gesehen werden und uns nicht mit dem nötigen Respekt für unsere Leistungen begegnet wird, Das Negativbild der älteren Bevölkerung im reichen Westen entbehrt jeder Grundlage und ist verletzend.

    Leider wird von staatlichen und privaten Organisationen für Altersbeauftragte immer noch viel zu wenig getan, die Altersdiskriminierung in der Öffentlichkeit und in der Politik deutlich zu benennen und damit sichtbar zu machen. Ein stärkeres Engagement für die legitimen Rechte und Anliegen betagter Menschen tut Not. Wir brauchen nicht noch mehr spezialisierte Arztpraxen und Zentren für teuren Gelenkersatz. Bei einem Bevölkerungsanteil von bald 30 %, werden vor allem in Altersmedizin ausgebildete Hausärzte und Hausärztinnen benötigt, die uns altersgerecht behandeln und bis zum Tod begleiten können. Forschung allein genügt nicht.

    Es braucht jedoch auch ein selbstbewussteres Auftreten der Seniorinnen und Senioren selbst. Mittellose Renter:innen, die am Existenzminimum leben, sollten z.B. das Recht für den Bezug der gesetzlichen Ergänzungsleistungen zur AHV wahrnehmen und die Behörden sollten sie dabei aktiver unterstützen. Alterspolitik sollte deutlich fordernder daherkommen, besonders in den Medien.
    George Bernard Shaw, Irischer Dramatiker und Satiriker, soll gesagt haben: «Alte Leute sind GEFÄHRLICH; sie haben keine Angst vor der Zukunft.» Recht hat er.

  2. In der Tat konkurrieren sich in der Öffentlichkeit widersprüchliche Vorstellungen über die Menschen im Rentenalter. Gut verankert ist das Bild der wohlsituierten und vermögenden Pensionäre, die sich im fitten Alter so manchen Luxus leisten können. Sie haben ein sechsmal höheres Nettovermögen als Haushalte mit Personen im Erwerbsalter. Ihr Vermögenszuwachs beginnt schon gegen Ende des Erwerbslebens, erfährt dann um die Pensionierung eine weitere Steigerung, einerseits durch den Kapitalbezug von Guthaben aus der 2. und 3. Säule, anderseits durch Erbschaften (Wanner Pierre, Die Pensionierten sind reicher als die Erwerbstätigen, in: Die Volkswirtschaft, 21.2.2023). Aber das ist nicht der Blick aufs Ganze. Auf Schattenseite stehen die Armutsbetroffenen und Armutsbedrohten. Für sie hält sich das mediale Interesse in Grenzen. Armut vollzieht sich im Verborgenen. Ähnlich ist die Problematik mit dem ebenfalls stark verbreiteten Stereotyp «Alter kostet nur!». Solche zugespitzten Schlagzeilen lauten beispielsweise: «Pflegekosten explodieren», «Zeitbombe Überalterung», «Mehr Alte, mehr Kranke, mehr Kosten» oder «Generationenvertrag gerät ins Wanken». Interessant ist auch hier, dass die älter werdende Gesellschaft vorwiegend unter finanziellen Aspekten erörtert wird. Dem wollten Gerontologen und der ehemalige leitende Stadtarzt von Zürich mit Fakten entgegenhalten. Aussagen wie «Ältere leben auf Kosten der Jungen», «Wegen den Älteren steigen die Gesundheitskosten», «Immer mehr Geld für die Rentnerinnen und Rentner!», «Ältere belasten die EL übermässig» oder «Das Leben der Älteren wird um jeden Preis verlängert» entkräften sie oder stellen sie in einen übergreifenden Rahmen. Es würde hier zu weit führen, im Einzelnen auf die Argumentationslinien dieser gerontologischen Arbeitsgruppe einzutreten. Aber die Lektüre und die ausführlichen Quellenangaben rücken Älterwerden in unserer Gesellschaft in ein umfassenderes Licht. Die ausschliessliche Fokussierung auf Kostenaspekte oder funktionale Defizite dieser späten Lebensphase zwischen Vitalität und Endlichkeit ist unzulänglich, im Grunde sogar anmassend. In vielen Familien übernehmen bekanntlich Grosseltern die Betreuung ihrer Enkelkinder, zu festen Wochentagen oder nach Bedarf, um die Berufstätigkeit beider Elternteile zu ermöglichen oder sie zu entlasten. Und viele rüstige Pensionierte engagieren sich beispielsweise soziokulturell oder in der weiten Welt der Freiwilligenarbeit. Andere wiederum freuen sich darüber, dass es ihnen trotz zunehmender Beeinträchtigungen gelingt, einen adaptiven Zufriedenheitspegel aufrechtzuerhalten. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass dies nicht allen Menschen vergönnt ist, weil es die Lebensumstände oder schwere Schicksalsschläge verunmöglichen. Ferner gilt es, die signifikanten Veränderungen zwischen dem dritten Lebensalter (60–80-Jährige) und dem vierten Lebensalter (Hochaltrigkeit) nicht zu übersehen.
    Lesetipp:
    Argumentarium: «Alter kostet nur? Von wegen!», Thomas Kobi, Heike Schulz, Bart Staring und Albert Wettstein, 2022 / Link: Alter_kostet_nur_-_von_wegen.pdf (gerontologie.ch)

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