StartseiteMagazinKulturTracey Rose - keine Scheu vor dem Schock

Tracey Rose – keine Scheu vor dem Schock

Die südafrikanische Künstlerin Tracey Rose (*1974) ist seit Mitte der 1990er Jahre als radikale Stimme in der Gegenwartskunst bekannt geworden. Das Kunstmuseum Bern zeigt in «Shooting Down Babylon» rund 100 Werke, frühe Arbeiten, Zeichnungen bis hin zu Performances und Installationen.

Tracey Rose lebt ihre Kunst im wahrsten Sinne des Wortes. Je mehr ich mich auf sie einlasse, desto deutlicher wird: Ihr Körper ist der Ursprung all ihres Schaffens, egal welche Ausdrucksmittel sie benutzt: Video, Skulptur, Fotografie. Mit ihrem Körper – wenig oder gar nicht bekleidet, wenn es ihr notwendig scheint – setzt sie um, was ihr auf der Seele brennt: Themen wie Postkolonialismus, Rassismus, Sexualität und natürlich die Apartheid, die erst aufgehoben wurde, als Tracey Rose erwachsen war.

Sie protestiert, empört sich gegen die festgefahrenen Ideologien, ruft zum Widerstand auf. Mit ihrer Praxis, sich selbst mit «Haut und Haar» in ihr Werk einzubringen, erregt sie Aufsehen, sie schont sich nicht – und dann stehen wir vor einer «stillen» Installation, wo es um Reinigung geht. Nicht nur sich selbst will sie reinigen, sondern symbolhaft die ganze Welt. Das ist ihre Idee hinter «Shooting Down Babylon». Den Anstoss zu dieser dreiteiligen Installation, aufgebaut wie ein Turm, gab ihr die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA. Es ist ihre Antwort auf dessen Provokationen.

Tracey Rose, in Zusammenarbeit mit L1. Portrait for a Young Black Man, 2013. Mischtechnik auf Papier

«Vergessen Sie nicht», erklärt uns Kuratorin Kathleen Bühler, «Protest ist laut, denn er will ja gehört werden.» Deshalb ist es auch in einigen Ausstellungsräumen laut, erschreckend laut, und mir wird bewusst, wie empfindlich der Hörsinn reagiert, wie wenig wir Geräuschen ausweichen können, im Unterschied zum Auge, dem es leichter fällt, Abstand zu halten. – Eine oder zwei der Installationen sind so quälend, dass ich sie nicht jeder Besucherin, jedem Besucher empfehlen kann.

Kritik und Ablehnung sind Tracey Rose vorausgeeilt. Medienrecherchen hatten nämlich ergeben, dass die Künstlerin im Jahre 2021 einen offenen Brief «A Letter against Apartheid» unterzeichnet hatte, der von der politischen Lage in den Palästinenser-Gebieten handelte. Von jüdischer Seite in der Schweiz wurde diese Äusserung scharf kritisiert.

Tracey Rose: A Dream Deferred (Mandela Balls), 13/95 IMBOKODO: Kathy’s Rainbow, 2021. Verschiedene Materialien

Das Kunstmuseum Bern hat dazu vor der Eröffnung der Ausstellung Stellung genommen und schreibt:

«Tracey Rose hat jüdische und muslimische Wurzeln. Sie verurteilt die grausamen Angriffe der Hamas auf Israel» . . . Von der Künstlerin heisst es: «Ich glaube an das Existenzrecht des Staates Israels und des Staates Palästina.»

Weiter heisst es in der Stellungnahme: «Wir als Museum stehen fest gegen alle Formen der Diskriminierung. Unsere Institution verpflichtet sich zu Gleichheit, Inklusivität und Respekt für die Würde jedes Einzelnen. Wir verurteilen jegliche Form von Terrorismus, Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Diskriminierung, Sexismus und Menschenfeindlichkeit.  . . .  Diese Herausforderungen erinnern uns daran, wie eng unsere Schicksale miteinander verflochten sind und wie wichtig es ist, gemeinsam für die Aufrechterhaltung des Dialogs, von Stabilität, Frieden und Solidarität einzutreten.»

