StartseiteMagazinLebensartNeugier und Liebe zum Jazz als Antrieb

Neugier und Liebe zum Jazz als Antrieb

Er hat zahlreiche Jazzgrössen aus dem In- und Ausland in unsere Gegend gebracht und unzählige Konzerte organisiert. Hauptamtlich war er noch Lehrer und Theatermann, Vater und Ehemann. – Ein Porträt des Oberwilers Urs Blindenbacher, der vor einem halben Jahrhundert den Jazz nach Basel gebracht hat.

Gleich mehrere Koryphäen des Jazz lassen Urs Blindenbacher und seine offbeat Konzertorganisation heuer aufleben: Max Roach, «der grosse Innovator am Schlagzeug» (1924 – 2007), würde 100 Jahre alt, ebenso «die grande dame des Vocaljazz» Sarah Vaughan(1924-1990) und der Jazzpianist Bud Powell (1924-1966). Und Duke Ellington, «der wohl wichtigste Komponist, Arrangeur und Pianist des Jazz, würde am 29. April dieses Jahres sogar 125 Jahre alt», sagt Blindenbacher. Klar, dass das diesjährige Festival-Programm diesen Jazz-Legenden gedenken und mit diversen internationalen Künstlern ein veritables Piano-Festival aus dem Hut zaubern wird.

Der Schlagzeuger

Urs Blindenbacher (70), Initiator, treibende Kraft und Chef von offbeat, ist ebenfalls sowas wie eine Legende – eine lebende, nota bene. Er wächst in Riehen auf, besucht in Basel das Gymnasium, studiert Deutsch, Geschichte und Philosophie in Basel und Berlin. Während des Studiums greift er für die «Basler Nachrichten» und die «Badische Zeitung» in die Tasten, berichtet über Konzerte und bespricht Filme.

«Ich wollte modernen Jazz nach Basel bringen»: Urs Blindenbacher. 

Schon früh interessiert er sich für Musik. Zunächst sind es der Blues und die Rockmusik, die ihn begeistern, dann fasziniert ihn zunehmend der moderne Jazz mit seinen damaligen Grössen John Coltrane, Miles Davis und Konsorten. Er beginnt Schlagzeug zu spielen und gründet mit Kollegen eine Studentenband. Damals war es auch, als die Idee aufkeimte, selber etwas auf die Beine zu stellen. Dazu sagt er: «Ich wollte guten, modernen Jazz nach Basel bringen – meine Vorbilder waren Jazz-Festivals in Berlin, Montreux und Willisau». Anfänglich war da nichts ausser dem Wunsch des Jungspunds, etwas zu bewegen: weder Geld und Sponsoren, noch Erfahrungen und passende Lokalitäten.

Urs Blindenbacher mag sich noch gut an das erste, selbst organisierte Konzert anno 1974 mit dem Joachim Kühn Quartett erinnern. Am 8. Mai 1975 ging es dann selbstständig los mit dem Konzert des deutschen Posaunisten Albert Mangelsdorff (1928-2005); dieser begeisterte das etwa 150köpfige Publikum in der Safranzunft und bestärkte ihn und seine Mitstreiter darin, auf diesem Weg weiterzumachen. Das Ergebnis darf sich sehen lassen: In den bald 50 Jahren haben er und seine Organisation total um die 3500 Konzerte auf die Beine gestellt, wichtige Sponsoren gefunden und – vor allem – ein treues, dankbares Publikum.

Der Begeisterte

Angesprochen auf die Highlights in all den Jahren gerät Urs Blindenbacher ins Sinnieren. Doch dann sprudelt es aus ihm heraus: In den ersten Jahren gehören die Konzerte mit den weltbesten Schlagzeugern wie Max Roach (2024-2007), Elvin Jones (1927-2004) und Art Blakey /1919-1990) dazu. «Das war für mich als Schlagzeuger gigantisch!» In besonderer Erinnerung bleiben wird ihm auch das letzte Konzert in der Schweiz des argentinischen Bandoneon-Virtuosen und Komponisten Astor Piazolla (1921-1992) oder das Konzert des US-amerikanischen Trompeters Chet Baker (1929-1988). Beide starben nur Wochen nach ihrem Auftritt in Basel. Blindenbacher: «Das waren unglaublich denkwürdige Momente für mich!»

Darüber hinaus holte er in den vergangenen Jahrzehnten jede Menge an bekannten Jazzmusikerinnen und -musikern ans Rheinknie: etwa die Saxophonisten Wayne Shorter(1933-2023) und Sonny Rollins (geb. 1930), den Vokalkünstler Bobby McFerrin (geb. 1950) und 1997 den unvergleichlichen Buena Vista Social Club aus Kuba (mit Omara Portuondo, Ibrahim Ferrer, Ruben Gonzales und Compay Segundo). «Dann haben wir – mittlerweile sind wir Freunde – den 60.Geburtstag von Herbie Hancock in Basel gefeiert: absolut denkwürdig!» Blindenbacher könnte noch lange Namedropping betreiben, denkwürdige Geschichten und Anekdoten erzählen und die Auftritte mit allerlei Superlativen beschreiben.

