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Die Zeit bleibt nicht stehen

«Zeit und Mensch» – dieses Thema berührt sowohl den Alltag als auch Philosophie und Naturwissenschaften. In seinen «Facetten einer Kulturgeschichte» führt uns Udo Marquardt in das vielfältige Spektrum der Zeit ein.

Die Zeit – damit kann der Ablauf eines Tages, eines Lebens, einer Epoche oder sogar das Alter unseres Planeten gemeint sein. Immer fühlen wir uns eingespannt in den Rahmen der Zeit, wir richten unser Handeln nach der Zeit aus und oft genug bedauern wir es, wenn die Zeit für etwas Besonderes abgelaufen ist. Kurz gesagt: «Zeit» ist ein derart komplexes Thema, dass es nicht zwischen zwei Buchdeckeln Platz zu finden scheint.

Udo Marquardt hat jedoch genau dies getan. Er schaut in die Vergangenheit, erörtert, wie früher über Zeit nachgedacht wurde und wie die Menschen mit Zeit umgegangen sind, und beschreibt, wie unser gegenwärtiges Zeitverständnis entstanden ist. In unserer modernen, weltweit vernetzten Gesellschaft würde nämlich nichts funktionieren ohne genaues Zeitmanagement.

Lebenszeit

Bevor der Autor uns in die Tiefen historischer Zeitbegriffe geleitet, zeigt er auf, dass wir mehr oder weniger hilflos sind, wenn wir versuchen, «Zeit» zu definieren. Die Zeit kann als (ewig wiederkehrender) Kreislauf wahrgenommen werden – denken wir an die Jahreszeiten, oder als Pfeil, wenn wir an unser Leben denken: Es dauert von der Geburt bis zum Tod. Nur gewisse religiöse Vorstellungen erlauben auch für das Leben einen Kreislauf von Wiedergeburten. Marquardt weist auf einen interessanten Umstand hin: Es ist nämlich eine Frau, Hannah Arendt, die festhält, dass mit der Geburt etwas Neues, ein neues Leben, in die Welt und damit in die Zeit tritt, und diese beim Tod wieder verlässt. Bis dahin, sagt Marquardt, hatten die Männer sich nur mit dem Tod beschäftigt und keinen Zusammenhang zur Geburt hergestellt.

Ungelöste Fragen bleiben jedoch unzählige: Gibt es nur eine Zeit oder viele Zeiten? Ist die Zeit ein Kontinuum? Hat die Zeit eine Richtung und verläuft sie gleichmässig? Was uns offenkundig scheint, wird immer verzwickter, je genauer der Autor die Fragen erörtert.

Udo Marquardt hat Philosophie in Heidelberg, Luzern und Freiburg i. Br. studiert, wo er mit einer Arbeit über die aristotelische Zeittheorie promoviert hat. Seit fast 30 Jahren schreibt er für den Hörfunk über Philosophie.

Zu seinen Veröffentlichungen zählen «Die Einheit der Zeit bei Aristoteles», «Bedrohung Islam? Christen und Muslime in der Bundesrepublik Deutschland», «Spaziergänge mit Sokrates», aber daneben auch zahlreiche Krimis. Seine gründlichen Ausführungen, wie Philosophen der europäischen Geistesgeschichte «Zeit» verstanden, zeugen von seiner langjährigen Beschäftigung.

Zeit in der Philosophie

Über Heraklit (ca. 520 – 460 v. Chr.) lesen wir, dass dieser zu der Erkenntnis gelangte, in einem Leben, in dem sich alles ständig verändere, gebe es keine dauerhaften Sicherheiten, nichts, worauf wir uns verlassen könnten. – Eine überraschend moderne Auffassung, die damals allerdings nicht von allen Denkern geteilt wurde. Platon sah in seiner Ideenlehre die Ewigkeit als Gegensatz der Zeit, in der sich alles wandelt. Der erste Philosoph, der konkrete Aussagen macht, ist Aristoteles. Er sagt: «Es gibt die Zeit nur, wenn es ein Jetzt gibt.» Und dieses Jetzt ist immer wieder ein neues «Jetzt». Schliesslich erschüttert Albert Einstein die Geschichte des Nachdenkens über die Zeit mit seiner Erkenntnis: «Alles ist relativ.» Auch damit sind die Forschungen über das Wesen der Zeit nicht beendet.

