StartseiteMagazinLebensartZu Besuch bei «Herr Urs»

Zu Besuch bei «Herr Urs»

Stricken ist eine typisch weibliche Handarbeit, aber stricken mit grossen Maschinen, das ist, im Falle von Urs Landis, Männersache. Er ist leidenschaftlicher Stricker, Kettler, Dämpfer und Designer und gründete seine kleine Firma «Herr Urs» vor zehn Jahren im aargauischen Turgi. 

Die kleine Strickerei von Urs Landis ist spezialisiert auf die Produktion von Prototypen, Musterungen und Kleinserien im Bereich Flachstrick. Produziert wird vom Design bis zum fertigen Strickteil alles unter dem Label Herr Urs in der eigenen Werkstatt im SBB-Dienstgebäude neben dem Bahnhof Turgi im Aargau.

Seniorweb: Urs Landis, wie sind Sie vom Schriften- und Reklamegestalter über diverse Jobs wie LKW-Fahrer, Barista oder Werbefotograf zum Stricken gekommen?

Die Idee ist mir bei der Arbeit im Lager eines online Skaterladens gekommen. Ich sah die grossen Margen auf T-Shirts, die bei der Herstellung fünf Franken kosten und im Laden fünfzig. Wie ist das möglich, fragte ich mich, und wollte für diesen Preis selber T-Shirts herstellen, in der Schweiz. Auch hatte ich eine eigene Firma im Sinn, weil mich vieles in meinen Jobs stresste. Ich wollte es besser machen.

Gut sichtbar vom Zug aus der Fabrikationsstandort «Herr Urs» beim Bahnhof Turgi

An einer Informationsveranstaltung der Schweizerischen Textilfachschule STF warnte man mich, dass die Herstellung von T-Shirts äusserst aufwendig sei. Das wollte ich selber sehen. Ich meldete mich für die berufsbegleitende Ausbildung zum Textilfachmann an. Ohne Maturität musste ich den Vorkurs absolvieren, dann folgte die dreijährige Ausbildung bis zum Bachelor in fashion design and technology, 2012. Anstatt für T-Shirts begeisterte ich mich hier für Flachstrickmaschinen: Oben legt man den Faden ein und unten kommt die Kappe fertig heraus, ohne grossen Produktionsaufwand.

Meine erste 1,3 Tonnen schwere Flachstrickmaschine kaufte ich Occasion und richtete sie im Wintergarten meiner Eltern ein. Bald folgte eine zweite, doch dafür brauchte ich mehr Platz. Über Homegate fand ich Räume im SBB-Dienstgebäude beim Bahnhof Turgi, ein Bau von 1994. Das war genau das Richtige, die Böden waren stark genug, um die Last der inzwischen drei Strickmaschinen zu tragen.

Urs Landis an der Strickmaschine, an der sich fully fashioned stricken lässt

Ich verfüge jetzt wie grosse Firmen über alle Strickmaschinentypen, allerdings nur je eine. Am Anfang übte ich an einfachen Stücken wochenlang, bis sie fehlerlos waren. Später wagte ich mich an Pullover, die sich fully fashioned herstellen lassen, das heisst die Maschine strickt wie von Hand die geformten Einzelteile, Vorder- und Rückenteil, Ärmel und Kragen. Diese müssen hinterher auf der Kettelmaschine maschengerecht zusammengefügt werden, was mit viel Handarbeit verbunden ist. Ein Vorteil ist, dass ich Strukturen und Muster, auch Bilder einprogrammieren kann, was mir als gelernter Schriften- und Reklamegestalter entgegenkommt. Programmieren lernte ich beim Hersteller der Strickmaschinen.

Diese Maschine hat 587 Nadeln, auf jede Nadel kommt eine Masche, auch dickere Wolle lässt sich verstricken

Der Herstellungsprozess eines einzelnen fully fashioned Pullovers ist aufwendig, dafür brauche ich einen ganzen Tag. Da er zu teuer würde, basieren die Preise meiner Produkte auf einer Mischrechnung. Mit dieser Maschine experimentiere ich auch neue Designs für Einzelstücke. Versuchsstücke oder solche mit kleinen Fehlern, auch Schals und Mützen verkaufe ich zu herabgesetzten Preisen in meinem Garagenladen.