Museumsdirektorin Nina Zimmer erklärt: «Keine Gruppe soll sich bedroht oder ausgeschlossen fühlen. Miteinander im Gespräch zu bleiben, ist ein hohes gesellschaftliches und kulturelles Gut, das wir mit aller Kraft verteidigen.»

Tracey Rose: A Dream Deferred (Mandela Balls), 14/95 EXCALIBUR: Seven 7CROWN Audie’$ Booitjie Booitjie Tomorrow, 2021. Verschiedene Materialien

Das Berner Kunstmuseum erwarb im Jahr 2000 das erste Werk von Tracey Rose. 2001 hatte Harald Szeemann ihr in der Berner Kunsthalle die erste Ausstellung in der Schweiz gewidmet.

Einige dieser Werke schockieren, kein Zweifel. Menschen, die stets in einem behüteten Rahmen gelebt haben, werden brüskiert sein.

Was meint Tracey Rose, wenn sie in einem grossen Bild auf den Krönungspalast der englischen Könige pinkelt? Es ist ein Protest gegen den Kolonialismus, offiziell zwar beendet, aber immer noch virulent. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden Afrikanerinnen und Afrikaner in «Völkerschauen» ausgestellt, «Hagenbecks Menschenzoo» hiess das in Hamburg, in Paris musste die Grossmutter von Tracey Rose diese Entwürdigung über sich ergehen lassen. – Racial Profiling ist in der Schweiz ein Problem bis heute.

Spiritualität, das absurde Theater, Humor und Poesie – all das finden wir in Tracey Roses Arbeiten. Als einziges farbiges Mädchen hatte sie eine katholische Schule besucht, wurde von Nonnen unterrichtet. Es war nicht leicht für sie, aber alle erkannten, dass sie sehr gut zeichnen konnte, deshalb wurde sie «die Künstlerin» genannt. Später setzte sie sich mit der Bibel auseinander, schuf eine feministische, zugleich skurril-überspitzte Darstellung des Abendmahls, und interpretierte das Buch Genesis neu. «Die Vertreibung aus dem Paradies» wirkt wie eine Bild aus einem Fantasy-Roman.

Tracey Rose: Lucie’s Fur Version 1:1:1 – The Messenger, 2003 Lambda Druck

Den anthropologisch wichtigen Fund des ältesten Menschen, Lucie, die in Afrika entdeckt wurde, stellt Tracey Rose als Lucie’s Fur (Lucies Pelz) dar. Daraus lässt sich leicht Luzifer ableiten, und damit der Bezug zu Katholizismus.

Wer sich genauer mit Tracey Rose beschäftigt, wird erkennen, dass sie nichts anderes anstrebt, als dass Menschlichkeit, Frieden und Heilung das Szepter übernehmen.

Das Gedenken an den legendären Nelson Mandela ist der Künstlerin wohl seit ihrer Jugend wichtig. Sie arbeitet an einem Projekt A Dream Deferred (Mandela Balls), das 95 Objekte umfassen wird, zu Ehren des ersten Präsidenten, der sich selbst als Präsident für alle Südafrikaner verstand und 95 Jahre alt wurde. Der Titel (Ein aufgeschobener Traum) drückt aus, dass sich der Traum von Gleichheit und Demokratie noch nicht voll verwirklicht hat.

Tracey Rose:  Dream Deferred (Mandela Balls), 16/95 MATTHEW 9:14 For the Boys of Bird Island, 2021. Verschiedene Materialien

Das neuste Video, zum Thema gesunde Ernährung, vermittelt die Hoffnung, dass die Jugend verwirklicht, was bis jetzt nur beabsichtigt ist.

Tracey Rose: Shooting Down Babylon. Kunstmuseum Bern, bis 11. August 2024.
Ein umfangreiches Begleitprogramm finden Sie auf der Webseite.

Titelbild: Tracey Rose: Lucie’s Fur 1:1:1 – The Prelude: La Marcha de la Aparicion 2003. Pigmenttinten auf Baumwollhadernpapier.
Alle Fotos:  Courtey of the artist

 

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