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Bronze-Hand gibt Rätsel auf

Das Bernische Historische Museum (BHM) widmet der Bronzezeit eine ebenso spielerische wie schmucke Ausstellung. Dieser wenig beachtete Abschnitt der Menschheitsgeschichte ist gekennzeichnet von grossen sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Verwerfungen.

In der Schule lernen wir über die Steinzeit (zum Beispiel über die Höhlenbewohner) und über die Eisenzeit und die Antike (beispielsweise über die Römer). Die Epoche dazwischen, die Bronzezeit, wird dagegen meist vernachlässigt, obwohl sie für die Entwicklung der Menschheit nicht weniger wichtig war. Die Bronzezeit brachte neue Krieger, talentierte Künstler und weitgereiste Händler hervor. Sie umfasste in Mitteleuropa den Zeitraum von 2200 bis 800 v. Chr. Im Bernischen Historischen Museum wird nun gezeigt, wie die Technik der Verbindung von Kupfer (neun Teile) mit Zinn (ein Teil) viele wegweisende Innovationen hervorbrachte.

Die Ausstellungsobjekte werden von Bildtafeln ergänzt, welche einen Einblick in die Kriegs-, Berufs- und Kulturwelt der Bronzezeit ermöglichen. Foto: Stefan Wermuth/Bernisches Historisches Museum.

In der Bronzezeit lernten die Menschen, serienmässig Schwerter, Äxte, Dolche und Pfeilspitzen zu giessen. Kriegerische Auseinandersetzungen erhielten eine neue Dimension. Landwirtschaftliche Werkzeuge wie Räder, Beile oder Sicheln wurden dank der Verwendung des Metalls härter und langlebiger. Dadurch wurden Massenproduktionen möglich. Nicht mehr alle Menschen wurden benötigt, um Nahrungsmittel herzustellen. Spezielle Berufe wie der des Schmieds entstanden. Schliesslich wurden Kult- und Schmuckgegenstände aus Bronze hergestellt, die als Grabbeigaben bis in die heutige Zeit überdauerten. Viele dieser Gegenstände sind in der Berner Ausstellung zu sehen.

Das Bronzeschwert als Symbol der Bronzezeit. Foto: Stefan Wermuth/Bernisches Historisches Museum

Die Beschaffung der Rohstoffe für die Bronzeherstellung führte zu engen Handelsbeziehungen zwischen Vorderasien, Ägypten und Europa in noch nie dagewesenem Ausmass. Die globale Bronzewelt war geprägt von Fortschritt, aber auch von sozialer Ungleichheit und Gewalt. Mächtige Eliten und Hierarchien entstanden. Doch der angehäufte Reichtum war ungleich verteilt. Und die Konfliktlösung durch Krieg wurde zur neuen Norm. In der Bronzezeit kamen Themen auf, die bis heute beschäftigen.

Kultgegenstand aus Bronze: Die Himmelsscheibe von Nebra. Foto: Stefan Wermuth/Bernisches Historisches Museum

In der Ausstellung gezeigt wird auch die Himmelsscheibe von Nebra. Dabei handelt es sich um eine kreisförmige Bronzeplatte mit Applikationen aus Gold, die als die älteste bisher bekannte konkrete Himmelsdarstellung gilt. Ihr Alter wird auf 3700 bis 4100 Jahre geschätzt. Das Artefakt der Aunjetitzer Kultur aus der frühen Bronzezeit zeigt astronomische Phänomene und religiöse Symbole.

Längere Zeit nach der Entstehung eingearbeitete Gold-Tauschierungen und die vermutlich bewusste Vergrabung vor 3600 Jahren lassen den Schluss auf einen längeren, möglicherweise religiösen Gebrauch zu. Seit Juni 2013 gehört die Himmelsscheibe von Nebra zum UNESCO-Weltdokumentenerbe in Deutschland.

Gefunden wurde die Himmelsscheibe am 4. Juli 1999 von Raubgräbern auf dem Mittelberg in der damaligen Gemeinde Ziegelroda nahe der Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt. Seit 2002 gehört sie zum Bestand des Landesmuseums für Vorgeschichte Sachsen-Anhalt in Halle. Den Ort, an dem die Himmelsscheibe 3600 Jahre im Boden lag, überwölbt das «Himmelsauge», eine Scheibe aus poliertem Edelstahl.

