StartseiteMagazinKulturAugusto Giacometti: Meister der Farben

Augusto Giacometti: Meister der Farben

Farben waren ihm das Grösste : «Qui riposa il maestro del colore» («Hier ruht der Meister der Farben») steht auf dem Grabstein von Augusto Giacometti. Ihm widmet das Aargauer Kunsthaus mit der Ausstellung «Freiheit–Auftrag» eine Retrospektive.

Gleich beim Eintreten in die Ausstellungsräume stehen wir einem der Selbstporträts von Augusto Giacometti gegenüber, präsentiert an einer Tapetenwand mit floralem Muster nach einem Entwurf von 1896. Gegenüber empfängt uns Die Freude, eine Farbsymphonie von 1922. Damit ist die Bandbreite der Ausstellung, sind die Themen freie Malerei und Auftragsarbeiten umrissen.

Katharina Ammann, Kunsthausdirektorin in Aarau, vor dem Selbstbildnis von Augusto Giacometti von 1941. Foto: R.+E. Bühler

Augusto Giacometti (1877 bis 1947) stammte aus der Giacometti-Sippe in Stampa, er war ein Cousin zweiten Grades des wenige Jahre älteren Giovanni, der oft reiste und gut vernetzt war, seinen Lebensmittelpunkt jedoch zeitlebens im Bergell hatte, während sein berühmtester Sohn Alberto ein Wahlpariser wurde. Hat Alberto die Farbe fast vollständig gemieden, waren Farben für Augusto das Zentrum seines Schaffens, was ihn zur Abstraktion führte.

Hamburg, 1927. Privatbesitz. Foto: Charlie Rubin

Augusto Giacometti hat in Zürich und Paris studiert, liess sich später wieder in Zürich nieder, wo er zu einem der Grosskünstler wurde. Er reiste viel, unter anderem nach London oder Nordafrika, und brachte seine Eindrücke in Skizzenheften heim ins Zürcher Atelier. Bereits in jungen Jahren war er mit den Mächtigen im Staat gut vernetzt. Sogar der italienische König Vittorio Emanuele III kaufte eins seiner Gemälde, und dank seiner engen Bekanntschaft mit dem damaligen Zürcher Stadtarchitekten, einem Logenbruder, bekam er als ersten grossen Auftrag die Ausmalung der Eingangshalle im Amtshaus I, im Volksmund Blüemlihalle genannt.

Blick in den Saal mit Werken, die dem Jugendstil zugeordnet werden. An der Stirnwand «Die Nacht», 1903. Kunsthaus Zürich. Foto: René Rötheli, Baden

Thematisiert wird in der Retrospektive auch die Glasmalerei, die er am Mittelalter orientierte und zugleich modernisierte. Nachzuvollziehen ist der Weg der Abstraktion anhand einer Notiz, die er im Musée de Cluny aufzeichnete. Er analysierte die Farben einer mittelalterlichen Glasmalerei nach dem Schema seines Lehrers Eugène Grasset, also ohne Rücksicht auf das Figürliche, notierte Farbwerte und Tonalitäten. Während im 19. Jahrhundert Glas einfach bemalt wurde, verwandte Giacometti bunte Glasstücke und Schwarzlot für seine Kompositionen, letztlich eine abstrakte Arbeitsweise.

Installationsansicht mit «Die Arbeit auf dem Lande», Glasmalerei von 1030/1931, ein Auftragswerk der Eidgenossenschaft. Foto: René Rötheli, Baden

Obwohl er ein hochverehrter Grosskünstler war, wurden einige seine Entwürfe und Werke auch abgelehnt oder gar nach nur einem Jahr wieder ausgebaut: Sein Zyklus Arbeit auf dem Lande von 1931 verdüstere die Garderobe des Ständeratssaals zu sehr, wurde begründet.

Aus der Villa Bloch-Hilb: Das Leben auf dem Lande, Teil aus dem zweiten Fenster. 1920. Foto: Philipp Hitz, Zürich

Die Ausstellung muss sich bei der Glasmalerei naturgemäss auf wenige Beispiele und Entwürfe beschränken, warum aber nicht einen Ausflug ins Grossmünster, ins Fraumünster, in die Wasserkirche oder weiter über den St. Martin in Chur bis Borgonovo unternehmen, um den Glasmaler Augusto Giacometti zu erfahren. Vollständig sind die Glasfenster der Villa Bloch-Hilb mit dem Thema Das Leben auf dem Lande von 1920 ausgestellt.

Sommernacht, 1917. Das Bild ist im Besitz des Museum of Modern Art in New York. Foto: The Museum of Modern Art, New York / Scala, Florenz

Im Mittelpunkt sowohl bei den Auftragsarbeiten als auch in der freien Malerei steht immer die Farbe. Giacomettis Malerei leuchtet so farbintensiv, dass der Bildinhalt – sei es eine Pariser Impression oder die Reminiszenz einer Sommernacht – sich unvermittelt in die Sinne der Betrachter prägt. Auch in gegenständlichen Bildern, beispielsweise in seinen Landschaften und Stadtansichten dominiert die Farbe, während das Motiv untergeordnet bleibt oder nur im Bildtitel als Inspirationsquelle erkennbar ist. Beat Stutzer schreibt im neu erschienenen Werkkatalog mit Verweis auf Giacomettis Vortrag Die Farbe und ich von 1933: «Unabhängig von den wechselnden Malweisen und der Ikonografie bildete der Umgang mit der Farbe die massgebliche, für den gesamten Werkkorpus relevante Konstante.»