Der Interessierte

Wenn man mit Urs Blindenbacher über Konzerte und die Musikergilde spricht, könnte man glatt vergessen, dass er noch ein Leben nebst offbeat hat: Er war (bis vor Kurzem) vollamtlicher Mittelschullehrer, Theaterpädagoge , Veranstalter von Theater-Festivals. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Und seit einiger Zeit gestaltet und moderiert er bei Radio X noch eine sonntägliche Jazz-Sendung.

Stellt sich die Frage, wie ein einzelner Mann dies alles unter den viel zitierten einen Hut bringt. Blindenbacher ist sich der jahrzehntelangen Mehrfachbelastung durchaus bewusst: «Es war too much – aber ich wollte alles, weil ich unheimlich interessiert bin an Theater, Film und Musik. Und ich war auch sehr gerne Pädagoge.» Lehrer sei er gewesen, um ein Auskommen zu haben: «Von der Musik hingegen wollte ich nie leben und von der Kultur kannst du nicht leben.»

Zum Glück, sagt er, habe er eine tolerante Frau und (mittlerweile erwachsene) Kinder, die ihn haben gewähren lassen. Seine Frau ist übrigens seit Jahren als Werbeleiterin bei offbeat an Bord. Dafür mache er jetzt – pensioniert – im Gegensatz zu früher viel Hausarbeit: «Kochen, Waschen, Putzen… denn meine Frau arbeitet bei Pro Spezie Rara in einem fulltime-Job.»

Der Kreative

Den Antrieb und die Energie, die er in diesen hoch engagierten Jahren nötig hatte, habe er im Interesse selber gefunden, glaubt er. «Hier fand und finde ich meine Motivation.» Zudem habe er schon immer kreieren und Konzeptarbeit machen wollen.

Als Schlagzeuger, der nach dem Lizentiat auch noch Schauspielunterricht genommen hat, hätte er ja auch entweder Musiker oder Schauspieler werden können. «Theoretisch schon. Aber zum Musiker war ich zu wenig gut und zum Schauspielern war ich damals schon zu alt». Und, wie bereits erwähnt: Er war auch gerne Lehrer.

offbeat feiert im nächsten Jahr 50 Jahre.

Seine offbeat Concert GmbH hat die Corona-Phase gut überstanden – auch dank staatlicher Unterstützung. Seit dem Sommer 2022 laufe es wieder einigermassen rund, obwohl die Pandemie das Verhalten des Publikums markant verändert habe. Konkret würden die Leute heute sehr kurzfristig entscheiden, ob sie ein Konzert besuchen oder nicht, berichtet Blindenbacher. Zudem seien wegen Corona unzählige Tickets verfallen. Diese Aussage wird von Stefan Breitenmoser, Geschäftsführer von Swiss Music Promoters Association (SMPA) mit Zahlen untermauert: «Während Corona (2020-2022) wurden von SMPA-Mitgliedern rund 7,2 Millionen Tickets weniger verkauft als im Durchschnitt der Vorjahre. Darin sind auch ausgefallene Tickets von während Corona verschobenen Veranstaltungen enthalten, die später nachgeholt wurden.»

Dies, so Blindenbacher, habe zur Verhaltensänderung des Publikums geführt, indem die Leute immer kurzfristiger agieren. «Zum Glück aber kommen die Menschen heute wieder mit grosser Begeisterung zu unseren Konzerten, sodass die Auslastung wieder bei 90 Prozent und mehr liegt».

Der Musik-Fan

Zurzeit sind es zwischen 8 und 12 Teilzeit-Mitarbeitende, die bei Jazz by offbeat tätig sind. «Blindi» ist sich bewusst, dass angesichts seines fortgeschrittenen Alters die Frage im Raum steht, wie es mit offbeat weitergehen soll. Seine Antwort: «Wie lange ich es noch mache, bestimmt meine Gesundheit. Aber ich bin nicht der, der sagt, dass in einem Jahr oder so Schluss sein wird. Dafür bin ich ein zu grosser Musik-Fan». Immerhin sei er daran, seine Organisation zu verjüngen.

Dass er im Jahre 2007 mit dem Kulturpreis der Stadt Basel und auch schon mit dem Jazzpreis der Region Basel (Goldenen JAP-Nadel) ausgezeichnet wurde, schmeichelt ihm. Allerdings: «Solche Ehrungen sind schön und wichtig, sind Teil der Anerkennung und Reputation. Viel wichtiger für mich ist der Response des Publikums. Fehlt der eines Tages, dann ist Feierabend!»

Titelbild und Fotos: © Christian Roth

Frühlings-Konzerte offbeat

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