Im Zentrum der Berner Ausstellung steht die Bronzehand von Prêles. Foto: Stefan Wermuth/Bernisches Historisches Museum

Am 7. Oktober 2017 machten zwei Privatpersonen bei Prêles im Kanton Bern eine aussergewöhnliche Entdeckung: Sie fanden im Untergrund eines Ackers eine aus Bronze gegossene Hand mit einem goldenen Armband, ausserdem einen bronzenen Dolch und eine menschliche Rippe. Als die Forscher vom Archäologischen Dienst des Kantons Bern die Fundstücke zu Gesicht bekamen, veranlassten sie sogleich fachkundige Grabungen.

Das Ergebnis: Die Bronzehand ist wahrscheinlich rund 3500 Jahre alt. Sie ist damit die weitaus älteste bekannte Bronze in der Form eines menschlichen Körperteils – und damit eine archäologische Sensation. Nirgendwo sonst haben Forscher bisher je ein ähnliches Fundstück aus der mitteleuropäischen Bronzezeit entdeckt. Doch wozu diente die metallene Hand? Handelt es sich um eine Prothese, um ein Szepter, ein Schmuckstück oder um ein Kultobjekt mit ritueller oder zeremonieller Bedeutung?

Das Goldblech am Handgelenk weist die Hand in jedem Fall als Machtsymbol und als Zeichen einer gesellschaftlichen Elite oder womöglich einer Gottheit aus. Der hohl gegossene Arm-Ansatz könnte darauf hindeuten, dass die Hand ursprünglich auf einem Gegenstand montiert war.

Noch haben die Archäologen keine abschliessende Antwort auf die Frage gefunden. Immerhin wissen sie inzwischen, wem die Hand gehörte. Denn bei Nachgrabungen an der Fundstelle stiess das Team des Archäologischen Dienstes auf ein Grab mit Knochen eines erwachsenen Mannes. Im Grab fanden sie auch eine bronzene Gewandnadel, ein Haarschmuck in Form einer bronzenen Spirale sowie Reste von Goldblech, das von der Hand stammen dürfte. Diese Grabbeigaben und das Grab selbst deuten darauf hin, dass der Mann mit der Bronzehand einst eine bedeutende Persönlichkeit, möglicherweise ein König, war.

Einbezogen in die Spurensuche wird auch das Publikum: Im interaktiven Teil der Ausstellung dürfen die Besuchenden über verschiedene Thesen abstimmen, welchen Zwecke die Bronzehand von Prêles hatte. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Übergang von der Bronze- in die Eisenzeit: Die Pfeilspitze aus meteoritischem Eisen von Mörigen. Sammlung Bernisches Historisches Museum. Foto: Thomas Schüpbach

Am Schluss des Rundgangs wird eine weitere archäologische Sensation gezeigt: Eine im 19. Jahrhundert in Mörigen am Bielersee ausgegrabene, prähistorische Pfeilspitze wurde aus dem Material eines Meteoriten hergestellt. Das Material stammt vermutlich aus Estland. Der Nachweis einer so frühen Verwendung von meteoritischem Eisen ist extrem selten.

Reichhaltiges Rahmenprogramm

Die Ausstellung bildet den Kern des Jahresthemas «Bronze», dem sich das Bernische Historische Museum 2024 widmet. Daneben sorgt das reichhaltige Rahmenprogramm für Abwechslung: Familien basteln ab Februar in den sonntäglichen Familienateliers bronzezeitliche Schätze und kleine Forscherinnen können die Ausstellung auf der Entdeckungsspur «Geheimnisse der Bronzezeit» selbstständig erkunden.

Auch der Museumspark lädt zum Entdecken ein: Ab April gibt es in der Bronzewerkstatt bei prasselndem Feuer und zischender Bronze Einblick in die Handwerkskunst der Bronzezeit. Ein besonderes Highlight ist das Bronzefestival am Wochenende vom 22. und 23. Juni, an dem der Park mit spannenden Vorführungen und abwechslungsreichen Mitmachangeboten für Gross und Klein aufwartet. Vom 16. Oktober bis 27. November diskutieren Expertinnen in der Veranstaltungsreihe «Ein Abend im Museum» Themen rund um Bronze.

Titelbild: Welche Funktion die berühmte Hand von Prêles hatte, wird in der Ausstellung mittels Schwarmintelligenz eruiert. Foto: Philippe Joner, Archäologischer Dienst des Kantons Bern. 

Ausstellung «Und dann kam Bronze!»
1. Februar 2024 bis 21. April 2025

Bernisches Historisches Museum

Pfeilspitze von Mörigen aus Meteorit gefertigt

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