Zeit muss gemessen werden

Im Kapitel über die Zeitmessung erfahren wir, wie Kalender und Uhren in unser Leben kamen. «Dass wir die Zeit messen», erklärt Marquardt, hänge mit dem Gefühl zusammen, nicht genug davon zu haben. Zeit sei ein kostbarer Stoff. Ähnlich hatte er schon in der Einleitung darauf hingewiesen, dass die Vergänglichkeit gerade dann wie eine schwarze Wolke erscheint, wenn es uns z.B. in den Ferien besonders wohl ist.

Sterne als Orientierung in Raum und Zeit

Der Himmel, lesen wir weiter, ist unsere erste Uhr. Während die Tageszeiten vom Stand der Sonne abgelesen werden können, dienen der Mond und die Sterne dazu, einen Kalender zu erstellen. In Mesopotamien schufen die Sumerer die ersten Kalendereinheiten: Monat und Jahr. Die Woche hatte nicht immer 7 Tage, aber schon früh wurde ein Tag zum Ruhetag erklärt. In den Grossstädten wie Babylon lebten zig Tausende Menschen, die Ordnung und Strukturen für ihr Leben benötigten. «Je komplexer die gesellschaftlichen Verhältnisse wurden, umso wichtiger war eine zeitliche Struktur, die das Zusammenleben regelte.»

Die erste Uhr, die diesen Namen verdient, war die Sonnenuhr. Der Stab, dessen Schatten den Sonnenstand bzw. die Zeit zeigte, konnte schräg, d.h. in einem bestimmten Winkel befestigt werden und zeigte so die Zeit unabhängig von der Jahreszeit. – Raffiniert, nicht wahr!

Präzision und Beschleunigung

«Die Uhr gehört wie die Dampfmaschine, die Eisenbahn oder das Telefon zu den Instrumenten oder Maschinen, denen wir unsere moderne Gesellschaft verdanken», schreibt der Autor und führt uns in kurzweiligen Kapiteln durch die Geschichte der Uhren bis hin zur Weltzeituhr, deren Genauigkeit im Pariser Bureau International de l’Heure koordiniert wird, basierend auf achtzig Atomuhren, von denen eine sich in Bern im METAS befindet.

Bern, Zytglogge:  Uhrwerk von Kaspar Brunner aus dem Jahr 1530 / commons.wikimedia.org.

Die Instrumente der Zeitmessung sind das eine, auf welche Weise und wie stark wir uns im Alltag vom Lauf der Zeit beeinflussen lassen, ist eine andere Geschichte mit vielen sozialen und psychologischen Komponenten. Darauf geht der Autor in seinen letzten Kapiteln ein. Nicht nur im Empfinden des Einzelnen, sondern auch in Wirtschaft und Gesellschaft scheint die Zeit zu rasen. Dauernde Beschleunigung haben schon zeitkritische Philosophen und Soziologen im 20. Jahrhundert konstatiert. Marquardts Bemerkungen dazu sind, wie auch das ganze Buch,  überaus lesens- und bedenkenswert. «Leben heisst Zeit verbrauchen», ist eine seiner letzten Thesen.

Udo Marquardt: Zeit und Mensch. Facetten einer Kulturgeschichte. Schwabe Verlag 2024, 248 Seiten,
ISBN 978-3-7965-4947-2

 Titelbild: Sonnenuhr am Benediktinerinnenkloster St. Johann in Müstair GR / commons.wikimedia.org

 

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