Im Garagenladen verkaufe ich Musterteile, Prototypen und Ausschussware zu günstigeren Preisen am letzten Samstagmorgen im Monat

Aufträge erhalte ich meist online. Ich lade jeweils die Leute zu mir ein, damit sie Farben und Materialien selbst auswählen können, auch die Musterungen, glatt rechts, Jacquard, Strukturen mit Zopf oder Patent. Für Kleinserien arbeite ich mit Schweizer Designern zusammen etwa mit Julian Zigerli oder mit Rotauf in Chur. Zu grosse Aufträge übergebe ich grösseren Firmen, umgekehrt erhalte ich von ihnen Aufträge, die für sie nicht rentabel sind. Wir unterstützen einander.

Dieser Pullover mit Ziegenmuster wurde mit der Nahtlosmaschine von unten nach oben gestrickt. Der weisse Hilfsfaden überbrückt die Lücke zwischen Ärmel und Mittelteil und lässt sich hinterher leicht abziehen. Der Kopf dahinter ist eine Form für Mützen.

Mit der zweiten Maschine, einer Nahtlosmaschine, werden Pullover in einem Stück hergestellt, allerdings vorwiegend flach mit rechts/links-Maschen. Mit wenig Aufwand lassen sich hier grössere Serien stricken, neben Pullovern, auch Mützen mit einem Logo drauf oder Schals mit einer zusätzlichen Etikette des Firmennamens als Werbeträger. Wenn diese Maschine arbeitet, kann ich mich auf Einzelstücke fokussieren, ketteln oder andere Handarbeiten machen.

Neue Produkte programmiere ich auf dem Computer. Wenn ich sie dann auf der Strickmaschine teste, überprüfe ich sie auf Fehler und korrigiere das Programm, denn eine falsche Programmierung kann zu einer Leermasche führen und das Stück wird unbrauchbar.

Alle Strickwaren sind mit ihren Programmen auf dem Computer gespeichert. Jede Masche ist wie ein Pixel und entspricht einer Nadel auf der Strickmaschine

Wenn ein Kunde zu mir kommt, hat er in der Regel klare Vorstellungen. Je nach Bedarf stelle ich vorher ein Muster zur Begutachtung her. Jeder Auftrag wird detailliert gespeichert, das heisst jedes Einzelteil eines Pullovers, jedes Muster, jedes Material. Wünscht jemand später dasselbe Produkt wieder, auch abgeändert, kann ich es abrufen. Grosse Firmen verbinden ihre Computer und Maschinen elektronisch über ein Netzwerk. Ich verwende für jede Maschine einen separaten USB-Stick.

Auch Jass-Teppiche kann man bei «Herr Urs» bestellen

Mit der dritten Maschine, sie hat 1000 Nadeln, lassen sich feine Garne, auch Seide verstricken. Bis zu vier Farben sind hier möglich. Meine Kollegin arbeitet gerne damit. Sie unterstützt mich, wenn ich zu viel zu tun habe. Sie ist Schneiderin und stellt auf dieser Maschine ihre Kollektion für die eigene Firma her. Wir rechnen nach Aufwand ab, denn ich könnte niemanden fest anstellen, zu unregelmässig sind die Aufträge.

Spulen mit Qualitätswolle in unterschiedlichsten Farben

Als Wolle verwende ich jeweils 100 Prozent Merino Wolle, Kaschmir, Schweizer Bio Wolle oder Shetlandwolle. Die meiste Wolle bestelle ich in Italien. Dort finde ich die Farben und Bioqualität, die ich auch in kleineren Mengen bestellen kann. Mein Ziel ist es, mit edlen Garnen hochwertige Strickwaren in der Schweiz zu fertigen.

Titelbild: Urs Landis in seinem Atelier. Alle Fotos: rv
Zur Webseite von Herr Urs

 

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