Installationsansicht mit einer Reproduktion des Bilds «Mein Atelier» von 1945. Davor eine der Stationen, die zur vertieften Beschäftigung mit dem Künstler einladen.  Foto: R.+E. Bühler

Basis der Aargauer Ausstellung ist denn auch dieser neu erschienene Werkkatalog, des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA), bei dem die Kunsthaus-Direktorin Katharina Ammann bis 2020 die Leitung hatte. So hat sie gemeinsam mit Michael Egli und Denise Frey vom SIK, beide beim Werkkatalog engagiert, die Ausstellung eingerichtet. Deren Ziel sei, den Stand der Forschung einem interessierten Publikum zu vermitteln und gleichzeitig allen Besuchern einen direkten Zugang zu Giacomettis Werk zu ermöglichen.

Statt eines Katalogs gibt es einen kompakten Ausstellungsführer, der einerseits wissenschaftliche Erkenntnisse zusammenfasst, andererseits in einfacher Sprache die Werke beschreibt. Auch spielerisch darf man sich dem Maler nähern, passende Vermittlungsstationen stehen bereit, unter anderem eine Virtual-Reality-Brille, mit der man mitten in die Blüemlihalle gerät.

Eine Besteigung des Piz Duan. 1912. Kunsthaus, Zürich. Foto: SIK-ISEA Zürich (Martin Stollenwerk)

Drei der Chromatischen Fantasien nehmen bei dieser Retrospektive prominent eine Wand ein. «In diesen zwischen 1912 und 1917 geschaffenen Werken hat der Künstler die Loslösung vom Abbildhaften derart weit vorangetrieben, dass von einer gegenstandslosen Malerei gesprochen werden kann,» heisst es im Werkverzeichnis. Dank dem quadratischen Format und dem rhythmisierten Farbauftrag voller Kontraste entsteht eine innere Harmonie und endlose Weite. Eins der Bilder trägt den Titel Aufstieg auf den Piz Duan, das ist der einzige Hinweis auf den Gegenstand. Giacometti hat hier eine Fantasie der Leichtigkeit und Serenität geschaffen, die an das Wunder der Bergwelt erinnert. Es geht um das Wesen der Dinge.

Das letzte Bild auf der Staffelei: Amaryllis, 1947. Aargauer Kunsthaus, Aarau. Foto: Brigitt Lattmann

Das gilt auch für die Blumenmalerei, wo er zwar gegenständlich bleibt, aber das Wesen der jeweiligen Blume zeigen will. Diese so routiniert wie gekonnt gemalten Stilleben wurden gern direkt im Atelier gekauft, das allerletzte, zwei leuchtend rote Amaryllis in kleinen Blumentöpfen, hat das Aargauer Kunsthaus als Geschenk bekommen. Giacometti hat es dem Arzt vermacht, der ihn vor seinem Tod betreute.

Eine Wand voller Blumenbilder. Foto: R.+E. Bühler

Während seiner ganzen Schaffensperiode hat Giacometti regelmässig Selbstbildnisse gemalt. Seine Entwicklung vom Jugendstil bis zum Spätwerk ist an diesen Porträts ablesbar. Als Beispiel zeigt das Museum, wie er auf eine briefmarkengrosse Farbskizze – eher zweidrei Farbflecke als Zeichnung – zurückgreift, die er mehrfach ausführt, weil er nicht zufrieden ist mit der Umsetzung.

Farbabstraktion mit 15 Feldern, um 1900. Privatbesitz. Foto: SIK-ISEA (Philipp Hitz)

In diesen Selbstporträts zeigt er sich stets als korrekt gekleideter Bürger. Seine äussere Erscheinung war ihm wichtig, er habe Unmengen Geld ausgegeben für Kleidung, ist zu erfahren. Wer Bundesräte kennt und reiche Gönner und Sammler hat, muss entsprechend auftreten. Nachdem er es dank öffentlicher Unterstützung und Auftragswerken zum Staatskünstler geschafft hatte, wurde Giacometti auch Kunstpolitiker. 1939 wird er zum Präsidenten der eidgenössischen Kunstkommission gewählt.

Gleichzeitig mit dieser Retrospektive der Malerei, der Kunst am Bau und der Glasfenster zeigt das Kunstmuseum Chur die Ausstellung Augusto Giacometti. Contemplazione. Arbeiten auf Papier. Die Pastellzeichnungen waren für Giacometti wichtige Werke, mit denen er seine Bildsprache zwischen Figuration und Abstraktion entwickelte und Licht und Farbe besonders transparent gestalten konnte.

Bis 20. Mai
Titelbild: Plakatreihe mit Selbstporträt vor dem Kunsthaus in Aarau. Foto: R.+E. Bühler

Hier finden Sie Informationen zur Ausstellung in Aarau und
hier gibt es Hinweise für Ihren Besuch der Ausstellung in Chur

Der Catalogue raisonné des SIK zu Augusto Giacometti ist online. Als gedrucktes Buch in zwei Bänden ist er im Aargauer Kunsthaus, beim SIK und im Buchhandel für 250 Franken zu kaufen (ISBN 978-3-03942-175-6).

seniorweb hat in der Rubrik Nahreisen über einige Kunstwerke von Augusto Giacometti in der Stadt Zürich berichtet.

 

 

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