Die Villa Flora öffnet nach zehn Jahren wieder ihre Tore. Mit der Ausstellung «Bienvenue!» kehren die Meisterwerke von Cézanne, van Gogh und Manet nach Winterthur zurück. Das renovierte Haus mit der Sammlung von Hedy und Arthur Hahnloser-Bühler ist neu Teil von «Kunst Museum Winterthur».
Mein erster Besuch im Museum Villa Flora kurz nach der Eröffnung 1995 ist mir noch lebhaft in Erinnerung. Kunstsammlung und Lebensraum waren eng verbunden: Wie in einem Privathaus führte der Rundgang durch enge Räume mit exquisiten Bildern an den Wänden, der Stubentisch war belegt mit Zeitschriften und Büchern. Der Geist des Sammlerpaares Hahnloser schwebte über allem. Vor zehn Jahren wurde das Haus geschlossen und die Sammlung auf eine Reise um die Welt geschickt.
Bildergalerie mit Werken von Félix Vallotton. Foto: Reto Kaufmann, Zürich
2018 wurde die Villa Flora vom Kanton Zürich erworben und in den Verbund Kunst Museum Winterthur einbezogen. Das herrschaftliche Wohnhaus wurde restauriert und mit einem modernen Gartenpavillon erweitert. Die gesamte Anlage, auch der Garten sowie der ehemalige Wohntrakt, ist nun für das Publikum geöffnet. Befreit von Teppichen und Mobiliar kommen die originalen Parkett- und Fliesenböden nun zur Geltung, wie auch die sorgfältig restaurierten historischen Tapeten. Die sparsam aufgehängten Bilder strahlen wie kostbare Juwelen von den Wänden. Der Charme des Privaten tritt zugunsten eines zeitgemässen Museums in den Hintergrund.
Vincent van Gogh, Le café de nuit à Arles, 1888
Die Villa Flora an der Tösstalstrasse 44 in Winterthur wurde 1846 erbaut und 1908 von den Architekten Robert Rittmeyer & Furrer im Jugendstil erneuert. Es war das Wohnhaus von Hedy Hahnloser-Bühler (1873-1952) und Arthur Hahnloser (1870-1936). Das Paar begann sich früh für die Kunst ihrer Zeit zu begeistern und sammelte zwischen 1906 und 1936 Werke der Postimpressionisten, der Künstlergruppe Nabis, der Fauves sowie Werke von Schweizer Künstlern wie Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti. Mit Félix Vallotton, Pierre Bonnard und weiteren Kunstschaffenden ihrer Zeit waren sie freundschaftlich verbunden. Ihr Haus wurde zum Treffpunkt der Künstler und der Kunstfreunde.
Henri Matisse, Nice, cahier noir, 1918
Hedy und Arthur Hahnloser waren nicht nur als Sammler aktiv, sie engagierten sich auch für das Winterthurer Kulturleben. Da im Vorstand des Kunstvereins keine Frauen zugelassen waren, engagierte sich Arthur Hahnloser mit aktiver Unterstützung seiner Gemahlin im Hintergrund. Dem Kunst Museum Winterthur schenkte das Ehepaar zahlreiche Gemälde aus der eigenen Kollektion und legte so gemeinsam mit befreundeten Mäzenen dessen Schwerpunkt auf die französische Kunst um die Jahrhundertwende.
Henri Charles Manguin, Le thé à la Villa Flora, 1912. Hedy Hahnloser und ihre Tochter Lisa beim Tee im Garten der Villa Flora.
Nach dem Tod von Arthur und Hedy Hahnloser lebte die Tochter Lisa Jäggli-Hahnloser mit ihrer Familie im Elternhaus. Um die Sammlung zu bewahren, gründeten die Nachkommen 1980 die Hahnloser/Jaeggli Stiftung. Zwischen 1995 und 2014 betrieb ein Trägerverein im umgebauten Ostflügel das private Museum Villa Flora. Schon damals galt die Sammlung mit mehr als 100 Gemälden, mit Haus und Garten als einzigartiges Kulturgut von internationaler Bedeutung.
Die neu eröffnete Villa Flora profitiert heute von weiteren Schenkungen der Familie in die Hahnloser/Jaeggli Stiftung, die sie als Dauerleihgaben dem Kunst Museum Winterthur zur Verfügung stellt. So können erstmals Werke präsentiert werden, die bisher in Familienbesitz waren. Mit dem Zusammenschluss der Häuser beim Stadthaus und am Stadtgarten ist zudem unter den Museen ein Austausch möglich. Dem Bonmot von Hedy Hahnloser folgend «il faut vivre son temps» werden in der Villa Flora auch zeitgenössische Ausstellungen stattfinden.
Innenansicht. Foto: Reto Kaufmann, Zürich
Anlässlich der Erweiterung von Kunst Museum Winterthur auf drei Häuser erscheint ein Bildband zu den Winterthurer Kunstsammlungen, der den Bogen vom Barock bis in die Gegenwart spannt. Die Publikation würdigt die mäzenatischen Leistungen zahlreicher privater Sammlerpersönlichkeiten und Kunstfreunde wie Oskar Reinhart, Jakob Briner sowie Hedy und Arthur Hahnloser. Dank ihres Engagements für die Kunst und ihrer Vermittlungsarbeit entwickelte sich Winterthur zur Museumsstadt mit einzigartigen Kunstschätzen.
Titelbild: Henri Charles Manguin, La Villa Flora, 1912
Alle Bilder: Kunst Museum Winterthur, Hahnloser/Jaeggli Stiftung
Bis 5. Januar 2025
«Bienvenue! Meisterwerke von Cézanne, van Gogh und Manet zurück in Winterthur», im Kunst Museum Winterthur / Villa Flora
Katalog «Kunst Museum Winterthur. Zweihundert Meisterwerke», Hrsg. Konrad Bitterli und Andrea Lutz, Winterthur 2024, im Museumsshop CHF 48.00